BFH entscheidet mehrere Rechtsfragen zum Vorsteuerabzug einer Holding und zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft

BFH entscheidet mehrere Rechtsfragen zum Vorsteuerabzug einer Holding und zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 23/16, Pressemitteilung vom 09.03.2016, Urteil vom 19.01.2016, Aktenzeichen XI R 38/12

Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 19. Januar 2016 XI R 38/12 mehrere Rechtsfragen zum Vor­steuerabzug einer Führungsholding (ge­schäftsleitenden Holding) und zur um­satzvsteuerrechtlichen Organschaft geklärt.

I. Vorsteuerabzug einer Führungsholding

Im Streitfall erbrachte die Klägerin, eine Holding, an ihre Tochter-Personengesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG entgeltliche administrative und kaufmännische Dienstleistungen. Daneben legte sie u.a. Kapital verzinslich bei einer Bank an. Zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit und des Erwerbs der An­teile an den Tochtergesellschaften bezog die Klägerin ihrerseits Dienstleistungen von anderen Unternehmen (wie z.B. die Er­stel­lung eines Ausgabeprospekts und Rechtsberatungs­leistungen).

Die Klägerin begehrte für die auf die Dienstleistungen entfallende Umsatzsteuer den vollen Vorsteuerabzug.

Der BFH hat im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) entschieden, dass der Klägerin für Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft stehen, grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zusteht. Allerdings ist die verzinsliche Anlage eines Teils des eingeworbenen Kapitals bei einer Bank ein umsatzsteuerfreier Umsatz, so dass die mit der Kapitalanlage in Zusammenhang stehende Vorsteuer (anteilig) nicht abziehbar ist. Auf die erforderliche Vorsteueraufteilung kann auch nicht aufgrund der Vereinfachungsregelung des § 43 der Umsatz­steuer-Durchführungsverordnung verzichtet werden, weil die verzinsliche Anlage von Kapital zur Haupttätigkeit der Klägerin gehört. Der BFH hat die Sache deshalb an das Finanzgericht (FG) Hamburg zurückverwiesen.

II. Umsatzsteuerrechtliche Organschaft

Ein zweiter Schwerpunkt der Entscheidung ist die Frage, ob eine GmbH & Co. KG im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft Organgesellschaft sein kann.

Besteht eine Organschaft, sind die im Inland gelegenen Un­ter­neh­mensteile des Organträgers und seiner Organgesellschaften als ein Unternehmen zu behandeln und der Organträger wird Steuerschuldner für alle Leistungen, die der Organkreises ge­gen­über Dritten erbringt. Liegt eine Organschaft vor, wirkt sich dies deshalb auf die Höhe der gegenüber dem Organträger fest­zusetzenden Umsatzsteuer aus.

Voraussetzung hierfür ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tat­säch­lichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist, was nach bisherigen deutschem Verständnis ein Verhältnis der Unterordnung der Organgesellschaft unter den Organträger voraussetzt.

Der BFH ist im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) zu dem Ergebnis gelangt, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG jedenfalls insoweit unionsrechtswidrig ist, als die Vorschrift vorsieht, dass eine GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht Organgesellschaft sein kann. Dieser Ausschluss ist weder zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen noch zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder umgehung erforderlich und an­ge­messen. Weiter hat der BFH entschieden, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Begriff „juristische Person“ auch eine GmbH & Co. KG umfasst. Er knüpft dabei an Rechtsprechung des Bundes­verfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts an, die dieselbe Auslegung in anderem Zusammenhang bereits eben­falls vorgenommen haben.

Ob das weitere Erfordernis des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tat­säch­lichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein muss, mit Unionsrecht vereinbar ist, ließ der XI. Senat des BFH auf­grund fehlender tatsächlicher Feststellungen des FG offen. Der V. Senat des BFH hat dazu mit Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14 die Auffassung vertreten, es sei weiter daran fest­zu­hal­ten, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimm­rechte bei der Organgesellschaft verfügen muss und dass zudem im Regel­fall eine personelle Verflechtung über die Ge­schäfts­führung der Organgesellschaft bestehen muss (vgl. Pressemitteilung Nr. 4/2016 vom 27. Januar 2016).

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Über den Autor

Harald Halbig author

Rechtsanwalt und Steuerberater in München
Tätigkeitsschwerpunkte:
Steuerberatung, Steuerstrafrecht, strafbefreiende Selbstanzeige, Bilanzrecht, Rechtsbehelfsverfahren, Finanzgerichtsverfahren, Vermögensübertragungen, Erbschaftsteuerrecht

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