Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 84/12, Pressemitteilung vom 12.12.2012, BFH-Urteil vom 05.07.2012, Aktenzeichen VI R 50/10
Kosten für Telefongespräche, die während einer Auswärtstätigkeit von mindestens einer Woche Dauer anfallen, können als Werbungskosten abzugsfähig sein. Das hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 5. Juli 2012 VI R 50/10 entschieden.
Der Kläger, ein Marinesoldat, führte während eines längeren Auslandseinsatzes an den Wochenenden 15 Telefongespräche mit seiner Lebensgefährtin und Angehörigen für insgesamt 252 €. Die Kosten machte er vergeblich in seiner Einkommensteuererklärung als Werbungskosten geltend. Das Finanzgericht hat der Klage stattgegeben. Die Revision des Finanzamts hatte keinen Erfolg.
Zwar handelt es sich bei den Aufwendungen für Telefonate privaten Inhalts etwa mit Angehörigen und Freunden regelmäßig um steuerlich unbeachtliche Kosten der privaten Lebensführung. Nach einer mindestens einwöchigen Auswärtstätigkeit lassen sich die notwendigen privaten Dinge aber aus der Ferne nur durch über den normalen Lebensbedarf hinausgehende Mehrkosten regeln. Die dafür anfallenden Aufwendungen können deshalb abweichend vom Regelfall als beruflich veranlassten Mehraufwand der Erwerbssphäre zuzuordnen sein.
Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 82/12, Pressemitteilung vom 28.11.2012, BFH-Urteil vom 21.08.2012, Aktenzeichen VIII R 33/09
Erleidet ein nichtselbständig tätiger Steuerpflichtiger mit seinem privaten PKW auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen Unfall und veräußert er das Unfallfahrzeug in nicht repariertem Zustand, bemisst sich der als Werbungskosten abziehbare Betrag nach der Differenz zwischen dem rechnerisch ermittelten fiktiven Buchwert vor dem Unfall und dem Veräußerungserlös. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 21. August 2012 VIII R 33/09 entschieden.
Der Kläger erlitt auf dem Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung einen Verkehrsunfall. An seinem Fahrzeug entstand ein erheblicher Schaden. Die Reparaturkosten hätten ca. 10.000 DM betragen. Der Wagen hatte nach den Angaben des Klägers vor dem Unfall einen Zeitwert von 11.500 DM. Der Kläger veräußerte das Fahrzeug jedoch in nicht repariertem Zustand für 3.500 DM. Die Differenz von 8.000 DM zwischen dem Zeitwert vor Unfall und dem Veräußerungserlös machte der Kläger als Werbungskosten geltend.
Der BFH hat nun die Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts bestätigt, dass für die Berechnung des als Werbungskosten abziehbaren Substanzschadens (bei unterbliebener Reparatur) nicht vom Zeitwert des Fahrzeugs vor dem Unfall, sondern von den um fiktive Absetzungen für Abnutzung geminderten Anschaffungskosten (fiktiver Buchwert) auszugehen ist. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nach dieser Vorschrift sind Absetzungen für Abnutzung (AfA) und für Substanzverringerung sowie erhöhte Absetzungen Werbungskosten. Die Vorschrift verweist in vollem Umfang auf die Vorschrift über Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung in § 7 EStG. Nach der Systematik des § 7 EStG war im Streitfall eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung gegeben, für deren Bewertung vom Buchwert auszugehen ist.
Die vom Kläger für die gegenteilige Auffassung in Bezug genommenen früheren Entscheidungen des BFH sind durch die neuere Rechtsprechung überholt (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 1995 VI R 26/95, BFHE 178, 171, BStBl II 1995, 744, m.w.N.).
