Monatsarchiv Mai 2016

Umsatzsteuerfreie Postdienstleistung erfordert Zustellung an allen Werktagen

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 38/16, Pressemitteilung vom 25.05.2016, Urteil vom 02.03.2016,  Aktenzeichen V R 20/15

Postdienstleistungen sind nur umsatz­steuerfrei, wenn sich der Unternehmer verpflichtet, Postsendungen an allen Werktagen und damit im Regelfall sechsmal wöchentlich zuzustellen, wie der Bundes­finanz­hof (BFH) mit Urteil vom 2. März 2016 V R 20/15 entschieden hat.

Die Umsatzsteuerfreiheit von Postdienstleistungen (sog. Post-Universaldienstleistungen) setzt voraus, dass sich der Unter­nehmer gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) verpflichtet, diese Leistungen flächendeckend anzubieten. Das BZSt muss dies zudem bescheinigen (§ 4 Nr. 11b des Umsatz­steuergesetzes).

Im Streitfall beantragte die Klägerin die für die Steuerfreiheit erforderliche Bescheinigung beim BZSt. Das BZSt versagte die Erteilung, da die Klägerin Zustellungen nur an fünf Werktagen (Dienstag bis Samstag) in der Woche erbringen wollte.

Die Klage zum Finanzgericht und die Revision zum BFH waren ohne Erfolg. Nach dem Urteil des BFH setzt die Erteilung –der für die Steuerfreiheit erforderlichen– Bescheinigung voraus, dass der Unternehmer Postsendungen an allen Werktagen unter Ein­schluss des Montags zustellt. Der BFH leitet dies aus der Post-Universaldienstleistungsverordnung ab, die auch umsatz­steuer­rechtlich zu beachten sei.

Die Rechtslage nach nationalem Recht steht nach der Ent­schei­dung des BFH nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen des durch das Recht der Europäischen Union harmonisierten Mehr­wertsteuerrechts.

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Arztbesuch während der Arbeitszeit ist nicht selbstverständlich

Auch wenn ein Arztbesuch während der Arbeitszeit üblich ist, ist er nur in Ausnahme­fällen erlaubt. Ein Ausnahmefall liegt ins­be­son­dere dann vor, wenn ein Arbeitnehmer akut erkrankt und dringend auf ärztliche Hilfe angewiesen ist.

Liegt eine akute Erkrankung nicht vor, muss ein Arzttermin wäh­rend der Freizeit des Arbeitnehmers wahrgenommen werden. Ein Arbeitnehmer muss sich hier gegebenenfalls bei mehreren Ärzten um einen Termin bemühen. Ist dies nicht möglich, weil insbesondere Facharzttermine während der Freizeit des Arbeit­nehmers nicht wahrgenommen werden oder weil bestimmte Untersuchungen nur zu einer bestimmten Zeit stattfinden können, hat der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber einen sogenannten Freistellungsanspruch.

Bleibt dem Arbeitnehmer keine andere Möglichkeit als den Arzt­besuch während seiner Arbeitszeit wahrzunehmen, muss die versäumte Arbeitszeit nicht nachgeholt werden. Allerdings muss der Arbeitnehmer über den Grund und die Dauer seiner Ab­we­sen­heit im Vorfeld informieren und, falls dies gefordert wird, den erforderlichen Arztbesuch durch eine Bescheinigung belegen.

Erfolgt der Arztbesuch unberechtigt, verstößt ein Arbeitnehmer gegen die Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag und kann im Wiederholungsfall nach entsprechenden Abmahnungen auch aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt werden.

Unter oben genannten Voraussetzungen dürfen Arbeitnehmer auch ihre Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zum Arzt begleiten und haben dann einen dementsprechenden Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitszeit.

Grundsätzlich empfiehlt es sich den Arbeitgeber im Vorfeld eines Arztbesuches genau mitzuteilen, weshalb der Arzttermin nur während der Arbeitszeit stattfinden kann.

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Haftung aus dem Mietverhältnis nach einer Scheidung

Im Rahmen einer Scheidung taucht regelmäßig folgendes Problem auf:
Was passiert mit der gemieteten gemeinsamen Ehewohnung nach der Scheidung?

