Kategorien-Archiv Erbrecht / Erbschaftsteuerrecht

Bei einem Sachverständigengutachten im Erbscheinsverfahren muss die Vorgeschichte aller äußeren Umstände in das Gutachten bezüglich einer Testierunfähigkeit einbezogen werden

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 23.01.2018 – 20 W 4/16
Zu den Anforderungen an ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten im Erbscheinsverfahren zur Frage der Testierfähigkeit bei möglicher vaskulär bedingter Demenz und gegebenenfalls überlagernden oder begleitenden passagaren Zusatzsymptomen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschl. v. 23.01.2018

Az.: 20 W 4/16

Tenor:

Die Sache wird unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Wiesbaden – Nachlassgericht – zurückverwiesen.

Das Nachlassgericht wird auch darüber zu befinden haben, wer die zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu tragen hat.

Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1) wendet sich mit der am 28.10.2015 bei dem Nachlassgericht eingegangenen Beschwerdeschrift ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag gegen den diesen am 29.09.2015 zugestellten Beschluss des Nachlassgerichts vom 31.08.2015.

Mit diesem Beschluss, auf den wegen seiner Begründung Bezug genommen wird (Bl. 429 ff der Nachlassakte), hat das Nachlassgericht zum einen den am 24.05.2013 zu Protokoll des Nachlassgerichts erklärten Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) (Bl. 122 f der Nachlassakte) zurückgewiesen, mit dem diese unter Bezugnahme auf das am 22.11.2012 eröffnete notarielle Testament der Erblasserin vom 18.10.2012 (Urkunde des Notars A Nr. …, Bl. 89 ff der Nachlassakte) die Erteilung eines Erbscheins begehrt, der sie als alleinige Erbin der Erblasserin ausweist. Zum anderen hat das Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss die zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 2) unter dem 05.06.2013 (Bl. 149 ff der Nachlassakte) in der Fassung vom 20.08.2015 (Bl. 424 ff der Nachlassakte) beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Danach soll die Erblasserin aufgrund gesetzlicher Erbfolge beerbt worden sein durch den Beteiligten zu 2) zu 2/3, die Beteiligte zu 3) zu 1/6 sowie die Beteiligten zu 4) und 5) zu jeweils 1/12.

Wegen der familiären Verhältnisse der kinderlos verstorbenen Erblasserin und deren Lebenssituation in den letzten Jahren vor ihrem Tod im Einzelnen wird auf die umfassende Darstellung in dem angefochtenen Beschluss des Nachlassgerichts verwiesen (dort S. 2).

Die zweimal verheiratet gewesene Erblasserin hat nach Heirat mit ihrem zweiten Ehemann am 12.05.1972 ein auf den 01.08.1972 datiertes gemeinschaftliches handschriftliches Testament errichtet, in dem die Eheleute sich gegenseitig zu alleinigen Erben ihres Vermögens eingesetzt haben und weiterhin verfügt haben: „Nach dem Tode des Längstlebenden soll die gesetzliche Erbfolge in Kraft treten“ (Bl. 13 der Nachlassakte).

Dieses Testament ist ebenfalls am 22.11.2012 nach dem Tod der Erblasserin nochmals eröffnet worden.

Der am XX.06.1984 vorverstorbene zweite Ehemann der Erblasserin hatte zuvor mit seiner ersten Ehefrau am 03.11.1966 ein nach dessen Tod nochmals eröffnetes, auf den 03.11.1966 datiertes handschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet (Bl. 4 der Nachlassakte), das denselben Wortlaut hat, wie das zuvor genannte gemeinschaftliche, auf den 01.08.1972 datierte handschriftliche Testament.

Das Nachlassgericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Erblasserin bei der Errichtung ihres notariellen Testaments vom 18.10.2012 zwar in ihrer Testierfreiheit nicht durch das mit ihrem vorverstorbenen Ehemann am 01.08.1972 errichtete gemeinschaftliche Testament in ihrer Testierfreiheit beschränkt gewesen sei, da die in dessen inhaltsgleichem gemeinschaftlichen Testament mit seiner vorverstorbenen ersten Ehefrau vom 03.11.1966 angeordnete gesetzliche Schlusserbfolge zu Gunsten deren gemeinsamen Abkömmlings wechselbezüglich zu der jeweiligen Alleinerbeneinsetzung der damaligen Eheleute gewesen sei, so dass der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin diese Schlusserbeneinsetzung nach dem Tod seiner ersten Ehefrau nicht mehr habe widerrufen können. Somit sei die wechselseitige Erbeinsetzung der Erblasserin und ihres vorverstorbenen zweiten Ehemanns in dem gemeinschaftlichen Testament vom 01.08.1972 unwirksam. Die Erblasserin sei daher nach dem Tode ihres zweiten Ehemannes an die in deren gemeinschaftlichem Testament vom 01.08.1972 nach dem Längstlebenden angeordnete gesetzliche Erbfolge nicht gebunden gewesen und habe anderweitig letztwillig verfügen dürfen. Allerdings sei die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments vom 18.10.2012 nicht mehr testierfähig gewesen. Wegen der Begründung der vom Nachlassgericht angenommenen Testierunfähigkeit im Einzelnen, wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Weiterhin wird verwiesen auf den Inhalt des Protokolls der Anhörung und Beweisaufnahme des Nachlassgerichts vom 25.07.2014 über die Vernehmung der Zeugen B, Rechtsanwalt und Notar A, C und D sowie der Anhörung der Beteiligten zu 1) (Bl. 250 ff der Nachlassakte), den Inhalt des Protokolls der Beweisaufnahme des Nachlassgerichts vom 17.10.2014 über die Vernehmung des ehemaligen Hausarztes der Erblasserin, des Zeugen E (Bl. 315 ff der Nachlassakte), das Gutachten des vom Nachlassgericht zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin am 18.10.2012 bestellten Sachverständigen F vom 01.03.2015 (Bl. 338 ff der Nachlassakte), sowie auf den „Sonderband“ des Nachlassgerichts zur Nachlassakte (nachfolgend nur: Sonderband), in dem sich u.a. auszugsweise Kopien aus der Betreuungsakte des Amtsgerichts Wiesbaden im Hinblick auf ein vorläufiges Betreuungsverfahren für die Erblasserin (Az.: …) befinden, so insbesondere 3 fachärztliche Gutachten des hiesigen Zeugen B vom 16.01.2012 (Bl. 3 ff des Sonderbandes), vom 12.06.2012 (Bl. 40 ff des Sonderbandes) und vom 18.06.2012 (Bl. 62 ff des Sonderbandes), sowie Kopien weiterer Arztberichte (Bl. 84 bis 123 des Sonderbandes).

Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) haben vor dem Nachlassgericht in ihrem Schriftsatz vom 06.05.2013 (Bl. 124 ff der Nachlassakte) die Auffassung vertreten, die Erblasserin sei nicht gehindert gewesen, eine erneute Verfügung von Todes wegen zu treffen. Das gemeinschaftliche Testament vom 01.08.1972 beinhalte jedenfalls hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung keine wechselbezügliche Verfügung.

