Monatsarchiv Oktober 2021

Grundstücksübertragung als Möglichkeit der Pflichtteilsreduzierung, ist das wirklich so?

München – Wenn man sich mit der Erstellung eines Testamentes auseinandersetzt, kommt häufig die Frage auf, ob es eine Möglichkeit gibt, im Raum stehende Pflichtteilsansprüche, beispielsweise von Abkömmlingen, so weit als möglich zu minimieren.

Für diese Überlegung gibt es ganz verschiedene Gründe. Oftmals hat man keinen Kontakt mehr zu den eigenen Kindern, oder aber man möchte, insbesondere auch bei Patchworkfamilien, den Ehepartner der zweiten Ehe vor möglichen Pflichtteilsansprüchen der Kinder aus erster Ehe schützen, beispielsweise, weil man eine gegenseitige Erbeinsetzung vorgenommen hat und die Kinder erst Schlusserben werden. In diesem Fall haben Kinder aus erster Ehe nach dem Tod des leiblichen Elternteils einen Pflichtteils­anspruch. Dies gilt nicht nur für die Kinder der ersten Ehe, sondern für sämtliche Abkömmlinge. Es steht also den Kindern frei, diesen Anspruch auch geltend zu machen.

Um zu vermeiden, dass der überlebende Ehegatte sich mit diesen Pflichtteilsansprüchen auseinandersetzen muss, versuchen viele Betroffene, den Pflichtteil, auf welche Art und Weise auch immer, zu minimieren, indem das auch am Todestag vorhandene Vermögen soweit als möglich reduziert wurde. Häufig wird die Idee der Schenkung verfolgt.

Der Gedanke dahinter ist, dass, wenn sich ein bestimmter Gegenstand oder ein bestimmter Geldbetrag nicht mehr im Nachlass befindet, hieraus auch kein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden kann, da sich dieser ja nach dem Wert des Nachlasses am Todestag bemisst. Jedoch gibt es nicht nur den Pflichtteilsanspruch, sondern auch den Pflichtteils­ergänzungsanspruch. Dieser ist in § 2325 BGB geregelt und hat den Inhalt, dass eine Schenkung, die der Erblasser einer dritten Person gemacht hat, ebenfalls zum Ausgleich zu bringen ist, indem der Nachlass fiktiv erhöht wird. Dies bedeutet, dass die Schenkung unter Umständen dem Nachlass hinzugerechnet wird und dann die Quote, die man als Pflichtteils­berechtigter hat, aus diesem erhöhten Wert berechnet wird.

Grundsätzlich ist es so, dass die Schenkung unberücksichtigt bleibt, wenn seit der Schenkung 10 Jahre vergangen sind. Diese 10 Jahres Frist gilt jedoch nicht für den Ehegatten. Sämtliche Schenkungen während der Ehezeit müssen hier angegeben werden.

Bezüglich des Pflichtteilsergänzungsanspruches gibt es eine sogenannte Pro-Rata-Regelung. Dies bedeutet, dass die Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils 1/10 weniger berücksichtigt wird. Damit ist offensichtlich, dass eine Schenkung, die den Nachlass minimieren soll, um den Pflichtteil herabzusetzen, so früh wie möglich vorgenommen werden sollte, damit die 10 Jahres Frist zu laufen beginnt.

Aber hier ist Vorsicht geboten. Die Frist von 10 Jahren bezüglich einer Schenkung fängt nämlich nicht an zu laufen, wenn man beispielsweise eine Immobilie unter Einräumung eines Nießbrauchs- bzw. Wohnrechtes überträgt. So sinnvoll eine Übertragung einer Immobilie zu Lebzeiten auch ist, beispielsweise auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten, hilft dies für die Minimierung des Pflichtteilsanspruches nicht weiter.

Man muss also unterscheiden, aus welchen Gründen eine Schenkung vorgenommen wird. Soll eine Schenkung unter Pflichtteilsgesichtspunkten zu einer Reduzierung desselben führen, ist die Übertragung gegen Einräumung eines Nießbrauchs- bzw. Wohnrechtes nicht zu empfehlen, da, wie oben ausgeführt, die 10 Jahres Frist, die schlussendlich zum Nicht­ausgleich der Schenkung führen würde, gar nicht zu laufen beginnt.

Nimmt man die Übertragung einer Immobilie gegen Einräumung eines Wohn- bzw. Nießbrauchsrechtes vor, um sich abzusichern, solange als möglich in der eigenen Immobilie wohnen bleiben zu können, beispielsweise auch unter Vereinbarung anderer Gegenrechte, wie beispielsweise Wart und Pflege, ist die Übertragung auf jeden Fall sinnvoll. Dies gilt auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten, da die Einräumung eines Nießbrauchs- bzw. Wohnrechtes bei einer Immobilie zu einer Reduzierung der Steuer führt.

Man muss sich also ganz genau fragen, aus welchen Gründen eine Übertragung der Immobilie unter Einräumung eines Wohn- bzw. Nießbrauchsrechtes vorgenommen werden soll.

Fall Sie diesbezüglich einer weiteren Beratung bedürfen, können Sie sich gerne jederzeit an mich wenden.

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