Nach § 1568 a BGB wird das Mietverhältnis nach der rechts­kräftigen Scheidung nur mit dem Ehegatten fortgesetzt, der in der Wohnung bleibt. Das bedeutet, dass der Ehegatte, der aus­gezogen ist, keine Miete mehr bezahlen muss und dem Ver­mie­ter auch nicht mehr für Mietausfälle o.ä. haftet. Diese Rechts­wirkung tritt aber nur dann ein, wenn beide Ehe­gatten dem Vermieter mitteilen, wer in der Wohnung bleibt. Dies kann dann zu Streit führen, wenn der in der Wohnung verbleibende Ehe­gatte auch nach der Scheidung die Abgabe einer ent­spre­chen­den Erklärung verzögert und damit auch die Entlassung des aus­ge­zo­genen Ehegatten aus dem Mietvertrag.

Hierzu hat nun das Oberlandesgericht Hamm mit rechts­kräftigem Beschluss des 12. Senats für Familiensachen vom 21.01.2016 (Az: 12 UF 170/15) Folgendes entschieden:

Überlässt ein Ehegatte nach der Trennung die zuvor von ihm oder von beiden Ehegatten gemeinsam gemietete Ehewohnung dem anderen Ehegatten zur alleinigen Nutzung, kann er bereits während der Trennung und nicht erst nach Rechtskraft der Scheidung verlangen, dass der in der Wohnung verbleibende Ehe­gatte an der gegenüber dem Vermieter abzugebenden Erklärung mitwirkt, durch die der ausgezogene Ehegatte bei der Scheidung aus dem Mietverhältnis ausscheidet. Nach dem Auszug eines Ehepartners hat dieser ein berechtigtes Interesse daran, nach der Scheidung nicht mehr finanziellen Belastungen aus dem Mietverhältnis ausgesetzt zu sein. Dies gilt ins­be­son­dere im Hinblick auf Mietzinsansprüche des Vermieters für die Zeit nach dem Auszug.

Wichtig an dieser Entscheidung ist, dass der in der Wohnung verbleibende Ehegatte seine Mitwirkung an dieser Erklärung nicht davon abhängig machen kann, dass sich die Ehegatten zuvor über die Verteilung der das Mietverhältnis betreffenden Kosten geeinigt haben. Beispielsweise darüber, wer die Kosten durchzuführender Schönheitsreparaturen übernimmt.

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Namensnutzung im Konzern

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 37/16, Pressemitteilung vom 18.05.2016, Urteil vom 21.01.2016, Aktenzeichen I R 22/14

Die Gestattung einer unentgeltlichen Namensnutzung zwischen nahestehenden Personen eines Konzerns ist steuerrechtlich anzuerkennen und führt nicht zu einer Korrektur der Gewinnermittlung nach dem Außensteuergesetz (AStG), wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 21. Januar 2016 I R 22/14 entschieden hat. Die bloße Namensnutzung im Konzern begründet danach keine Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 4 AStG a.F., für die einkommenserhöhend ein Korrekturbetrag i.S. des § 1 Abs. 1 AStG a.F. angesetzt werden könnte.

Im Streitfall hatte der im Inland gewerblich tätige Kläger ein graphisches Zeichen („Firmenlogo“) entwickelt und seiner pol­nischen Tochterkapitalgesellschaft zur Verwendung bei ihrem Internetauftritt, auf Geschäftspapieren und Fahrzeugen über­lassen. Die polnische Gesellschaft musste hierfür kein Entgelt zahlen.

Das Finanzamt ging bei der Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer wegen „unentgeltlicher Überlassung des Markenrechts“ einkommenserhöhend von einer Gewinn­kor­rek­tur nach § 1 Abs. 1 AStG a.F. aus. Die Klage zum Finanzgericht hatte im Wesentlichen keinen Erfolg.