Einziges Motiv sei gewesen, sich gegenseitig als Erben einzusetzen. Weiterhin haben sie bereits vor der angefochtenen Entscheidung des Nachlassgerichts die Auffassung vertreten, eine Testierunfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 18.10.2012 sei nicht nachgewiesen; es bestünden keine Zweifel daran, dass die Erblasserin testierfähig gewesen sei und eine freie und unbeeinflusste Entscheidung getroffen habe (auf deren diesbezügliche Schriftsätze vom 19.02.2014, Bl. 188 der Nachlassakte, vom 19.05.2014, Bl. 209 ff der Nachlassakte, und vom 08.04.2015, Bl. 391 ff der Nachlassakte wird Bezug genommen). In der Beschwerdebegründung vom 09.12.2015, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 486 ff der Nachlassakte), gehen die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) ausschließlich auf die Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin ein und begründen, wieso das Nachlassgericht nach deren Ansicht zu Unrecht von einer Testierunfähigkeit der Erblasserin am 18.10.2012 ausgegangen sei. In ihrem Schriftsatz an den Senat vom 29.01.2016 (Bl. 506 f der Nachlassakte) habe sie drei weitere Zeugen benannt für Umstände, die nach ihrer Auffassung die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin dokumentieren würden, da sie aufzeigen könnten, dass die Erblasserin ihre Angelegenheiten bis zu ihrem Tod selbst gehörig erledigt habe. Für den Fall, dass das Nachlassgericht den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt habe, haben sie weiterhin einen Zurückverweisungsantrag an das Nachlassgericht gestellt.

Der Beteiligte zu 2) verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts, diese sei eindeutig, nachvollziehbar und vor allem fachlich fundiert.

Erstinstanzlich hatte er vor Kenntnisnahme von dem Ehegattentestament des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin vom 03.11.1966 zunächst die Auffassung vertreten, die Erblasserin sei bereits durch das Ehegattentestament vom 01.08.1972 gebunden gewesen, so dass sie an der Errichtung des Testaments vom 18.10.2012 gehindert gewesen sei. Nachfolgend hat er aber auch die Testierfähigkeit der Erblasserin zum 18.10.2012 in Frage gestellt und hilfsweise die Einholung eines „fachärztlichen Aktengutachtens“ beantragt (Schreiben vom 13.08.2013, Bl. 163 der Nachlassakte) sowie dem eingeholten Sachverständigengutachten, mit Ausnahme zweier textlicher Korrekturen, inhaltlich zugestimmt (Schreiben vom 14.03.2015, Bl. 385 der Nachlassakte). Weiterhin wird Bezug genommen auf die Schreiben des Beteiligten zu 2) an das Nachlassgericht vom 25.04.2015 (Bl. 396 f der Nachlassakte) und vom 01.11.2015 (Bl. 461 f der Nachlassakte), sowie dessen Schreiben an den Senat vom 21.01.2016 (Bl. 503 der Nachlassakte) und vom 06.02.2016 (Bl. 508 der Nachlassakte).

Die Beteiligten zu 3) bis 5) haben im Verfahren der Beschwerde keine Stellungnahmen abgegeben.

Letztlich wird Bezug genommen auf sämtliche zur Nachlassakte gereichten Stellungnahmen und Urkunden.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 58 FamFG statthaft. Die Beteiligte zu 1) ist als mögliche testamentarische Erbin der Erblasserin durch die Zurückweisung ihres Erbscheinsantrags und die Feststellung der zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 2) beantragten Erbscheins möglicherweise in ihrem eigenen Erbrecht beeinträchtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG). Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, da sie insbesondere form- und fristgerecht eingelegt wurde (§§ 63, 64 FamFG).

Die Beschwerde hat auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang in der Sache vorerst Erfolg.

Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Nachlassgerichts und des Verfahrens ist dieses zur weiteren Sachbehandlung und neuerlichen Entscheidung an das Nachlassgericht zurückzuverweisen, da das Verfahren des Nachlassgerichts an einem wesentlichen Mangel leidet, zur Entscheidung eine umfangreiche weitere Beweiserhebung notwendig ist und die Beteiligte zu 1) die Zurückverweisung an das Nachlassgericht beantragt hat (§ 69 Absatz 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 FamFG).

Allerdings geht das Nachlassgericht zunächst im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Erblasserin nicht durch das am 01.08.1972 errichtete gemeinschaftliche Testament mit ihrem vorverstorbenen Ehemann an der Errichtung ihres notariellen Testaments vom 18.10.2012 gehindert war, was im Verfahren der Beschwerde auch von dem Beteiligten zu 2) nicht mehr gegenteilig vertreten worden ist. Mangels jeglicher Anhaltpunkte für eine anderweitige Testamentsauslegung muss davon ausgegangen, dass der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin an das von diesem mit seiner ersten Ehefrau errichtete Ehegattentestament vom 03.11.1966 gebunden war, mit der Folge der Nichtigkeit der im Ehegattentestament vom 01.08.1972 erfolgten und im Wechselbezug mit der nichtigen Erbeinsetzung der Erblasserin durch ihren Ehemann stehenden Erbeinsetzung dessen gesetzlicher Erben durch die Erblasserin (§§ 2270, Abs. 1 und 2 BGB). Ob dann allerdings – wie das Nachlassgericht offensichtlich meint – auch die von der Erblasserin in dem Ehegattentestament weiterhin getroffene Anordnung der gesetzlichen Erbfolge ihrer von diesem Wechselbezug nicht betroffenen eigenen gesetzlichen Erben ebenfalls unwirksam geworden ist, mit der Konsequenz der gesetzlichen Erbfolge nach der Erblasserin, oder ob das Nachlassgericht hier nicht vielmehr gehalten gewesen wäre, zu prüfen, ob die Erblasserin diese Erbeinsetzung als Einzeltestament hätte aufrecht erhalten wollen, muss der Senat vorliegend nicht entscheiden. Auch dann würde sich im Ergebnis materiell die gesetzliche Erbfolge nach der Erblasserin – allerdings aufgrund testamentarischer Anordnung – ergeben, was aber für den Inhalt des zu erlassenden Erbscheins ohne Belang ist, da der Berufungsgrund jedenfalls dann, wenn ein einzelner Erbe nicht zu unterschiedlichen Quoten aus verschiedenen Gründen berufen ist, im Erbschein nicht anzugeben ist (vgl. Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, 3. Aufl. 2016, Rn. 329 m.w.N.)

Der wesentliche Mangel liegt hier aber in der Verletzung der in § 26 FamFG normierten gerichtlichen Aufklärungspflicht durch das Nachlassgericht, soweit dieses auf Basis der bislang angestellten Ermittlungen bereits zu dem Ergebnis gekommen ist, die Erblasserin sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 18.10.2012 testierunfähig gewesen. Die Entscheidung des Nachlassgerichts beruht auch auf diesem Verfahrensmangel, da sich die Möglichkeit einer im Ergebnis anderen Entscheidung nach durchgeführter weiterer Aufklärung durch Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens und gegebenenfalls dabei erforderlicher weiterer Sachverhaltsaufklärung nicht ausschließen lässt. Da eine Durchführung der zur Beurteilung der Testierfähigkeit noch erforderlichen weiteren Aufklärung durch den Senat als Beschwerdegericht faktisch dem Verlust einer Instanz für die Beteiligten gleichkommen würde (vgl. Sternal in Keidel, 19. Aufl., 2017, § 69 Rn. 15b, m.w.N. zur Rspr.), hält der Senat eine Zurückverweisung der Verfahrens für erforderlich.