Die 93 Jahre alte Mutter der 64 jährigen Antragsgegnerin lebt in einem Alten- und Pflegeheim in Südlohn. Für die durch Rente, Versicherungsleistungen und Vermögen der Mutter nicht abgedeckten Heimkosten gewährt der antragstellende Kreis Borken monatlich Hilfe zur Pflege in Höhe von 1.638 €. An den vom Kreis Borken finanzierten Heimkosten haben sich zwei Brüder der Antragsgegenerin mit monatlichen Zahlungen von 704 € zu beteiligen, zwei ihrer Schwestern leisten keine Zahlungen, weil sie unstreitig leistungsunfähig sind. Von der Antragsgegnerin verlangt der Kreis Borken nach gesetzlichem Forderungsübergang des Anspruchs der Mutter auf Elternunterhalt eine monatliche Zahlung in Höhe von 113 €. Die verlangten Zahlungen hat die Antragsgegnerin unter Hinweis darauf verweigert, dass sie ab Februar 2008 nicht mehr leistungsfähig sei.
Der 8. Familiensenat des Oberlandesgerichts Hamm hat die Antragsgegnerin zur monatlichen Elternunterhaltszahlung in Höhe von 113 € verpflichtet. Der Unterhaltspflichtige habe seine Leistungsunfähigkeit darzulegen und ggf. auch nachzuweisen. Hierzu habe er die seine Lebensstellung bestimmenden Tatsachen wie Alter, Familienstand, Höhe seines Vermögens und Einkommens, Verbindlichkeiten, Werbungskosten und die sonstigen einkommensmindernden Posten vorzutragen. Schulde ein verheirateter Unterhaltspflichtiger Elternunterhalt, komme es für die Frage seiner Leistungsfähigkeit auf das Familieneinkommen an, weil der Unterhaltspflichtige den Unterhalt entweder aus seinem nicht nur geringfügigen „Taschengeldanspruch“ gegen den Ehegatten oder aus seinen eigenen Einkünften schulde. Deswegen habe er auch zum Einkommen der anderen Familienmitglieder vorzutragen. Ihrer Darlegungslast habe die Antragsgegnerin nicht genügt. Bereits deswegen sei von ihrer Leistungsfähigkeit zur monatlichen Unterhaltszahlung von 113 € auszugehen. Die Antragsgegenerin habe nicht ausreichend dargelegt, welche Einkünfte aus Erwerbstätigkeit sie und ihr als selbständiger Versicherungsvertreter tätiger Ehemann erzielt hätten, auch nicht, welche Miete aus einem ihr gemeinsam mit ihrem Ehemann gehörenden Mietshaus eingenommen worden sei. Soweit sich die Antragsgegnerin zur Begründung ihrer fehlenden Leistungsfähigkeit auf das steuerlich maßgebliche Einkommen berufe, habe sie versäumt, ihre Einnahmen und Ausgaben so darzulegen, dass die nur steuerlich beachtlichen Aufwendungen von den unterhaltsrechtlich erheblichen Aufwendungen abgrenzbar seien.
Beschluss des 8. Familiensenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 21.11.2012 (II-8 UF 14/12)
Quelle: Oberlandesgericht Hamm Pressemitteilung vom 11.01.2013
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Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 78/12, Pressemitteilung vom 21.11.2012, BFH-Beschluss vom 16.10.2012, Aktenzeichen I B 128/12
Die Hinzurechnungsvorschriften des Gewerbesteuergesetzes (§ 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG) sind voraussichtlich nicht verfassungswidrig. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 16. Oktober 2012 I B 128/12 entschieden. Die Entscheidung erging in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund „summarischer Prüfung“; der BFH hat danach keine “ernstlichen Zweifel”, dass die Vorschrift verfassungsgemäß ist. Damit widerspricht der BFH einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg, das von der Verfassungswidrigkeit der Hinzurechnungsvorschriften überzeugt ist und deswegen durch einen vielbeachteten Beschluss vom 29. Februar 2012 1 K 138/10 das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Durchführung einer Normenkontrolle angerufen hat.