Demgegenüber gab der BFH dem Kläger Recht. Danach liegt keine entgeltpflichtige Rechteüberlassung vor. Für die bloße Nutzung des Konzernnamens als Überlassung des Firmen­namens durch einen Gesellschafter an die Gesellschaft seien in der Regel Lizenzentgelte steuerlich nicht verrechenbar. Im Fall der unentgeltlichen Nutzung kommt es dann nicht einkom­mens­erhöhend zum Ansatz eines Korrekturbetrags. Anders ist es nach dem Urteil des BFH, wenn durch einen Warenzeichen-Lizenz­vertrag, der ein Recht zur Benutzung des Konzernnamens und des Firmenlogos als Warenzeichen für verkaufte oder zum Ver­kauf angebotene Produkte einräumt, ein untrennbarer Zu­sam­men­hang zwischen Namensrecht und produktbezogenem Markenrecht hergestellt wird. Ist dabei ein eigenständiger Wert festzustellen, kann für die Überlassung eines derartigen Marken­rechts nach Maßgabe der Sorgfalt eines ordentlichen und gewis­sen­haften Geschäftsleiters ein fremdübliches Entgelt gefordert werden. Hieran fehlte es aber in dem vom BFH entschiedenen Streitfall.

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Nutzungsausfallentschädigung für bewegliches Betriebsvermögen immer Betriebseinnahme

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 36/16, Pressemitteilung vom 11.05.2016, Urteil vom 27.01.2016,  Aktenzeichen X R 2/14

Die Nutzungsausfallentschädigung für ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens ist selbst dann im vollen Umfang Betriebs­ein­nahme, wenn das Wirtschaftsgut teil­weise auch privat genutzt wird. Das hat der Bun­des­finanzhof (BFH) mit Urteil vom 27. Januar 2016 X R 2/14 entschieden.

Der Kläger, ein selbständiger Versicherungsagent, hielt ein Fahrzeug im Betriebsvermögen, das er auch privat nutzte. Für einen Nutzungsausfall aufgrund eines Unfalls erhielt er von der Versicherung des Unfallverursachers eine Entschädigung. Das Finanzamt (FA) behandelte diese uneingeschränkt als Betriebs­einnahme. Der Kläger machte demgegenüber geltend, dass der Unfall sich auf einer Privatfahrt ereignet habe und er außerdem für die Zeit des Nutzungsausfalls kein Ersatzfahrzeug ange­mie­tet, sondern Urlaub genommen habe.

Der BFH gab dem FA Recht. Bewegliche Wirtschaftsgüter sind selbst dann, wenn sie gemischt genutzt werden, ungeteilt ent­weder Betriebsvermögen oder Privatvermögen. Vereinnahmt der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit Schäden am Wirt­schafts­gut Ersatzleistungen, richtet sich die steuerliche Be­ur­tei­lung nach der Zuordnung des Wirtschaftsguts. Das gilt un­ab­hängig davon, bei welcher Gelegenheit der Schaden entstanden ist und wie der Steuerpflichtige auf den Schaden reagiert.

Damit setzt der BFH die Rechtsprechung zu Schaden­ersatz­leistungen fort, die als Ausgleich für Substanzverluste oder Sub­stanzschäden vereinnahmt werden. Diese sind stets Betriebs­einnahmen, wenn sie an die Stelle eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens treten. Für den Verlust der Nutzungs­mög­lich­keit gilt nichts anderes. Auch der Gebrauchsvorteil eines Wirtschaftsguts ist ausschließlich dem Betrieb zuzuordnen, wenn das Wirtschaftsgut zum Betriebsvermögen gehört.

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Elternwille bestimmt Religionszugehörigkeit des Kindes

Rechtskräftiger Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 29.03.2016 (2 UF 223/15)
Quelle: Oberlandesgericht Hamm Pressemitteilung vom 06.05.2016

Bestimmen Kindeseltern die Religions­zu­ge­hö­rig­keit ihres Kindes, bleibt diese Bestimmung auch dann verbindlich, wenn das Kind – nach einem Entzug der elterlichen Sorge unter vormundschaftlicher Verantwortung des Jugendamtes – in einer Pflegefamilie aufwächst, die einer anderen Religion angehört und nach dieser lebt. Der Vormund ist dann nicht befugt, die Erstbestimmung der leiblichen Eltern zu ändern. Das hat der 2. Senat für Familien­sachen des Oberlandesgerichts Hamm am 29.03.2016 in einer vom Amts­gericht – Familiengericht – Dorsten in erster Instanz entschiedenen Familiensache beschlossen und damit den Antrag des Vormundes, die römisch-katholische Erziehung des Kindes zu genehmigen, zurück­gewiesen.