Im Erbscheinsverfahren hat das Nachlassgericht Zweifel, die auf konkreten Umständen und dargelegten Auffälligkeiten beruhen, ohne Bindung an den Vortrag der Beteiligten von Amts wegen zu prüfen (§ 26 FamFG, § 2358 BGB a.F.). Für die Durchführung von Ermittlungen durch das Gericht, insbesondere durch eine Beweisaufnahme, ist dabei nicht zu verlangen, dass die Beteiligten entsprechend der für den Zivilprozess geltenden Grundsätze Beweis antreten müssen; vielmehr genügt es, dass der Vortrag und die Bezeichnung geeigneter Beweismittel durch die Beteiligten dem Gericht Anhaltspunkte dafür geben, in welche Richtungen es seine Ermittlungen durchführen kann. Die richterliche Aufklärungspflicht ist dabei dann verletzt, wenn Ermittlungen und Aufklärungen, zu denen nach dem Sachverhalt als solchem und dem Vorbringen der Beteiligten Anlass bestand, nicht durchgeführt worden sind. Dabei sind die Ermittlungen und Aufklärungen erst dann abzuschließen, wenn von weiteren Maßnahmen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist. Außerdem sind bei der Ermittlung der Testierfähigkeit im Hinblick auf deren Tragweite besonders sorgfältige Untersuchungen geboten, die unter anderem eine Einbeziehung der Vorgeschichte und aller äußeren Umstände voraussetzt (vgl. u.a. Senat, Beschluss vom 22.12.1997, Az. 20 W 264/95, zitiert nach Beck-online, m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.04.2015, Az. 11 Wx 82/14, zitiert nach juris).

Diesen Anforderungen wird das vorliegende Verfahren des Nachlassgerichts nicht gerecht. Das Nachlassgericht durfte seine Entscheidung nämlich nicht – wie es dies getan hat – auf das Gutachten des von ihm beauftragten Sachverständigen F vom 01.03.2015 stützen.

Für die Feststellung einer Testierunfähigkeit ist zunächst von der folgenden Rechtslage auszugehen, die das Nachlassgericht auch erkannt hat:

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Dabei gilt als testierunfähig derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, also von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden. Diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildung braucht nicht nur darin zutage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments oder von dessen Inhalt oder Tragweite, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu machen vermag; sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen. Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von möglichen Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (vgl. u.a. bereits BGH, Urteil vom 29.01.1958, Az. IV ZR 251/57; BayObLG, Beschluss vom 17.08.2004, Az. 1Z BR 53/04; OLG München, Beschluss vom 14.08.2007, Az. 31 Wx 16/07, jeweils zitiert nach juris). Dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen gefasst werden konnte (BayObLG, a.a.O. und OLG München, jeweils a.a.O., m.w.N.). Es gibt auch keine nach Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte Testierfähigkeit; die Fähigkeit zur Testamentserrichtung ist entweder gegeben oder fehlt ganz (vgl. u.a. Weidlich in Palandt, a.a.O., § 2229 Rn. 1 m.w.N.).

Das vom Nachlassgericht eingeholte Sachverständigengutachten des F (nachfolgend nur: der Sachverständige) reicht jedoch nicht aus, um bereits die Testierunfähigkeit der Erblasserin feststellen zu können.

Wie oben bereits dargelegt, ist im Rahmen der Ermittlung der Testierfähigkeit im Hinblick auf deren Tragweite eine besonders sorgfältige Untersuchung geboten. Diesen Anforderungen muss auch und gerade das zu dieser Frage eingeholte gerichtliche Sachverständigengutachten genügen.

Dies ist vorliegend leider nicht der Fall.

Das erstellte Gutachten des Sachverständigen erweist sich vielmehr als derart unsorgfältig und lückenhaft, dass es das Nachlassgericht nicht zur maßgeblichen Grundlage seiner Feststellung der Testierunfähigkeit der Erblasserin machen durfte. Dieses Gutachten folgt damit in seiner Qualität leider anderen Begutachtungen dieses Sachverständigen, wie sie dem Senat in jüngerer Vergangenheit auch in anderen Beschwerdeverfahren vorgelegen haben.

So fällt bereits auf, dass der Sachverständige auf Seite 60 seines Gutachtens darlegt: „Das von Herrn G angeführte Medikament hat den Wirkstoff Alprazolam“. Eine derartige Person ist dem Senat im vorliegenden Verfahren schon nicht bekannt. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass zum einen der Zeuge E mitgeteilt hat, bei dem von der Erblasserin eingenommenen Benzodiazepin habe es sich um Lexotanil gehandelt, dessen Wirkstoff ausweislich allgemein einsehbarer Nachschlagwerke nicht Alprazolam sondern Bromazepam ist. Zum anderen ergibt sich auch aus dem im Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht Wiesbaden (Az. …) für die Erblasserin eingeholten Gutachten des Zeugen B vom 12.06.2012 (dort S. 8, Bl. 47 des Sonderbandes), dass die Erblasserin das Benzodiazepin Oxazepam eingenommen habe, dessen Wirkstoff ausweislich allgemein einsehbarer Nachschlagwerke ebenfalls nicht Alprazolam sondern Oxazepam ist. Somit befassen sich die weiteren Ausführungen des Sachverständigen auf Bl. 60, 61 seines Gutachtens offensichtlich schon nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt.

Selbst wenn es sich wohl nur um eine Verwechslung im Namen handelt, erwähnt der Sachverständige dann an anderer Stelle seines Gutachtens eine „Frau H“ hinsichtlich der zu diskutieren sei, ob ihre Testierfähigkeit aufgehoben sei (S. 74 des Gutachtens).

Schon diese beiden Umstände belegen eine oberflächliche Handhabung der vorliegenden Begutachtung, die dem Gebot einer besonders sorgfältigen Untersuchung nicht gerecht werden.

