Monatsarchiv September 2022

Großeltern haften für Ihre Enkel

Enkelunterhalt: Wann Großeltern in München für ihre Enkel bezahlen müssen

München. In früheren Artikeln hatten wir bereits mehrfach die Problematik gegenseitiger Unterhaltsverpflichtungen erörtert. Bekannt ist, dass getrenntlebende oder geschiedene Eltern für ihre minderjährigen Kinder Unterhalt bezahlen müssen. Ebenso, dass eine Unterhaltsverpflichtung der Kinder gegenüber ihren bedürftigen Eltern bestehen kann.

Weniger bekannt dagegen ist, dass neben den Eltern des Kindes unter Umständen auch andere Verwandte, insbesondere die Großeltern, für den Kindesunterhalt ihrer Enkel aufkommen müssen. § 1601 BGB regelt hierzu: „Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren“. Unterhaltsverpflichtet, aber auch unterhaltsberechtigt sind daher alle in gerader ab- und aufsteigender Linie miteinander Verwandte, unabhängig vom Grad der Verwandtschaft. Unbeachtlich ist hier auch die Frage, wer Inhaber des Sorgerechts ist. Verwandte, die dem Unterhaltsberechtigten näher sind, haften danach für dessen Unterhalt an erster Stelle. Dies sind zunächst die Eltern und Adoptiveltern. Großeltern haften erst dann, wenn beide Eltern für die Zahlung von Kindesunterhalt ausfallen, sei es infolge eines zu geringen Einkommens, aber auch beim Tod der Kindeseltern.

In einem aktuellen Beschluss vom 27.10.2021 ( Aktenzeichen: XII ZB 123/21) hat der Bundesgerichtshof nun entschieden, dass eine Haftung der Großeltern für den Unterhalt ihrer minderjährigen Enkel eintreten kann, wenn die vorrangig zur Unterhaltszahlung verpflichteten Kindeseltern über keine ausreichenden Einkünfte verfügen und finanziell gut situierte Großeltern vorhanden sind. Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der von der Kindesmutter geschiedene Kindesvater wurde auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen. Der Kindesvater verfügte über Einkünfte von ca. 1.400,00 € netto monatlich. Die Kindesmutter verdiente monatlich netto ca. 1.000,00 €. Der Kindesvater war nun der Meinung, ihm müssten monatlich mindestens 1.400,00 € zum Leben bleiben. Er könne daher keinen Unterhalt bezahlen. Den Unterhalt für sein Kind könnten auch seine Eltern, das heißt die Großeltern des Kindes, welche über ein gemeinsames monatliches Nettoeinkommen von 5.600,00 € netto verfügten, übernehmen.

Der Bundesgerichtshof hatte nun die Frage zu klären, ob und wann eine Haftung der Großeltern eintritt. Letztlich ging es darum, wieviel Einkommen dem unterhaltsverpflichteten Kindesvater verbleiben muss. Muss ihm ein notwendiger Selbstbehalt von aktuell 1.280,00 € verbleiben oder ist ein angemessener Selbstbehalt von aktuell 1.400,00 € zuzugestehen? Der Bundesgerichtshof hat dahingehend entschieden, dass eine Haftung der Großeltern für den Unterhalt der minderjährigen Enkel bereits dann eintreten kann, wenn der angemessene und nicht erst der notwendige Selbstbehalt der vorrangig verpflichteten Kindeseltern tangiert wird. Konkret bedeutet dies, dass beispielsweise ein Vater, der für sein Kind Unterhalt bezahlen muss, dies aber aus finanziellen Gründen nicht kann, von den Eltern der Mutter des Kindes oder seinen eigenen Eltern verlangen kann, den Unterhalt, den die Eltern des Kindes zahlen müssten, für ihr Enkelkind zu übernehmen.

Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Sollten beide Elternteile zur Zahlung des Kindesunterhaltes ausfallen und daher die Großeltern herangezogen werden, gilt auch zu deren Gunsten, dass ihnen nach Zahlung des geschuldeten Unterhaltes ein angemessenes Einkommen verbleiben muss.

Wann kommt eine Unterhaltsverpflichtung der Großeltern daher überhaupt in Frage?

Da Großeltern in aller Regel nicht damit rechnen müssen, für den Unterhalt ihrer erwachsenen Kinder, geschweige denn für den Unterhalt ihrer Enkel aufkommen zu müssen, muss ihnen ein angemessener Selbstbehalt verbleiben. Da Großeltern nur eine nachrangige Haftung trifft und ihr Lebensstandard nicht spürbar und dauerhaft eingeschränkt werden darf, ist ihnen ein angemessener Selbstbehalt von mindestens 2.000,00 € monatlich zuzugestehen. Dies bedeutet, dass ein Großelternteil daher nur dann auf Unterhalt in Anspruch genommen werden kann, wenn ihm nach Abzug aller unterhaltsrechtlich relevanter Positionen wie insbesondere Abzahlung eines Darlehens, Zahlung von Kranken- und Versicherungsbeiträgen, Beiträge für eine angemessene zusätzliche Altersversorgung, angemessene Wohnkosten etc., noch mindesten 2.000,00 € netto monatlich zum Leben verbleiben.

Letztlich dürfte es sich daher bei diesen Fällen wohl um Ausnahmefälle handeln, da in aller Regel Kindesunterhalt durch das Sozialamt geleistet werden wird und § 94 Abs. 1 S. 3 SGB XII, im Gegensatz zu Unterhaltsansprüchen der Eltern gegenüber ihren Kindern, eine Überleitung des Unterhaltsanspruches auf die Großeltern nicht vorsieht. Gleichwohl sind Großeltern aber letzten Endes nicht davor gefeit, von ihren Enkeln auf Unterhaltszahlungen in Anspruch genommen zu werden.

Gez.

Popp

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