Die im 1986 Jahre geborene Verfahrensbeteiligte aus Duisburg ist Mutter der im Jahre 2007 geborenen Tochter. Die Kindes­mut­ter stammt aus einem Land Nordafrikas und ist mus­li­mi­schen Glaubens. Der im Jahre 1968 in Duisburg geborene, nicht sorgeberechtigte Kindesvater stammt von evangelischen Eltern ab.
Unmittelbar nach der Geburt nahm das Jugendamt das Kind in Obhut und verbrachte es in eine Bereitschaftspflegefamilie. Tags darauf entzog das Familiengericht der Mutter Teile der elterlichen Sorge, u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitsfürsorge. In dem danach durch­ge­führ­ten Sorgerechtsverfahren brachte die Kindesmutter in meh­re­ren an das Familiengericht gerichteten Schreiben ihre Er­war­tung zum Ausdruck, dass das Kind nach dem mus­li­mi­schen Glauben groß gezogen werden solle. In diesem Sinne äußerte sie sich auch gegenüber der in dem Verfahren bestellten Sachverständigen.

Im Jahre 2008 entzog das Familiengericht der Kindesmutter die elterliche Sorge und übertrug diese dem Jugendamt als Vor­mund. Seit dem Jahre 2009 lebt das Kind inkognito in einer Dauerpflegefamilie, die ihre eigenen Kinder nach christlichen Wertvorstellungen erzieht und römisch-katholisch taufen ließ. Nach den Vorstellungen der Pflegeeltern und des Vormundes soll die Pflegetochter katholisch getauft werden, damit sie nach ihrer Teilnahme am katholischen Religionsunterricht auch die Erstkommunion empfangen kann. Dies entspreche, so diese Beteiligten, auch dem Wunsch des Kindes.

Das Familiengericht hat die vom Vormund getroffene An­ord­nung, das Pflegekind in der römisch-katholischen Religion zu erziehen, genehmigt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter, die mit einer Taufe ihrer Tochter und ihrer römisch-katholischen Erziehung nicht einverstanden ist.
Die Beschwerde war erfolgreich. Der 2. Senat für Familien­sachen des Oberlandesgerichts Hamm hat die familien­gerichtliche Genehmigung, das Pflegekind nach dem römisch-katholischen Glauben zu erziehen, abgelehnt.

Der Vormund könne die (römisch-katholische) Religions­zuge­hörigkeit des Kindes, so der Senat, nicht mehr bestimmen. Das ließen die Vorschriften des Gesetzes über die religiöse Kinder­erziehung nicht zu. Die Kindesmutter habe zuvor entschieden, dass ihre Tochter nach dem muslimischen Glauben erzogen werden solle. An diese Erstbestimmung sei der Vormund gebunden. Das Gesetz über die religiöse Kindererziehung erlaube ihm nicht, diese zu ändern.
Ihr Erstbestimmungsrecht habe die Kindesmutter noch vor dem vollständigen Entzug der elterlichen Sorge ausgeübt. Das ergebe sich aus ihren im Sorgerechtsverfahren dokumentierten schriftlichen und persönlichen Äußerungen. Zu Zeitpunkt dieser Äußerungen sei die Kindesmutter noch Inhaberin des zur religiösen Erziehung des Kindes berechtigenden Teils der elterlichen Sorge gewesen.
Nach dem einschlägigen Gesetz sei insoweit unerheblich, ob diese Entscheidung auf heutiger Sicht dem Kindeswohl entspreche. Unerheblich sei auch, dass die Kindesmutter zu keiner Zeit in der Lage gewesen sei, mit ihrem Kind ihre Religionszugehörigkeit zu leben. Die maßgebliche gesetzliche Vorschrift erfordere lediglich ein nach außen dokumentiertes Bekenntnis der Kindeseltern zur Religionszugehörigkeit des Kindes. Ein solches Bekenntnis habe die Kindesmutter abgegeben.