Die Gewerbesteuer ist als sog. Realsteuer eine finanzverfassungsrechtlich garantierte kommunale Steuer. Grundlage dieser Steuer ist wie bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer zunächst der Gewinn des Gewerbebetriebs. Um den Kommunen einerseits einen Ausgleich für die durch den Betrieb verursachten Lasten zu schaffen und ihnen andererseits ein möglichst verstetigtes Steueraufkommen zu sichern, wird dieser Gewinn dann aber durch Hinzurechnungen und Kürzungen modifiziert. Besteuerungsgegenstand soll auf diese Weise der Gewerbebetrieb als „Objekt“ sein. Der Objektsteuercharakter ist in den letzten Jahrzehnten allerdings durch vielfache Gesetzesänderungen zurückgedrängt worden, um die Belastung der Unternehmen mit Substanzsteuerelementen zu vermindern. Das BVerfG spricht deshalb in ständiger Spruchpraxis von einer „ertragsorientierten Objektsteuer“, die aber nach wie vor den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge.
Diese Einschätzung des BVerfG hat das FG Hamburg durch sein Normenkontrollersuchen in Zweifel gezogen. Grund dafür gaben ihm die umgestalteten, seit 2008 anzuwendenden Hinzurechnungsvorschriften in § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG. Danach ist dem Gewinn des Gewerbebetriebs ein Viertel der Schuldentgelte, ein Fünftel der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung beweglicher Wirtschaftsgüter sowie die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung unbeweglicher Wirtschaftsgüter hinzuzurechnen, wenn sie zuvor als Betriebsausgaben abgezogen worden sind. Gleiches gilt nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG für ein Viertel der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten. Das FG Hamburg erkennt in diesen Hinzurechnungsvorschriften insbesondere einen Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Der BFH teilt diese Überzeugung angesichts der ständigen Spruchpraxis des BVerfG nicht. Er geht vielmehr davon aus, dass das Normenkontrollersuchen „offensichtlich“ erfolglos bleiben wird. Die einschlägigen Steuerbescheide der Finanzämter sind deshalb uneingeschränkt vollziehbar. Vorläufigen Rechtsschutz gewährt der BFH nicht. Die Entscheidung des BVerfG wird durch den Beschluss des BFH allerdings nicht vorweggenommen.
Der Streitfall betraf eine GmbH, die ein Hotel betreibt und daraus Verluste erwirtschaftete. Sie wandte Schuldentgelte in Höhe von rd. 50.000 €, Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter in Höhe von rd. 9,4 Mio. € und für unbewegliche Wirtschaftsgüter in Höhe von rd. 56 Mio. € sowie Lizenzgebühren in Höhe von rd. 87.000 € auf. Diese Aufwendungen führten bei der Ermittlung des Gewerbeertrages zu Hinzurechnungen zum Gewinn in Höhe von insgesamt 9,6 Mio. € und zu einem Gewerbesteuermessbetrag von rd. 62.000 €.
Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 69/12, Pressemitteilung vom 10.10.2012, BFH-Beschluss vom 27.09.2012, Aktenzeichen II R 9/11
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 27. September 2012 II R 9/11 dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der im Jahr 2009 geltenden Fassung (ErbStG) i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG -) verfassungswidrig ist.
Dem Verfahren liegt die Besteuerung eines Erbanfalls im Jahre 2009 zugrunde. Der Kläger war zu 1/4 Miterbe seines Onkels. Im Nachlass befanden sich Guthaben bei Kreditinstituten und ein Steuererstattungsanspruch. Der Wert des auf den Kläger entfallenden Anteils am Nachlass belief sich auf 51.266 EUR. Unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 20.000 EUR und eines Steuersatzes von 30 % setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer in Höhe von 9.360 EUR fest.
Der BFH teilt nicht die Ansicht des Klägers, die auf Steuerentstehungszeitpunkte im Jahr 2009 beschränkte Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II (u.a. Geschwister, Neffen und Nichten) mit Personen der Steuerklasse III (fremde Dritte) sei verfassungswidrig (Rz. 69 bis 77). Nach Auffassung des BFH ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, Erwerber der Steuerklasse II besser zu stellen als Erwerber der Steuerklasse III. Art. 6 Abs. 1 GG beziehe sich nur auf die Familie als Gemeinschaft von Eltern und Kindern, nicht aber auf Familienmitglieder im weiteren Sinn wie etwa Geschwister oder Abkömmlinge von Geschwistern (Rz. 72).
