Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 74/15, Pressemitteilung vom 28.10.2015, Urteil vom 23.06.2015, Aktenzeichen III R 38/14
Der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 23. Juni 2014 III R 38/14 entschieden, dass Eltern für ein Kind, das sich während eines mehrjährigen Studiums außerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums aufhält, weiterhin Kindergeld beziehen können, wenn das Kind einen Wohnsitz im Haushalt der Eltern beibehält.
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger mit chinesischer Herkunft. Sein 1994 geborener Sohn absolvierte nach dem Ende seiner schulischen Ausbildung zunächst einen einjährigen Sprachkurs in China und entschied sich nach dessen Ende für ein im September 2013 beginnendes vierjähriges Bachelorstudium in China. Während des Studiums wohnte der Sohn in einem Studentenwohnheim. Verwandtschaftliche Beziehungen bestanden am Studienort nicht. In den Sommersemesterferien 2013 und 2014 kehrte der Sohn für jeweils ca. sechs Wochen nach Deutschland zurück und war während dieser Zeiten in der elterlichen Wohnung in seinem Kinderzimmer untergebracht. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab September 2013 auf, da sie davon ausging, dass der Sohn seinen Wohnsitz vom Inland nach China verlegt habe.
Wie bereits zuvor das Finanzgericht (FG) folgte der BFH der Auffassung der Familienkasse nicht. Voraussetzung eines Kindergeldanspruchs ist u.a., dass das Kind einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat hat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet. Der BFH ging insoweit davon aus, dass der Sohn zumindest während des Streitzeitraums (September 2013 bis März 2014) trotz seines Studiums in China einen inländischen Wohnsitz beibehalten hat. Da vorübergehende, weniger als einjährige Auslandsaufenthalte grundsätzlich nicht zum Wegfall des Inlandswohnsitzes führen, sah der BFH den vor dem Studium durchgeführten Sprachkurs als unproblematisch an. Aber auch im Hinblick auf das Studium selbst billigte der BFH im Ergebnis die Würdigung des FG, dass noch keine Wohnsitzverlagerung nach China stattgefunden hat. Maßgeblich war insofern, dass der Sohn mindestens die Hälfte seiner ausbildungsfreien Zeit in Deutschland verbrachte und seine Wohnverhältnisse sowie persönlichen Bindungen einen stärkeren Bezug zum Inland als zum Studienort aufwiesen. Für unerheblich hielt der BFH dagegen, ob der Kläger oder sein Sohn über ausländische Wurzeln verfügten.
Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 73/15, Pressemitteilung vom 21.10.2015, Urteil vom 08.07.2015, Aktenzeichen VI R 46/14
Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 8. Juli 2015 entschieden, dass Aufwendungen eines Arbeitnehmers für eine Feier aus beruflichem und privatem Anlass hinsichtlich der Gäste aus dem beruflichen Umfeld als Werbungskosten abziehbar sein können.
Der Kläger wurde im Februar des Streitjahres zum Steuerberater bestellt. Im April desselben Jahres war sein 30. Geburtstag. Zur Feier beider Ereignisse lud er Kollegen, Verwandte und Bekannte in die Stadthalle seines Wohnorts ein. Er teilte die für Hallenmiete und Bewirtung entstandenen Aufwendungen nach Köpfen auf und begehrte den Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit sie auf die dem beruflichen Bereich zugeordneten Gäste entfielen.
Der BFH entschied, dass der als Werbungskosten abziehbare Betrag im Falle einer Feier aus beruflichem und privatem Anlass anhand der Herkunft der Gäste aus dem beruflichen oder privaten Umfeld des Steuerpflichtigen abgegrenzt werden kann, wenn die Einladung der Gäste aus dem beruflichen Umfeld (nahezu) ausschließlich beruflich veranlasst ist. Hiervon kann insbesondere dann auszugehen sein, wenn nicht nur ausgesuchte Gäste aus dem beruflichen Umfeld eingeladen werden, sondern die Einladungen nach abstrakten berufsbezogenen Kriterien (z.B. alle Auszubildenden, alle Zugehörigen einer bestimmten Abteilung) ausgesprochen werden.