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Auch ein verjährter Pflichtteilsanspruch ist als Nachlassverbindlichkeit von der Erbschaftsteuer abzuziehen

Das FG Schleswig-Holstein hat mit Datum vom 04.05.2016, Aktenzeichen 3 K 148/15, ent­schieden, dass ein Alleinerbe nach dem Tod des verpflichteten Erblassers seinen nun gegen sich selbst gerichteten Pflichtteilsanspruch auch noch geltend machen und als Nach­lass­verbindlichkeit vom Erwerb abziehen kann, wenn der Anspruch bereits verjährt ist.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Vater und die Mutter des Klägers hatten ein notarielles gemeinschaftliches Testament errichtet, worin sie sich gegen­seitig zu Alleinerben und den Sohn zum Erben des Über­le­ben­den einsetzten. Zuerst verstarb der Vater, dann die Mutter. Der Sohn beerbte die Mutter. In seiner Erbschaftsteuererklärung setzte er als Nachlassverbindlichkeit seinen eigenen Pflicht­teils­anspruch nach dem Tod des Vaters an. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer fest, ohne diesen Pflichtteilsanspruch zu berücksichtigen. Daraufhin erhob der Sohn Klage. Die Klage war erfolgreich.

Das FG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass das Finanzamt im vorliegenden Fall zu Unrecht den als Nachlassverbindlichkeit geltend gemachten Pflichtteilsanspruch bei der Erbschaft­steuer­festsetzung nicht steuermindernd berücksichtigt hat. Für die Abziehbarkeit von Pflichtteilsansprüchen als Nachlass­ver­bind­lich­keit gilt Folgendes:

Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 5 Nr. 1 ErbStG sind vom Erwerb des Erben die vom Erblasser her­rüh­renden persönlichen Verbindlichkeiten als Nachlass­ver­bind­lich­keiten abzuziehen. Das sind die Verbindlichkeiten, die gemäß § 1922 Abs. 1 BGB, § 45 Abs. 1 AO im Rahmen der Rechts­nachfolge auf den Erben übergehen. Der Abzug setzt voraus, dass die Verbindlichkeiten rechtlich bestehen und im Regel­fall den Erblasser im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belasten. Mit dem zusätzlichen Erfordernis der wirtschaftlichen Belastung weicht das Erbschaftsteuerrecht somit vom Zivilrecht ab.

§ 10 Satz 2 ErbStG beinhaltet, dass gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG auch Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflicht­teilen gemäß §§ 2303 ff BGB zu den abzugsfähigen Nach­lass­ver­bind­lichkeiten gehören. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt ein Pflichtteilsanspruch jedoch erst dann als Erwerb von Todes wegen, wenn er auch geltend gemacht wird. Dies ist Voraus­setzung für die Abziehbarkeit.

Unter Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches versteht man das ernstliche Verlangen auf Erfüllung des Anspruches gegen­über dem Erben. Es muss eine Bekundung des Pflichtteils­berechtigten in geeigneter Weise stattfinden, aus der ersichtlich ist, dass er die Erfüllung seines Pflichtteilsanspruches verlangt. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG entsteht die Erbschaftsteuer für den Erwerb des Pflichtteilsanspruches mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wirkt die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gegenüber dem Erben zurück, also auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Es handelt sich somit um ein rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Die Verbindlichkeit geht zivilrechtlich auf den Erben über, wenn der Pflichtteilsverpflichtete vor der Erfüllung des Pflicht­teils­anspruches verstirbt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Anspruch vorher geltend gemacht wurde gemäß §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB. Abweichend vom Zivilrecht stellt die Pflicht, den Pflichtteil zahlen zu müssen, nur eine vom Erblasser her­rüh­rende Schuld und somit eine abziehbare Nachlassverbindlichkeit dar, wenn der Berechtigte diesen Anspruch zu Lebzeiten des Verpflichteten geltend gemacht hatte oder ihn nun geltend macht. Geschieht dies vor Verjährung des Pflichtteils­anspruches, gilt der Pflichtteilsanspruch als Erwerb des Pflicht­teils­berechtigten von Todes wegen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Somit ist eine Abziehbarkeit als Nachlassverbindlichkeit des Pflichtteilsanspruches gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 in Ver­bindung mit Abs. 5 Nr. 1 ErnStG möglich.