Der BFH ist jedoch der Auffassung, dass § 19 Abs. 1 i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG in der auf den 1. Januar 2009 zurückwirkenden Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22. Dezember 2009 deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße, weil die in §§ 13a und 13b ErbStG vorgesehenen Steuervergünstigungen in wesentlichen Teilbereichen von großer finanzieller Tragweite über das verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maß hinausgingen.
Im Einzelnen stützt der BFH seine Vorlage auf folgende Gesichtspunkte:
1. Die weitgehende oder vollständige steuerliche Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften oder Anteilen daran stelle eine nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigte und damit verfassungswidrige Überprivilegierung dar (Rz. 82 bis 94). Es könne nicht unterstellt werden, dass die Erbschaftsteuer typischerweise die Betriebsfortführung gefährde (siehe Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim BMF 01/2012; Rz. 89 ff.); es gehe weit über das verfassungsrechtlich Gebotene und Zulässige hinaus, Betriebsvermögen ohne Rücksicht auf den Wert des Erwerbs und die Leistungsfähigkeit des Erwerbers freizustellen, und zwar auch dann, wenn die für eine Erbschaftsteuerzahlung erforderlichen liquiden Mittel vorhanden seien oder – ggf. im Rahmen einer Stundung der Steuer – ohne weiteres beschafft werden könnten (Rz. 87).
Der Begünstigungsgrund „Arbeitsplatzerhalt“ erweise sich als nicht tragfähig, weil weit mehr als 90 % aller Betriebe nicht mehr als 20 Beschäftigte hätten (Rz. 48) und schon deshalb nicht unter die „Arbeitsplatzklausel“ fielen und ferner das Gesetz Gestaltungen zulasse, die es in vielen Fällen auf einfache Art und Weise ermöglichten, dass es für die Gewährung des Verschonungsabschlags auch bei Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten im Ergebnis nicht auf die Entwicklung der Lohnsummen und somit auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen in dem Zeitraum nach dem Erwerb ankomme (Rz. 143 bis 148 mit Beispielen).
2. §§ 13a und 13b ErbStG wiesen ferner einen verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang auf (Rz. 95 bis 142). Sie ermöglichten es Steuerpflichtigen, durch rechtliche Gestaltungen nicht betriebsnotwendiges Vermögen, das den Begünstigungszweck nicht erfülle, in unbegrenzter Höhe ohne oder mit nur geringer Steuerbelastung zu erwerben. Es unterliege weitgehend der Dispositionsfreiheit des Erblassers oder Schenkers, Vermögensgegenstände, die ihrer Natur nach im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung gehalten würden, zu steuerbegünstigtem Betriebsvermögen zu machen (Rz. 97, 98). Die Bestimmungen hinsichtlich des sog. Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2 ErbStG) seien nicht geeignet, risikobehaftetes und deshalb zu begünstigendes Betriebsvermögen von weitgehend risikolosem und daher nicht begünstigungswürdigem Betriebsvermögen abzugrenzen, und widersprächen auch dem Folgerichtigkeitsgebot. So könne bei entsprechender Gestaltung der unschädliche Anteil des nicht begünstigungswürdigen Verwaltungsvermögens sowohl bei der Regelverschonung (85 % Befreiung) als auch bei der Optionsverschonung (100 % Befreiung) deutlich über 90 % des gesamten Betriebsvermögens betragen (Rz. 104 bis 116 mit Beispielen in Rz. 105 ff. und Rz. 113 ff.). Ferner gehörten Geldforderungen wie etwa Sichteinlagen, Sparanlagen und Festgeldkonten bei Kreditinstituten nicht zum Verwaltungsvermögen, sodass ein Anteil an einer GmbH oder GmbH und Co. KG, deren Vermögen ausschließlich aus solchen Forderungen bestehe (z.B. sog. “Cash-GmbH), durch freigebige Zuwendung oder von Todes wegen erworben werden könne, ohne dass Erbschaftsteuer anfalle (Rz. 117 bis 130).