Hierunter fallen alle letztwilligen Verfügungen, die zu den Akten des Nachlassgerichts gelangt sind. Dies gilt unabhängig davon, ob das äußere Erscheinungsbild untypisch ist, wie beispielsweise bei einem Brief.
Die EU-ErbVO gilt für alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark.
Zur Vermeidung überflüssiger Eröffnungen bei Unklarheit darüber, ob der Erblasser Testierwillen hatte und ein Schriftstück daher eine letztwillige Verfügung enthält, darf eine äußerst begrenzte summarische Vorprüfung erfolgen, da die Eröffnung den Beteiligten die Prüfung der Wirksamkeit und des Inhalts der Verfügung erst ermöglichen soll.
Das Eröffnungsverfahren soll frei von materiell-rechtlichen Fragen gehalten werden. Diese sind dem Erbscheins- oder Prozessverfahren vorbehalten. Bereits die bloße, wenn auch nur entfernte Möglichkeit einer Testamentseigenschaft ist dabei ausreichend. Im Zweifel muss das Schriftstück eröffnet werden.
Individuelle Fragen zu diesem und weiteren Themen im Erbrecht beantworten wir Ihnen gerne im Rahmen einer fundierten Beratung – sprechen Sie uns einfach darauf an.
Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 70/15, ,Pressemitteilung vom 14.10.2015, Urteil vom 22.04.2015, Aktenzeichen IV R 13/12
Mit Urteil vom 22. April 2015 hat der IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass sich der Wert für die Bemessung der Gebühr, die für eine verbindliche Auskunft durch die Finanzbehörde zu entrichten ist, nach dem Antrag richtet und in Anlehnung an den Streitwert eines gerichtlichen Verfahrens berechnet wird.
In dem Urteilsfall plante die Klägerin eine Umstrukturierung ihres Konzerns und fragte beim Finanzamt (FA) an, ob die geplante Gestaltung die Aufdeckung stiller Reserven auslösen würde. Die Behörde verneinte diese für die Klägerin nachteilige Rechtsfolge. Für die erteilte Auskunft erhob die Finanzbehörde eine dem Grunde nach gesetzlich vorgeschriebene Auskunftsgebühr. Bei der Berechnung der Gebühr stellte das FA auf die überschlägig ermittelte Steuerbelastung ab, die eingetreten wäre, wenn diese stillen Reserven tatsächlich aufzudecken und zu versteuern wären. Die im Anschluss erhobene Klage vor dem Finanzgericht (FG) war insoweit erfolgreich, als das FG gebührenmindernd berücksichtigte, dass eine Aufdeckung stiller Reserven auch eine höhere steuermindernde Abschreibung in den Folgejahren bedeutet hätte; diese Minderungen der Steuerbelastung in den Folgejahren berücksichtigte das FG bei der Gebührenhöhe.
Der BFH hob nun das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Die Gebühr einer verbindlichen Auskunft könne nur auf der Grundlage der im Antrag auf Auskunft gestellten Rechtsfragen berechnet werden. Nicht gestellte Fragen seien – weder erhöhend noch mindernd – zu berücksichtigen, auch wenn sie sich als Folgefragen aus dem Antrag ergeben würden. Für die Berechnung der steuerlichen Auswirkungen sei auf die bekannten Grundsätze der gerichtlichen Streitwertermittlung zurückzugreifen. Der Auffassung der Klägerin, der Wert der Auskunft sei pauschal mit 10 % der steuerlichen Auswirkungen anzusetzen, folgte der BFH nicht. Die Bedeutung der Auskunft für den Antragsteller als grundsätzlich verbindliche Entscheidung über die Rechtsfragen rechtfertige keine pauschale Minderung.
Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 71/15, Pressemitteilung vom 14.10.2015, Urteil vom 18.08.2015, Aktenzeichen V R 13/14
Mit Urteil vom 18. August 2015 V R 13/14 hat der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass Pflegeleistungen unter Berufung auf das Unionsrecht (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie) steuerfrei sind. Voraussetzung ist, dass die Pflegekraft die Möglichkeit hat, Verträge nach § 77 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Elftes Buch (SGB XI) mit Pflegekassen abzuschließen.
Das Verfahren betraf eine Klägerin, die als Mitglied eines eingetragenen Vereins für den Verein gegen Entgelt als Pflegehelferin tätig war. Über eine Ausbildung als Kranken- oder Altenpflegerin verfügte die Klägerin nicht. Der Verein hatte mit der Klägerin eine Qualitätsvereinbarungen abgeschlossen. Der Verein erbrachte umsatzsteuerfreie Pflegeleistungen an Pflegekassen. Diese Art der Erbringung von Pflegeleistungen durch Mitglieder eines eingetragenen Vereins ist in Deutschland verbreitet.
Das Finanzamt sah die Tätigkeit der Klägerin für den Verein als umsatzsteuerpflichtig an. Ihre Klage zum Finanzgericht hatte Erfolg. Der BFH bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Zwar seien die Leistungen der Klägerin nach nationalem Recht steuerpflichtig. Sie könne sich aber auf die weitergehenden Steuerbefreiungstatbestände des Unionsrechts berufen, die das nationale Recht nur ungenügend umgesetzt habe. Für die nach dem Unionsrecht erforderliche Anerkennung reiche es aus, dass für die Klägerin die Möglichkeit bestanden habe, Leistungen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XI an Pflegekassen erbringen zu können.
Bei seiner Entscheidung hat der BFH auch den gerichtsbekannten Pflegenotstand und das sich hieraus ergebende hohe Gemeinwohlinteresse berücksichtigt, das an der Erbringung steuerfreier Pflegeleistungen besteht.
Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 65/15, Pressemitteilung vom 13.10.2015, Urteil vom 12.08.2015, Aktenzeichen XI R 43/13
Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 12. August 2015 XI R 43/13 entschieden, dass derjenige, der planmäßig und mit erheblichem Organisationsaufwand mindestens 140 fremde Pelzmäntel in eigenem Namen über eine Internet-Handelsplattform verkauft, eine unternehmerische und damit umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit ausübt.
Die Klägerin, eine selbständige Finanzdienstleisterin, verkaufte in den Jahren 2004 und 2005 über zwei „Verkäuferkonten“ bei der Internet-Handelsplattform eBay an einzelne Erwerber mindestens 140 Pelzmäntel für insgesamt ca. 90.000 €.
Die Klägerin gab dazu an, im Zuge der Auflösung des Haushalts ihrer verstorbenen Schwiegermutter habe sie deren umfangreiche private Pelzmantelsammlung, die diese zwischen 1960 und 1985 zusammengetragen habe, über eBay veräußert. Die unterschiedliche Größe der verkauften Pelze resultiere daraus, dass sich eine Kleidergröße “schon mal ändern” könne. Der Verkauf einer privaten Sammlung sei keine unternehmerische Tätigkeit.
Nachdem das Finanzamt aufgrund einer anonymen Anzeige von den Verkäufen erfahren hatte, setzte es für die Verkäufe Umsatzsteuer fest. Es hielt die Angaben der Klägerin für nicht glaubhaft. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte zur Begründung aus, die Klägerin sei nicht unternehmerisch tätig geworden, weil sie lediglich Teile einer Privatsammlung verkauft habe.