Auch in der von dem Sachverständigen seiner Diagnose eines „schweren kognitiven Verfalls“ der Erblasserin (Seite 69 des Gutachtens) zu Grunde gelegten Sachverhaltsdarstellung ab Seite 65 des Gutachtens ergeben sich weitere Ungenauigkeiten und Auslassungen, die den Anforderungen an eine besonders sorgfältige Untersuchung nicht gerecht werden. Beispielsweise stellt der Sachverständige dort dar, seitens des Hausarztes und Zeugen E sei beschrieben worden, dass die Erblasserin bereits im Jahre 2010 „deutliche“ Defizite in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit aufgezeigt habe und für ihn als langjährig betreuender Hausarzt eine „deutliche“ dementielle Entwicklung bemerkbar gewesen sei. In der protokollierten Aussage des Zeugen heißt es jedoch: „Im Jahr 2010 habe ich bei Frau I bereits gewisse Defizite im Hinblick auf eine dementielle Entwicklung bemerkt“. Ebenso verhält es sich mit der Darstellung des Sachverständigen, der Zeuge E habe dargestellt, dass dann auch die immer sehr gute Fassade im Jahr 2011 „deutlich“ gebröckelt wäre, während der Zeuge ausweislich des Protokolls ausgesagt hat, „bröckelte ihre Fassade zunehmend“ bzw. „in den Zeitpunkten, in denen sie sich im Delir befand – sei es aufgrund von Entzugserscheinungen oder unzureichender Flüssigkeitszufuhr – war sie nicht mehr in der Lage, die ansonsten noch recht gute Fassade zu halten“. Auch die Feststellung des Sachverständigen, wonach der Zeuge E erklärt habe, in diesen Situationen sei die Erblasserin dann vollständig desorientiert zur Tageszeit gewesen und nur teilweise orientiert zur Person, ist gegenüber der Protokollierung der Aussage dahingehend ungenau, dass der Zeuge die Personendesorientierung lediglich auf seine eigene Person bezogen hat und nicht auf die Person der Erblasserin selbst; dies hat der Zeuge E dann später noch einmal deutlicher dahingehend erklärt, dass die Erblasserin zur Person und zum Ort, an dem sie sich aufhielt, in diesen Situationen allerdings meistens orientiert gewesen sei. Auch die Feststellungen des Sachverständigen, der Zeuge E habe die Erblasserin als „ehemals“ elegante und auf ihr Äußeres bedachte Dame beschrieben, findet sich so in dem Wortlaut des Sitzungsprotokolls nicht. Nur in dem vorausgegangenen ärztlichen Attest des E vom 15.04.2014 (Bl. 197 f der Nachlassakte) heißt es: „Daher ist mir ein rascher und tiefgreifender Verfall einer sehr eleganten, auf ihr Äusseres bedachten und aus meiner Sicht gebildeten, eloquenten und eleganten Dame in Erinnerung“ (Sitzungsprotokoll dann: „In all diesen Jahren habe ich sie als ausgesprochen eloquente und gepflegte Person erlebt. Umso erschütternder war ihr Abbau in den letzten beiden Jahren vor ihrem Tod“). Der Sachverständige zitiert in diesem Zusammenhang aber nicht, dass der Zeuge E auch ausgesagt hat, dass die Erblasserin trotz ihrer Defizite bis zum Schluss eine „eitle Frau“ geblieben sei, die sich immer noch habe schminken lassen, und bewertet folglich auch nicht, was dieser Umstand für seine Begutachtung möglicherweise bedeuten könnte. Weiterhin findet sich in dem Gutachten beispielsweise auch keine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die von dem Zeugen E geschilderten Situationen, in denen die Erblasserin ihm unbekleidet die Tür geöffnet hat – sich nach der entsprechenden eigenen Wertung des Sachverständigen also „schamlos“ gezeigt hat – nicht lediglich auf die Situationen beschränkt war, in denen der Zeuge E dann auch eine entsprechende Desorientierung zur Tageszeit und teilweise zu seiner Person im Zusammenhang damit festgestellt hat, dass die Erblasserin zu wenig getrunken und gegessen hatte, bzw. ihr Lexotanil nicht eingenommen hatte. Für letzteren Zusammenhang sprechen jedenfalls die protokollierten Darlegungen des Zeugen. Insofern erschließt es sich dem auch Senat nicht, inwieweit dieses von dem Zeugen geschilderte Verhalten dann noch als Grundlage der weiteren gutachterlichen Ausführungen zur Diagnose eines schweren kognitiven Verfalls bei vaskulärer Demenz und – dort unausgesprochen – für die von dem Sachverständigen bejahte pathologische Persönlichkeitsveränderung bzw. als maßgebliche überdauernde Verhaltensauffälligkeit hätte herangezogen werden können. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit dieser Aussage des Zeugen findet sich in dem Gutachten jedenfalls nicht. Ein weiteres Beispiel der unsorgfältigen Begutachtung durch den Sachverständigen ergibt sich aus dessen Hinweis, der Zeuge C habe im Rahmen der Aufenthalte im Juni 2012 dokumentiert, dass sich der Zustand der Erblasserin „dramatisch“ verschlechtert habe. Auch diese Art der Bezugnahme durch den Sachverständigen wird der protokollierten Aussage des Zeugen nicht gerecht und legt nahe, dass der Zeuge insoweit auf eine generelle „dramatische“ Verschlechterung hingewiesen habe. Ausweislich des Protokolls ergibt sich demgegenüber jedoch, dass die Aussage des Zeugen C zur „dramatischen“ Verschlechterung ihres Gesamtzustandes auf den Tag der Klinikeinweisung im Juni 2012 bezogen war.

Nachfolgend hat er dann dargelegt, insgesamt wolle er aber zu dem körperlichen und geistigen Zustand der Erblasserin in diesen 6 Monaten ausführen, dass sich „ihr körperlicher Zustand und insbesondere ihre Beweglichkeit zunehmend erheblich verschlechtert“ hätten, ihr „Geisteszustand“ „schwankend“ gewesen sei.

Unsachgemäß ist es weiterhin – wie auch bereits in anderen, dem Senat bekannt gewordenen Gutachten des Sachverständigen – zur Begründung auf wissenschaftliche Quellen hinzuweisen, ohne diese im Einzelnen zu spezifizieren. So weist der Sachverständige vorliegend beispielsweise auf „Habermeier, Saß und Cording“ hin (Seite 72 des Gutachtens), oder legt dar: „Entsprechend wird man Konstellationen wie Gedächtnis, Orientierung, Urteilsvermögen und Problemlösen, gesellschaftliche Aktivitäten und Körperpflege in Anlehnung an die Clinical Dementia Rating Scale nach Berg zu diskutieren haben, wie natürlich auch das kognitiven Verfallsstadium nach Reisberg und Mitarbeitern hier eine entsprechende Wertigkeit und Wichtigkeit erhält“ (Seite 64 des Gutachtens), bzw.: „Fasst man dies nun in die Qualifikationsmerkmale der Stadien des kognitiven Verfalls nach Reisberg und Mitarbeiter und ihren klinischen Entsprechungen, so wird man hier von einem schweren kognitiven Verfall auszugehen haben“ (Seite 69 des Gutachtens). Diese Vorgehensweise verhindert es, die sachverständige Beurteilung nachvollziehen zu können, was Voraussetzung für die gerichtliche Verwertbarkeit eines Sachverständigengutachtens ist. So führte diese Unklarheit hier beispielsweise dazu, dass der Senat im Rahmen einer Internetrecherche feststellen musste, dass jedenfalls die „Reisbergskala“, die der Sachverständige hier möglicherweise in Bezug nehmen wollte, wohl Schweregrade bei einer vorliegend von dem Sachverständigen gerade verneinten Alzheimer-Krankheit beschreibt.