3. Die zusätzlich zu den Freibeträgen des § 16 ErbStG anwendbaren Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG zusammen mit zahlreichen anderen Verschonungen führten dazu, dass die Steuerbefreiung die Regel und die tatsächliche Besteuerung die Ausnahme sei (Rz. 149 bis 156).
Die Verfassungsverstöße führten – so der BFH – teils für sich allein, teils in ihrer Kumulation zu einer durchgehenden, das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung, durch die diejenigen Steuerpflichtigen, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen könnten, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt würden.
Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 70/12, Pressemitteilung vom 10.10.2012, BFH-Urteil vom 19.04.2012, Aktenzeichen III R 29/11
Berufstätige Eltern konnten auch schon vor 2009 zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4000 EUR je Kind, für die Unterbringung ihrer Kinder in einem zweisprachig geführten Kindergarten nach § 4f bzw. § 9 Abs. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der vor 2009 geltenden Fassung (EStG a.F.) wie Betriebsausgaben oder wie Werbungskosten einkommensteuermindernd geltend machen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 19. April 2012 III R 29/11 entschieden.
In dem betreffenden Kindergarten wurden neben deutschen Erzieherinnen auch französische „Sprachassistentinnen“ eingesetzt. Die Erzieherinnen sprachen mit den Kindern ausschließlich deutsch, die Sprachassistentinnen ausschließlich französisch. Ein Lehrplan existierte nicht. Die Erzieherinnen und Sprachassistentinnen arbeiteten in der Planung, Durchführung und Auswertung der pädagogischen Aufgaben partnerschaftlich und gleichberechtigt zusammen.
Das Finanzamt versagte den Abzug der streitigen Aufwendungen mit der Begründung, dass es sich hierbei nicht um nach § 4f Satz 1 EStG a.F. abziehbare Kinderbetreuungskosten, sondern um nach § 4f Satz 3 EStG a.F. nicht abziehbare Unterrichtskosten gehandelt habe.
Dem folgte der BFH ebenso wie schon das Finanzgericht nicht. Er wies darauf hin, dass der Begriff der Kinderbetreuung weit zu verstehen sei. Er umfasse nicht nur die behütende und beaufsichtigende Betreuung, sondern auch Elemente der Pflege und Erziehung, also die Sorge für das körperliche, seelische und geistige Wohl des Kindes. Letzteres schließe auch die pädagogisch sinnvolle Gestaltung der in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen verbrachten Zeit ein. Nach § 4f Satz 3 EStG a.F. nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fertigkeiten hätten nur dann vorgelegen, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattgefunden hätten und die von der Lehrperson während der Unterrichtszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen Fähigkeiten als dem Hauptzweck der Dienstleistung in den Hintergrund getreten wäre. Davon könne jedoch im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.
Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 68/12, Pressemitteilung vom 26.09.2012, BFH-Urteil vom 05.07.2012, Aktenzeichen III R 80/09
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 5. Juli 2012 III R 80/09 entschieden, dass die Kosten einer Tagesmutter nicht steuerlich geltend gemacht werden können, wenn ein Elternteil erwerbstätig und der andere Elternteil schwanger ist. Denn eine Schwangerschaft als solche stellt keine Krankheit im Sinne des Gesetzes dar.
Der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt berufstätig. Die Klägerin befand sich zunächst in der Berufsausbildung, die sie allerdings nach der Geburt ihres ersten Kindes im Jahre 2004 unterbrach und die sie auch im Laufe des Streitjahres 2006 nicht wieder aufnahm. Im August dieses Jahres wurden die Kläger erneut Eltern. Das ältere Kind wurde u.a. in der Zeit der Schwangerschaft von einer Tagesmutter betreut. Die Kosten hierfür machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung geltend.