Der BFH ist dieser Beurteilung nicht gefolgt, sondern hat die Umsatzsteuerpflicht der Verkäufe bejaht. Die Auffassung des FG, die Klägerin habe – vergleichbar einem Sammler – eine private Pelzmantelsammlung verkauft, halte einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der Tätigkeit eines privaten Sammlers habe die Tätigkeit der Klägerin nichts zu tun; denn die Klägerin habe nicht eigene, sondern fremde Pelzmäntel – die (angebliche) „Sammlung“ der Schwiegermutter – verkauft. Nicht berücksichtigt habe das FG, dass die verkauften Gegenstände (anders als z.B. Briefmarken, Münzen oder historische Fahrzeuge) keine Sammlerstücke, sondern Gebrauchsgegenstände seien. Angesichts der unterschiedlichen Pelzarten, -marken, Konfektionsgrößen und der um bis zu 10 cm voneinander abweichenden Ärmellängen sei nicht ersichtlich, welches „Sammelthema“ verfolgt worden sein sollte.
Maßgebliches Beurteilungskriterium dafür, ob eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt, sei, ob der Verkäufer, wie z.B. ein Händler, aktive Schritte zur Vermarktung unternommen und sich ähnlicher Mittel bedient hat. Davon ist der BFH in der vorliegenden Konstellation ausgegangen. Der Hinweis der Klägerin auf die begrenzte Dauer ihrer Tätigkeit führe zu keiner anderen Beurteilung.
Es liegt auf der Hand, dass dann der unterhaltsbedürftige Elternteil eines verheirateten Kindes auf Grund dessen günstiger Steuerklassenwahl – hier Steuerklasse III – einen höheren Unterhaltsanspruch hat, als der Elternteil eines unverheirateten Kindes. Zur Ermittlung der tatsächlichen individuellen Steuerlast hat das Oberlandesgericht Karlsruhe daher eine fiktive Besteuerung des Unterhaltspflichtigen nach Steuerklasse IV bezogen auf dessen Einkommen vorgenommen. So sei gewährleistet, dass die Steuerbelastung der eines Alleinstehenden entspricht.
Anmerkung: Die Steuerbelastung bei Steuerklasse I für einen nicht verheirateten und IV für einen verheirateten Steuerpflichtigen ist identisch.
Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 17.06.2015 (Az.: XII ZB 458/14) aufgehoben. Das Gericht hat zunächst festgestellt, dass das Oberlandesgericht Karlsruhe zunächst zutreffend davon ausgegangen ist, dass eine fiktive Besteuerung vorzunehmen sei, da andernfalls die in der Ehe an sich gleichmäßig zu verteilende Steuerbegünstigung zu Lasten des unterhaltspflichtigen Ehegatten ungleich verteilt würde. Der Ansatz, hierbei die Steuerklasse IV zugrunde zu legen, ist jedoch fehlerhaft, da dann ein geringeres Familieneinkommen zugrunde gelegt würde, als es den Ehegatten bei der Zusammenveranlagung nach § 26 b EStG tatsächlich zur Verfügung steht. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist daher beim Verwandtenunterhalt auf die reale Steuerbelastung abzustellen. Danach ist zunächst die jeweilige fiktive Steuerlast bei einer Einzelveranlagung zu errechnen. Diese individuelle Steuerlast ist dann in Relation zur gesamten Steuerlast der Eheleute zu stellen. Nur so wird gewährleistet, dass die umzulegende Steuerlast nicht nur anteilig am Einkommen des Unterhaltspflichtigen bemessen wird, sondern dass zudem auch die Steuerprogression hinreichend Berücksichtigung findet.
Festzuhalten bleibt, dass es je nach Steuerklassenwahl sinnvoll sein kann, die reale Steuerlast als Abzugsposten bei den Einkünften des Unterhaltsverpflichteten zu ermitteln. Die Berechnung hierzu ist komplex.
Individuelle Fragen zu diesem und weiteren Themen im Familienrecht beantworten wir gerne im Rahmen einer fundierten Beratung – sprechen Sie uns einfach darauf an.
Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 68/15, Pressemitteilung vom 07.10.2015, Urteil vom 25.08.2015, Aktenzeichen VIII R 3/14
Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 25. August 2015 VIII R 3/14 entschieden, dass Ausschüttungen aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften auf Antrag nach der tariflichen Einkommensteuer besteuert werden können, auch wenn der Steuerpflichtige als Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft (mindestens zu 1 %) aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit für die Kapitalgesellschaft keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung derselben ausüben kann.
Die Klägerin war zu 5 % an einer GmbH beteiligt und dort als Assistentin der Geschäftsleitung sowie im Bereich der Lohn- und Finanzbuchhaltung beruflich tätig. Aus ihrer Beteiligung an der GmbH erzielte sie Kapitalerträge, die mit dem Abgeltungssteuersatz in Höhe von 25 % besteuert wurden. In ihrer Einkommensteuererklärung stellte sie den Antrag auf Besteuerung nach der niedrigeren tariflichen Einkommensteuer (§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst b des Einkommensteuergesetzes), da sie an der GmbH zumindest 1 % beteiligt und für diese beruflich tätig war. Das Finanzamt lehnte dies ab: Für diese Option sei ein maßgeblicher Einfluss des Anteilseigners auf die Kapitalgesellschaft erforderlich.
Der BFH gab, wie zuvor schon das Finanzgericht, der Klägerin Recht. Aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung ergeben sich weder qualitative noch quantitative Anforderungen an die berufliche Tätigkeit des Anteilseigners für die Kapitalgesellschaft. Ein maßgeblicher Einfluss des Anteilseigners auf die Kapitalgesellschaft sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der BFH hält weiter auch die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, dass eine nur untergeordnete berufliche Tätigkeit nicht für das Antragsrecht ausreiche, für rechtlich zweifelhaft. Im Urteilsfall kam es darauf allerdings nicht an, weil die berufliche Tätigkeit der Klägerin für die GmbH nicht von untergeordneter Bedeutung war.
Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 69/15, Pressemitteilung vom 07.10.2015, Urteil vom 29.07.2015, Aktenzeichen XI R 35/13
Mit Urteil vom 29. Juli 2015 hat der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass eine private Arbeitsvermittlerin Vermittlungsleistungen gegenüber Arbeitsuchenden mit einem sog. Vermittlungsgutschein umsatzsteuerfrei erbringen kann.
Die Klägerin war in den Streitjahren 2004 bis 2006 als private Arbeitsvermittlerin für Arbeitsuchende mit einem Vermittlungsgutschein nach § 421g des Sozialgesetzbuches Drittes Buch (SGB III) tätig und erhielt ihr Honorar aufgrund der Vermittlungsgutscheine unmittelbar von der Bundesagentur für Arbeit (BA). Das Finanzamt behandelte die Vermittlungsleistungen als umsatzsteuerpflichtig. Die Klägerin sei nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG anerkannt; dies sei aber Voraussetzung für eine Steuerbefreiung. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.
Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf und gab der Klage statt. Die Klägerin könne sich unmittelbar auf das Unionsrecht berufen. Sie erbringe Leistungen im Sinne der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG (dort Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g) und sei auch als sonstige Einrichtung mit sozialem Charakter i.S. dieser Bestimmung anerkannt. Dies ergebe sich in den Streitjahren, in denen die private Arbeitsvermittlung ohne eine zuvor von der BA erteilte Erlaubnis zulässig war, aus der sich aus dem SGB III ergebenden Kostenübernahme durch die BA.
Offengelassen hat der BFH, ob dieses Ergebnis auch für die Zeit ab dem 1. April 2012 gilt. Seitdem bedürfen auch private Arbeitsvermittler (wieder) einer Zulassung (§ 176 SGB III).
Eine Steuerbefreiung auf nationaler Ebene wurde für Leistungen nach dem SGB III erst mit Wirkung vom 1. Januar 2015 in § 4 Nr. 15b des Umsatzsteuergesetzes eingeführt.