Weiterhin hat der Sachverständige zwar auf Seite 64 seines Gutachtens erklärt, dass es sich bei einer Demenz vom Alzheimertyp um eine solche mit chronisch-progredienter Verlaufsform handele. Zum Verlauf der von ihm im vorliegenden Fall diagnostizierten vaskulären Demenz hat der Sachverständige jedoch keinerlei Ausführungen zu deren Verlaufsform gemacht, was nach Ansicht des Senats bei dieser Diagnose zwingend erforderlich gewesen wäre. So hat beispielsweise das OLG München in seinem Urteil vom 17.07.2013 (Az. 3 U 4789/09, zitiert nach juris) auf eine dortige Sachverständigenäußerung abgestellt, wonach der dortige Sachverständige sich auch im Hinblick auf die Problematik der Beweisbarkeit einer Testierunfähigkeit mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob bei der dortigen Erblasserin eine vaskuläre Demenz möglich bzw. wahrscheinlich sei bzw. eine Mischform (zwischen vaskulärer und rein metabolisch bedingter Alzheimer-Demenz) vorliege, weil bei derartigen Konstellationen dann auch Fluktuationen möglich gewesen wären, die bedeuten würden, dass auch in einer besonders neurologisch guten Verfasstheit ein Testament hätte errichtet worden sein können. Auch der Zeuge B – immerhin auch Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie – hat in seinem Betreuungsgutachten vom 16.01.2012, festgestellt, dass bei einer vaskulären Demenz die kognitiven Defizite häufig flukturieren (S. 26 des dortigen Gutachtens, Bl. 28 der Sonderbandes).

Der vorliegende Fall bedarf auch deswegen einer besonders sorgfältigen Begutachtung, weil die möglicherweise aufgrund der vom dem Sachverständigen bejahten vaskulären Demenz der Erblasserin entstandenen Dauerveränderungen von den gegebenenfalls überlagernden oder begleitenden passageren Zusatzsymptomen (Delire, Exsikkosen, Entzugserscheinungen aufgrund Nichteinnahme des Benzodiazepins) abzugrenzen sind bzw. im Hinblick darauf, welche Symptome der Erblasserin alleine Ausdruck einer festzustellenden Dauerveränderung waren oder aber ausschließlich oder teilweise der passageren Zusatzsymptome und welche Wechselwirkungen dabei möglich waren. Gerade, da hier nach der Sachlage wohl nicht von einer sicheren dauerhaften Einnahme des Benzodiazepins und einer dauerhaften Versorgung mit ausreichend Flüssigkeit ausgegangen werden kann, bedurfte es einer wesentlich eingehenderen entsprechenden Begutachtung. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit verschiedene, der Abhängigkeits- bzw. Minderversorgungsproblematik geschuldete auffällige Verhaltensweisen der Erblasserin als solche Symptome einer überdauernden Demenz (fehl-) interpretiert worden sein könnten, und ob Letztere deswegen möglicherweise – auch von den Zeugen – als stärker wahrgenommen worden sein könnte, als sie tatsächlich bei einer ordnungsgemäßen Einnahme des Benzodiazepins und bei ordnungsgemäßer Zufuhr von Flüssigkeit gewesen ist. Diese Möglichkeit musste gerade im Hinblick auf die Ergebnisse der verschiedenen Mini-Mental-State Tests (nachfolgend: MMST) diskutiert werden, die im ersten Halbjahr 2012 bei der Erblasserin erhoben worden sind, und im Gutachten schon daher einer eingehenden Einordnung bedurft hätten (vgl. noch nachfolgend in diesem Beschluss). Dies gilt unabhängig davon, dass – worauf auch der Sachverständige hingewiesen hat – allerdings wohl tatsächlich keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Testaments am 18.10.2012 unter den von dem Gutachter allgemein dargestellten schweren Absatzphänomenen gelitten haben dürfte, da diese dann ohne weiteres dem beurkundenden Notar, dem Zeugen Klein, hätten auffallen müssen.

Es reicht also nicht aus, wenn der Sachverständige, ohne auf die zuvor dargelegten Besonderheiten einzugehen, in diesem Zusammenhang auf Seite 70 seines Gutachtens erklärt, dass neben der Demenz natürlich im Rahmen der persönlichen Mangelversorgung es immer wieder zu akuten gesundheitlichen Verschlechterungen gekommen sei durch mangelhafte Flüssigkeitszufuhr und dann daraus resultierenden akuten Verwirrtheitszuständen und deliranten Symptomen, in Verbindung dann auch mit der Benzodiazepin Entzugssymptomatik. Genauso wenig reicht seine Feststellung aus, diese Auffälligkeiten hätten „natürlich vom dementiellen Syndrom abgegrenzt werden“ müssen, weshalb „die unterschiedlichen Betrachtungsebene jeweils hier diskutiert worden“ seien. Die entsprechenden Feststellungen des Sachverständigen beziehen sich jeweils gesondert auf die einzelnen „Betrachtungsebenen“, ohne mögliche Überschneidungen und deren Auswirkungen auf das Gutachtenergebnis zu problematisieren. Dies gilt im Übrigen auch hinsichtlich einer Abgrenzung zu einer Altersdepression, die wiederum in ihren Auswirkungen möglicherweise Einfluss auf die bei der Erblasserin wahrgenommenen Verhaltensänderungen haben konnte, was jedoch ohne gründliche sachverständige Begutachtung durch ein Gericht nicht beurteilt werden kann. Jedenfalls der Zeuge E hat in seiner Vernehmung angegeben: „Im Nachhinein würde ich auch sagen, dass sie (die Erblasserin) an einer Depression gelitten hat. Sie hat ihren Lebensmut immer wieder mal verloren.“. Auch in seinem schriftlichen Attest vom 15.04.2014 (Bl. 195 d.A.) hatte dieser Zeuge dargelegt: „Ihren Lebensmut hatte aus meiner Sicht Frau I bereits zwei Jahre zuvor verloren und schon damals hat die Patientin immer wieder notwendige ärztliche Untersuchungen verweigert und auf den Wunsch nach einem eher palliativ orientierten medizinischen Konzept hingewiesen“. Der Sachverständige setzt sich jedoch auch hier nicht damit auseinander, inwieweit von den Zeugen geschilderte Umstände und Verhaltensweisen der Erblasserin, die dann im Gutachten wiederum zur Begründung der mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit angenommenen Testierunfähigkeit der Erblasserin herangezogen worden sind, auch durch die möglicherweis vorliegende Altersdepression bestimmt gewesen sein können und dann als Ausdruck einer fortschreitenden demenziellen Entwicklung (fehl-) interpretiert worden sein können.

Wie oben bereits dargelegt, wäre es im vorliegenden Fall auch erforderlich gewesen, die Ergebnisse der verschiedenen MMST, die im ersten Halbjahr 2012 von der Erblasserin erhoben worden sind, eingehender zu berücksichtigen und einzuordnen.

So ergibt sich ein Wert von 21 Punkten des MMST im Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 16.01.2012 aufgrund einer Untersuchung am 11.01.2012 (S. 16 dieses Gutachtens, Bl. 18 des Sonderbandes; dort im Ergebnis als mittelschweres hirnorganisches Psychosyndrom bewertet, in der Aussage des Zeugen B in der Vernehmung vor dem Nachlassgericht dann jedoch als „leichtes jedoch eher mittelschweres hirnorganisches Psychosyndrom“ bewertet).

Weiterhin ergibt sich aus dem Bericht des Zentrums für Internistische und Geriatrische Medizin (Mobile Rehabilitation der Erblasserin vom 31.01. bis 15.03.2012) vom 15.03.2012 an den Hausarzt der Erblasserin, den Zeugen E, das Ergebnis eines weiteren MMST bei dortiger Aufnahme von 26 Punkten (Bl. 99, 100 des Sonderbandes). Dabei fällt auf, dass der Sachverständige nicht einmal im Rahmen seiner Aktenzusammenfassung dieses Testergebnis erwähnt hat, was ebenfalls für eine unsorgfältige Untersuchung spricht.