Im Streitjahr 2006 konnten derartige Kinderbetreuungskosten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 Einkommensteuergesetz (EStG) nur bei Vorliegen besonderer persönlicher Abzugsvoraussetzungen steuerlich berücksichtigt werden. Lebten beide Elternteile zusammen, dann musste, wenn einer der Elternteile, wie der Kläger, erwerbstätig war, der andere Teil entweder ebenfalls erwerbstätig sein oder sich in Ausbildung befinden. Auch bei einer mindestens drei Monate andauernden Erkrankung oder einer Behinderung dieses Elternteils war der Abzug der Betreuungskosten zulässig. Lagen solche Gründe nicht vor, etwa weil sich ein Elternteil allein der Erziehung der Kinder widmete (sog. Alleinverdienerehe), dann waren Betreuungskosten – von einer Ausnahmeregelung in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG abgesehen – nicht abziehbar.
Der BFH sah die persönlichen Abzugsvoraussetzungen in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Finanzgerichts nicht als erfüllt an. Seines Erachtens befand sich die Klägerin weder in Ausbildung, da sie diese bereits nach der Geburt des ersten Kindes unterbrochen hatte, noch war sie längerfristig erkrankt. Die Schwangerschaft konnte nicht als Krankheit gewertet werden, weil es sich hierbei nicht um einen regelwidrigen körperlichen Zustand handelt. Krank ist eine Frau nicht, wenn sie schwanger wird, sondern nur dann, wenn sie nicht schwanger werden kann (Empfängnisunfähigkeit). Treten während der Schwangerschaft gesundheitliche Komplikationen auf, dann ist der Krankheitsbegriff jedoch regelmäßig erfüllt. Davon konnte im Streitfall nach den Feststellungen des FG indes nicht ausgegangen werden. Da die Klägerin somit weder aus gesundheitlichen noch aus sonstigen (Erwerbstätigkeit u.ä.) Gründen an der persönlichen Betreuung ihres ältesten Kindes gehindert war, konnten die Kosten der Tagesmutter nach der gesetzlichen Konzeption nicht abgezogen werden.
Die von den Klägern geäußerten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der einschränkenden Abzugsvoraussetzungen teilte der BFH nicht. Er erachtete sowohl die persönlichen Abzugsvoraussetzungen als auch die Abzugshöchstgrenzen als zulässige Typisierungen des Gesetzgebers. Auch in der Regelung des § 3 Nr. 33 EStG, wonach finanzielle Leistungen des Arbeitgebers zur Betreuung von Kindern seiner Arbeitnehmer steuerfrei sind, vermochte er keine ungerechtfertigte Privilegierung von Arbeitnehmern gegenüber Selbständigen zu erblicken.
In seinem Urteil ging der BFH schließlich kurz auf die aktuelle Rechtslage ein. Seit 2012 können Kinderbetreuungskosten abgezogen werden, ohne dass persönliche Abzugsvoraussetzungen bei den Eltern vorliegen müssen.
Zwar hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zum Altersphasenmodell, welches bei der Frage des Betreuungsunterhalts allein auf das Alter des Kindes abstellt, aufgegeben, gleichwohl endet ein Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines Kindes ab der Altersgrenze von drei Jahren nicht automatisch, sondern es ist zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder gesichert werden kann.
Hierbei hat der Unterhaltsberechtigte die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus darzulegen und zu beweisen. Dies kann beispielsweise dergestalt erfolgen, dass keine tatsächliche Betreuungsmöglichkeit für das gemeinsame Kind zur Verfügung steht oder dass aus besonderen, kindbezogenen Gründen, wie beispielsweise eine Erkrankung oder sportliche oder musische Begabung, eine besondere Förderung und persönliche Betreuung über das dritte Lebensjahr hinaus weiter erforderlich macht (Vergleiche hierzu: BGH vom 18.04.2012 Az: XII ZR 65/10).
Aber auch wenn feststeht, dass die Betreuung eines Kindes auf andere Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist, kann einer (vollen) Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils entgegenstehen, dass die von ihm neben seiner Tätigkeit zu leistende Betreuung und Erziehung des Kindes zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen kann.