Herauszustellen ist, dass der Pflichtteilsanspruch zwar zivil­rechtlich verjährt ist, der Anspruch jedoch nicht untergegangen ist. Die verjährte Forderung ist voll wirksam und kann auch eingeklagt werden, es besteht nur die Möglichkeit durch den Erben die Einrede der Verjährung zu erklären, so dass der Anspruch nicht durchsetzbar ist. Somit ist der Pflicht­teils­anspruch erbschaftsteuerrechtlich nicht erloschen.

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Doppelte AfA bei Bebauung des Ehegattengrundstücks

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 35/16, Pressemitteilung vom 04.05.2016, Urteil vom 09.03.2016,  Aktenzeichen X R 46/14

Bebaut der Unternehmer ein betrieblich genutztes Grundstück, das ihm zusammen mit seinem Ehegatten gehört, sind Wert­steigerungen der dem Ehegatten gehören­den Grundstückshälfte nicht ein­kom­men­steuerpflichtig, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 9. März 2016 X R 46/14 entschieden hat. Hieraus können sich erhebliche steuerliche Vorteile im Hinblick auf die Absetzungen für Abnutzung (AfA) ergeben. Übertragen die Ehegatten z.B. später das gemeinsame Grundstück auf ihren Sohn, der den Betrieb des Vaters fortführt, kann für nur einmal angefallene Baukosten die AfA im Ergebnis zweimal in Anspruch genommen werden.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Vater des Klägers schon in den 1960er Jahren mehrere Betriebsgebäude auf Grundstücken errichtet, die zur Hälfte auch der Mutter des Klägers gehörten. Er nahm AfA auf seine Baukosten vor. Im Jahr 1993 übertrug der Vater den Betrieb unentgeltlich auf den gemeinsamen Sohn (den Kläger). Gleichzeitig übertrugen der Vater und die Mutter die betrieblich genutzten Grundstücke ebenfalls unentgeltlich auf den Kläger.

Soweit es um die Übertragung von Wirtschaftsgütern ging, die dem Vater gehörten, muss der Kläger die Buchwerte aus den Bilanzen des Vaters fortführen (heute § 6 Abs. 3 des Ein­kom­men­steuergesetzes). Umstritten war hingegen die Behandlung der Gebäudeteile, die zivilrechtlich der Mutter gehörten. Der Kläger sah in der Schenkung dieser Gebäudeteile eine Einlage in seinen Betrieb. Diese Einlage bewertete er mit dem aktuellen Teilwert der Gebäudeteile. Da der Teilwert erheblich höher war als der Restbuchwert des Bilanzpostens, der in den Bilanzen des Vaters verblieben war, eröffnete dies dem Kläger die Möglichkeit zur Vornahme erneuter hoher AfA-Beträge auf die von seinem Vater in der Vergangenheit schon nahezu abgeschriebenen Gebäudeteile.

Diese rechtliche Beurteilung hat der BFH nunmehr bestätigt. Dies hat zur Folge, dass in derartigen Fällen im Ergebnis eine doppelte Abschreibung möglich ist, obwohl die Baukosten nur einmal anfallen. Allerdings hat der BFH im Gegenzug klargestellt, dass für den Bilanzposten, der den eigenen Bauaufwand des Unternehmers für die Gebäudeteile des anderen Ehegatten verkörpert, keine Steuersubventionen in Anspruch genommen werden können, die vom Gesetzgeber nur für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens gewährt werden. Dies wurde in der Praxis bisher anders gehandhabt, wodurch die Buchwerte dieser Bilanzposition zusätzlich gemindert werden konnten.

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