Aus dem Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 12.06.2012 aufgrund einer Untersuchung am 04.06.2012 ergibt sich dann ein Wert von 27 Punkten (S. 9, 10 dieses Gutachtens, Bl. 48, 49 des Sonderbandes; in der Aussage des Zeugen B vor dem Nachlassgericht dann: „…weshalb ich von meiner Diagnose her ein nunmehr nur noch leichtes hirnorganisches Psychosyndrom auf der Grundlage einer vermutlich vaskulären Ursache annahm“; bei der dortigen Untersuchung sprach im Übrigen auch der Uhrentest nach Shulmann für das Vorliegen eines leichtgradigen hirnorganischen Psychosyndroms).

Aus dem Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 18.06.2012 aufgrund einer Untersuchung am 14.06.2012 ergibt sich dann ein Wert von 21 Punkten (S. 12 dieses Gutachtens, Bl. 73 des Sonderbandes, dort bezeichnet als leichtes bis mittelgradiges hirnorganisches Psychosyndrom).

Letztlich ergibt sich aus dem Arztbrief der Klinik2 vom 21.06.2012 unter Bezugnahme auf eine Erhebung vom 20.06.2012 ein entsprechender Wert von 24 Punkten (Bl. 84 ff des Sonderbandes).

Unter Berücksichtigung allgemein zugänglicher Quellen, die der Senat hier mangels entsprechender Angaben des Sachverständigen in seinem Gutachten zu Rate ziehen musste, ist jedenfalls davon auszugehen, dass erst bei Punktwerten im MMST von unter 18 ein Anhalt für das Vorliegen einer mittelschweren Demenz geben ist, und erst bei Punktwerten von 26 oder darunter für das Vorliegen einer leichten Demenz.

Auch wenn – was der Senat wiederum mangels jeglicher entsprechender Auseinandersetzung im vorliegenden Gutachten aus dem Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 16.01.2012 (a.a.O.) entnommen hat – ein MMST bei vaskulären Demenzen möglicherweise nicht so gut zur Einschätzung der Demenz geeignet sein könnte, wie bei einer Demenz vom Alzheimer Typ, bewegen sich diese Werte, die auch von dem Zeugen B letztlich trotz auch von ihm schon vermuteter Diagnose einer vaskulären Demenz erhoben worden sind, sämtlich im Bereich einer lediglich leichten Demenz; selbst die zeitnah zu den aufgrund eskalierter Ereignisse erfolgten Krankenhausaufnahmen im Dezember 2011 und Juni 2012 erhobenen Werte liegen noch bei 21 Punkten.

Gerade auch der Umstand, dass sich die Testergebnisse zwischenzeitlich immer wieder auf einen Stand von 24, 26 und 27 Punkten verbessert haben, hätte einer besonderen Erläuterung durch den Sachverständigen im Hinblick auf die von ihm bejahte dementielle Entwicklung mit einem „schwerem kognitiven Verfall“ bedurft (vgl. in diesem Zusammenhang auch OLG Hamm, Beschluss vom 13.12.2013, Az. 10 W 114/12, zitiert nach juris, Rn. 30, wo der dortige Sachverständige erklärt hat, es sei auffällig, dass die dortige Erblasserin ihr Testergebnis im Vergleich zum Jahr 2007 sogar verbessert habe, was mit einem normalen Demenzverlauf nicht zu erklären sei).

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass jedenfalls nach der Rechtsprechung bei Vorliegen einer mittelgradigen vaskulären Demenz mit erheblicher Störung des Kurzzeitgedächtnisses und des Zusammenhang orientierten Denkens eine Testierunfähigkeit bejaht worden ist (BayObLG, Beschluss vom 30.06.2005, Az.: 1Z BR 100/04, zitiert nach juris; entsprechend zur mittelgradigen Demenz vom Alzheimertypus mit Phasen der Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit: OLG München, Urteil vom 17.07.2013, Az.: 3 U 4789/09, zitiert nach juris). Das OLG Düsseldorf weist in ständiger Rechtsprechung allerdings darauf hin, dass alleine vom Vorliegen einer Demenzerkrankung auch mittleren Grades nicht ohne weiteres auf eine Testierunfähigkeit geschlossen werden könne (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.11.2010, Az. I-3 Wx 40/10, m.w.N., und Beschluss vom 04.04.2014, Az.: I-3 Wx 115/13, jeweils zitiert nach juris). Entsprechend weist Weidlich in Palandt, 76. Aufl., 2017, § 2229, Rn. 9, darauf hin, es sei nur eine grobe Faustregel, dass eine mittelschwere Demenz eine durchgehende Testierunfähigkeit bedinge und verweist insoweit auf Cording, ZEV 2010, 115, ff, 116, der weiterhin darlegt, es sei ein Missverständnis, dass nur ab einer mindestens mittelschweren Demenz Testierunfähigkeit angenommen werden könne, dann aber stets, und der weiterhin darauf hinweist, dass es letztlich immer auf die individuelle Psychopathologie ankomme, also auf die zweite Beurteilungsebene. Demgegenüber weisen Wetterling u.a. (ZEV 1995, 46 ff, 47, 48) darauf hin, dass eine Testierunfähigkeit bei einer mittelschweren Demenz als gegeben anzunehmen sei, da bei diesem Grad des Gedächtnisverlustes bzw. von Beeinträchtigung der intellektuellen Fähigkeiten davon auszugehen sei, dass der Betroffene nicht mehr uneingeschränkt in der Lage sei, einen Willen zu bilden, aufgrund der intellektuellen Beeinträchtigungen nur noch eingeschränkt in der Lage sei, die Tragweite der letztwilligen Verfügung zu erfassen und deren Auswirkungen auf die Betroffenen zu berücksichtigen, auf fremde Hilfe angewiesen und mit seinem Urteil nicht mehr frei von Einflüssen Dritter sei, wobei daneben bei der Beurteilung auch Persönlichkeitsveränderungen und die Einschränkung lebenspraktischer Fähigkeiten zu berücksichtigen seien. Auch Venzlaff/Förster (Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl., Seite 517) gehen davon aus, dass dann, wenn ein leichtes demenzielles Syndrom vorliege, die Voraussetzungen für die Annahme von Testierunfähigkeit nicht gegeben seien, es sei denn, es lägen zusätzliche psychopathologische Auffälligkeiten vor, etwa im affektiven Bereich oder es bestehe eine Wahnsymptomatik, während bei einem mittelschweren wie bei einem schweren dementiellen Syndrom von einer Testierunfähigkeit auszugehen sei. Das OLG Bamberg (Beschluss vom 22.05.2015, Az. 4 W 16/14, zitiert nach juris) kam zu dem Ergebnis, dass bei einer vaskulären Demenz in einer mittelgradigen bis schweren Ausprägung eine freie Willensbildung nicht mehr möglich gewesen sei und nimmt dabei auch Bezug auf das dort eingeholte Sachverständigengutachten, wonach bei einem leichten Ausprägungsgrad der Demenz aus forensisch-psychiatrischer Sicht in der Regel von Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit ausgegangen werden könne, bei einer mittelschweren Ausprägung der dementiellen Erkrankung sich jedoch Überlegungen in Richtung einer Testierunfähigkeit ergäben, wobei es auf das Ausmaß der kognitiven Einschränkungen ankomme, die eine eigenständige Lebensführung ohne Hilfe nicht mehr gestatten würden und die vielfach mit Desorientierung einhergingen.

Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass der Schweregrad einer Demenz nur eine Faustregel für das Vorliegen von Testierunfähigkeit bilden könnte und vorliegend eine vaskuläre Demenz diagnostiziert worden ist, hält es der Senat, schon aus dem oben dargelegten Grund für erforderlich, dass sich der Sachverständige eingehender mit dem Schweregrad der von ihm angenommenen vaskulären Demenz auseinandergesetzt hätte, gerade im Hinblick auf die durchgehende Vielzahl der entsprechenden Befunderhebungen durch MMST.

Dies gilt auch deswegen, weil der Sachverständige im Rahmen seiner Begutachtung zur „zweiten Beurteilungsebene“, also der Auswirkungen der von ihm festgestellten Störungen auf die Freiheit der Willensbestimmung der Erblasserin, gerade auch auf die Schwere der von ihm bejahten Ausprägungen des Krankheitsbildes der Erblasserin abgestellt hat.

Die gilt beispielsweise im Rahmen der auf der derzeitigen Gutachtengrundlage für den Senat nicht nachvollziehbaren, vom Sachverständigen bejahten „erheblichen Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen“ der Erblasserin (S. 78 bis 80 des Gutachtens). Dort hat der Sachverständige selbst ausdrücklich gerade darauf hingewiesen, dass bei Vorliegen eines „lediglich leichten dementiellen Syndroms“ sicherlich noch von einer Erhaltung und Urteilsfähigkeit des Betroffenen ausgegangen werden könne, die einer Testierunfähigkeit entgegenstehe (S. 78 des Gutachtens).

Eine Einordnung der sämtlich im Bereich einer lediglich leichten Demenz bzw. an der Grenze zu einer leichten Demenz liegenden MMST Ergebnisse erfolgt jedoch nicht.

In diesem Zusammenhang weist der Sachverständige dann weiterhin darauf hin, dass sich entsprechend der Aussage des Zeugen E „Veränderungen ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit und damit auch Störungen ihrer Aufmerksamkeit und ihres Gedächtnisses bereits im Jahr 2010 hätten darstellen lassen“ und weiterhin, dass spätestens im Dezember 2011 mit der stationären Einweisung in die Klinik1 dann mit der „Diagnosestellung einer Demenz“ eindeutig auch Aufmerksamkeits- und insbesondere auch Gedächtnisstörungen dokumentiert worden seien.

Weiterhin weist er dann auf eine deutliche Verbesserung ihres Zustandes hin, wobei er wohl auf die Ausführungen des Zeugen B in dessen Vernehmung und auch in dessen Betreuungsgutachten vom 12.06.2012 abstellt, ohne dies an dieser Stelle deutlich zu machen. Worauf sich dann allerdings die unmittelbar nachfolgende Feststellung des Sachverständigen: „…was aber nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass nach wie vor eine ausgeprägte demenzielle Symptomatik ihren Fortbestand hatte“ stützt, bleibt völlig im Unklaren und wird nicht erläutert. Dies gilt auch für seine weitere Feststellung, es dürfe „…somit mit Fug und Recht aus psychiatrischer Sicht bezweifelt werden, dass Frau I tatsächlich den Inhalt des von ihr unterschriebenen Testaments tatsächlich verstanden und nachvollzogen hat. Dies setzt eine kognitive Leistungsfähigkeit voraus, die in Sichtung und Wertung der zur Verfügung gestellten Daten im Rahmen der gefundenen Beeinträchtigungen und Defiziten so nicht hatte gehalten werden können“. Gerade im Hinblick auf den von dem Sachverständigen behaupteten Fortbestand einer „ausgeprägten demenziellen Symptomatik“ findet sich auch hier keinerlei Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der oben genannten MMST.

Auch soweit der Sachverständige von einer krankheitsbedingten schweren Persönlichkeitsstörung der Erblasserin ausgeht, sind die diesbezüglichen Ausführungen im Gutachten (S. 81, 82 des Gutachtens) unzureichend. Diese Ausführungen belegen nicht, dass bei der Erblasserin gerade als Ausdruck und in Folge der von dem Sachverständigen diagnostizierten vaskulären Demenz eine solche schwere Persönlichkeitsstörung bestand. Auch hier zeigt sich die schon oben aufgezeigte Problematik der fehlenden Abschichtung der von dem Sachverständigen diagnostizierten verschiedenen Krankheitsbilder und deren möglicher Symptome. So wird beispielsweise nicht deutlich, ob die von den Zeugen wahrgenommenen Aggressionen der Erblasserin ihre Ursache in einem demenziellen Prozess oder auch/nur in der offensichtlich immer wieder vorkommenden Nichteinnahme des Benzodiazepins oder der immer wieder einmal eingetretenen Zustände aufgrund Mangelversorgung (Exsikkosen) haben konnten. Gerade, wenn man berücksichtigt, dass selbst nach den Darlegungen des Sachverständigen schwere Absatzsymptome von Benzodiazepinen mit Verwirrtheit und psychotischen Entgleisungen einhergehen, also vielleicht auch Enthemmungen oder Euphorisierungen nach sich ziehen konnten, kann der Senat ohne entsprechende gründliche gutachterliche Feststellungen nicht ausschließen, dass auch darin die Ursache für die von Gutachter und Amtsgericht als feststehend angenommene schwere ausgeprägte Persönlichkeitsveränderung der Erblasserin liegen könnte. Jedenfalls erschließt sich das Vorliegen einer auf einer vaskulären Demenz der Erblasserin beruhenden überdauernde Persönlichkeitsänderung der Erblasserin in Abgrenzung zu lediglich jeweils vorübergehenden Verhaltensepisoden nicht.