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Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 62/12, Pressemitteilung vom 05.09.2012, BFH-Urteil vom 20.06.2012, Aktenzeichen IX R 67/10
Mit Urteil vom 20. Juni 2012 IX R 67/10 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Schuldzinsen für ein Darlehen, das ursprünglich zur Finanzierung von Anschaffungskosten einer zur Vermietung bestimmten Immobilie aufgenommen wurde, grundsätzlich auch dann noch als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden können, wenn das Gebäude veräußert wird, der Veräußerungserlös aber nicht ausreicht, um die Darlehensverbindlichkeit zu tilgen.
Der Kläger hatte 1994 ein Wohngebäude erworben, dieses vermietet und hieraus Einkünfte erzielt. Im Jahr 2001 veräußerte er das Gebäude mit Verlust. Mit dem Veräußerungserlös konnten die bei der Anschaffung des Gebäudes aufgenommenen Darlehen nicht vollständig abgelöst werden; dadurch musste der Kläger auch im Streitjahr 2004 noch Schuldzinsen auf die ursprünglich aufgenommenen Verbindlichkeiten aufwenden. Das Finanzamt erkannte die vom Kläger im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung für 2004 geltend gemachten „nachträglichen Schuldzinsen“ nicht als Werbungskosten an.
Der BFH gab dem Kläger Recht; die geltend gemachten Schuldzinsen seien zu Unrecht nicht bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt worden. Der BFH hielt damit an seiner bisherigen – restriktiveren – Rechtsprechung zur beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht länger fest. Der BFH begründet seine Rechtsprechungsänderung sowohl mit der im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung, Wertsteigerungen bei der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Grundstücken innerhalb einer auf 10 Jahre erweiterten Frist zu erfassen, als auch mit der gesetzestechnischen Verknüpfung von privaten Veräußerungsgeschäften mit einer vorangegangenen steuerbaren und steuerpflichtigen Nutzung des Grundstücks durch die Regelung in § 23 Abs. 3 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes, welche bewirke, dass die Ermittlung des Gewinns aus einem steuerbaren Grundstücksveräußerungsgeschäft strukturell der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens gleichgestellt werde. Vor diesem Hintergrund sei es folgerichtig, den nachträglichen Schuldzinsenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf den im Streitfall zu entscheidenden Sachverhalt auszuweiten und damit die notwendige steuerrechtliche Gleichbehandlung von nachträglichen Schuldzinsen bei den Gewinn- und bei den Überschusseinkünften wieder herzustellen.
Grundsätzlich kann ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Vergütung geleisteter Überstunden nicht ausgeschlossen werden. Eine im Arbeitsvertrag vereinbarte pauschale Abgeltung für sämtliche Überstunden ist nach § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam. Allerdings muss ein Arbeitnehmer beweisen, dass er Arbeiten verrichtet hat, welche über die normale Arbeitszeit hinausgehen, und dass diese Arbeiten vom Arbeitgeber angeordnet oder zumindest im betrieblichen Interesse notwendig waren.
Das Bundesarbeitsgericht hat nun in seinem Urteil vom 16.05.2012, AZ: 5 AZR 347/11, entschieden, dass diese Grundsätze nicht schematisch angewendet werden dürfen, sondern stets eine Prüfung unter Berücksichtigung der zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe zu erfolgen hat.
In dem entschiedenen Fall konnte ein als Kraftfahrer beschäftigter Arbeitnehmer den Anfall von Überstunden bereits dadurch nachweisen, indem er vortrug, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet hat. Wenn damit für eine angewiesene Tour eine bestimmte Zeit benötigt wird und diese nur unter Leistung von Überstunden ausgeführt werden kann, sind diese Überstunden, unabhängig von einer ausdrücklichen Anordnung, betriebsnotwendig und daher grundsätzlich zu vergüten.
Inwieweit diese Erleichterung in der Darlegung der geleisteten Überstunden auch auf andere Fälle außerhalb des Straßenverkehrs angewendet werden kann, ließ das Bundesarbeitsgericht jedoch offen. Nach wie vor muss daher davon ausgegangen werden, dass an die Darlegungs- und Beweislast bei der Geltendmachung von Überstunden erhebliche Anforderungen gestellt werden.