Hierbei ist es auch nicht ausreichend, wenn der Sachverständige ohne weitere Darlegungen im Einzelnen lapidar erklärt, es seien Beschuldigungen und Vorwürfe getätigt worden, die den biografisch gewachsenen Fundus der Erblasserin ad absurdum führten und ein sinnhaftes und konstruktives Auseinandersetzen mit ihrer Person und konstruktive Reproduktion biografisch gewachsener Überzeugungen und persönlicher Wertvorstellungen eben nicht mehr möglich gewesen seien. Zwar hat der Zeuge E zunächst mitgeteilt, dass die Erblasserin bereits im Jahr 2011 auch ihm gegenüber zunehmend aggressiv geworden sei und selbst ihm gegenüber vermutet habe, dass er ihr gegenüber negativ gesinnt sei, sie gegebenenfalls sogar einsperren wollte und dieses Misstrauen anderen Menschen gegenüber immer mehr zugenommen habe. Weiterhin hat der Zeuge E auch mitgeteilt, die Erblasserin habe sich im …heim nicht wohl gefühlt und den Pflegekräften misstraut, die ihrerseits erklärt hätten, es sei mit der Erblasserin sehr schwierig gewesen. Er hat aber weiterhin auch mitgeteilt, die Erblasserin sei sehr schwer führbar gewesen und ihr größter Wunsch sei es gewesen, wieder zurück nach Hause zu kommen. Sie habe invasive ärztliche Maßnahmen abgelehnt und habe gerne in ihrer kurz zuvor noch gekauften eigenen Wohnung irgendwann einmal sterben wollen. Der Senat kann im Hinblick auf die nicht ausreichend differenzierten und tiefgehenden Ausführungen des Sachverständigen nicht ausschließen, dass die geschilderten Verhaltensweisen der Erblasserin und das geschilderten Misstrauen zum einen darauf beruhten, dass sie sich nach dem besonderen und wohl auf unzureichender Flüssigkeitszufuhr und daraus resultierender Exsikkose beruhenden massiven Ereignis im Dezember 2011 in einer für sie ganz neuen Lage befand (Anordnung einer gesetzlichen Betreuung, Pflegeheimaufenthalt). Dies hatte sie – möglicherweise auch auf Basis einer jedenfalls beginnenden dementiellen Entwicklung – zu verarbeiten, und es ist nicht auszuschließen, dass sie dies durch ein Verhalten kompensiert hat, das die bisher mit ihr vertrauten Personen in dieser Form vielleicht noch nicht erlebt hatten, da die Erblasserin sich ja auch noch nicht in ein einer derartigen Ausnahmesituation befunden hatte. Der Senat kann auf vorliegender Gutachtengrundlage auch nicht ausschließen, dass sich auch die von dem Zeugen E für den Zeitraum des Aufenthaltes der Erblasserin im …heim geschilderten abfälligen Bemerkungen über ihre Verwandtschaft und auch in Bezug auf seinen eigenen Vater sowie das von ihm dort als ausgesprochen aggressiv empfundene untypische Verhalten der Erblasserin eben auf Grundlage dieser außergewöhnlichen Situation ergeben haben, oder aber beispielsweise wiederum (auch) als Folge, der auch vom dem Sachverständigen gestellten Zusatzdiagnosen. Auf Basis des vorliegenden Gutachtens ist aber auch nicht feststellbar, inwieweit sich eine möglicherweise schon vor dem außergewöhnlichen Ereignis im Dezember 2011 steigernde Aggression der Erblasserin bzw. steigendes Misstrauen anderen Menschen gegenüber nicht – zumindest auch – jeweils als Folge der nicht regelmäßigen Einnahme ihres Benzodiazepins, gegebenenfalls in Verbindung mit unzureichender Flüssigkeitszufuhr und Nahrungsaufnahme dargestellt hat. So hat jedenfalls der Zeuge E erklärt, er habe, wenn die Erblasserin ihr Schlafmittel dann in seiner Gegenwart eingenommen habe und zusätzlich auch etwas getrunken hatte, bzw. er ihr auch zu Hause intravenös Flüssigkeit zugeführt hatte, regelmäßig zuschauen können, wie sich ihr jeweiliger Zustand wieder verbessert habe. Weiterhin hat er erklärt, die Erblasserin sei in diesen Situationen auffällig unruhig und auch verwirrt gewesen, wobei sich nicht ganz trennen lasse, ob eine Exsikkose zusätzlich noch mit hineingespielt habe und ihre Sprache sei dann verwaschen und ihr Verhalten aggressiv gewesen.

Weiterhin ist im Hinblick auf die von dem Sachverständigen angeführten „Beschuldigungen und Vorwürfe“ der Erblasserin gegenüber ihr vertrauten Personen, die möglicherweise auch als Symptom eines sich steigernden Misstrauens angesehen werden könnten, jedenfalls der gegenüber dem Zeugen C erhobene Vorwurf der Erblasserin „irgendwelche Wertgegenstände aus ihrer Wohnung entwendet zu haben“, zu relativieren. Dieser Zeuge hatte diesen Vorwurf zunächst aus seiner Sicht als völlig absurd bezeichnet, die Erblasserin habe sich aber nicht davon abbringen lassen. Nachfolgend hat dieser Zeuge jedoch eingeräumt, dass er aus der Wohnung der Erblasserin, ohne diese vorab zu fragen, tatsächlich ein Domino-Spiel und eine Glasvase mitgenommen hat, die seine Schwiegermutter für seine beiden Söhne vorgesehen gehabt habe.

Er habe diese Gegenstände mitgenommen, um sie seinen Söhnen zu geben. Als dies von der Erblasserin bemerkt worden sei, sei es zum Streit zwischen ihm und der Erblasserin gekommen, und er habe ihr diese Gegenstände deshalb wieder zurückgegeben. Aus seiner Sicht sei ihr nicht vermittelbar gewesen, warum er diese Gegenstände mitgenommen habe. Mit diesem Umstand setzt sich der Sachverständige schon nicht konkret auseinander. Jedenfalls kann aus diesem Geschehen nicht auf eine unberechtigte Beschuldigung oder einen unberechtigten Vorwurf der Erblasserin geschlossen werden, der darauf schließen lässt, dass der Erblasserin eine Auseinandersetzung mit gewachsenen Überzeugungen und persönlichen Wertvorstellungen nicht mehr möglich gewesen ist. Auffällig ist dann zwar der weitere konkrete, diesbezügliche und von dem Zeugen E geschilderte Vorfall mit dem ihm von der Erblasserin zur Geburt seines Sohnes geschenkten Teddybär, den die Erblasserin kurz danach gegenüber der Mutter des Zeugen zurückgefordert haben soll, mit der Behauptung, der Zeuge habe bei seinem Besuch einen Teddybär mitgenommen, in dem sie ihren gesamten Schmuck versteckt gehabt habe. Allerdings ist insoweit auch zu berücksichtigen, dass es durchaus möglich ist, dass die Erblasserin ihren Schmuck tatsächlich nicht finden konnte, von dem der Beteiligte zu 2) gegenüber dem Nachlassgericht erklärt hat, dieser sei möglicherweise in einem Sitzkissen versteckt gewesen. Es kann daher ohne eine gründliche sachverständige Bewertung nicht ausgeschlossen werden, dass die Erblasserin dann in einer Aufregung – möglicherweise eben auf Grundlage einer beginnenden oder nur leicht ausgeprägten Demenz – einen entsprechenden Vorwurf aufgrund einer Verwechslung erhoben hat. Ohne eine gründliche sachverständige Bewertung kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass auch dieser Vorwurf beispielsweise im Zusammenhang mit einer psychischen Entgleisung im Rahmen der bekannten Entzugsproblematik stand. Jedenfalls reicht die bisherige Sachlage insgesamt nicht aus, um sicher feststellen zu können, dass die auch vom Nachlassgericht auf Gutachtengrundlage angenommenen „Schuldzuweisungen und Feindseligkeiten Dritten gegenüber“ in einem Umfang vorgelegen haben, der auch dauerhaft und nicht nur sporadisch den „biographisch gewachsenen Fundus“ der Erblasserin „ad ab absurdum“ geführt hat.

Im Übrigen dürfte in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen sein, dass der Zeuge C die Erblasserin schon von Beginn an als sehr auf sich selbst bezogen erlebt haben will. Sie habe mit der Familie eigentlich nicht viel im Sinn gehabt und eigentlich nur ein gutes Verhältnis zu ihrer Schwester, seiner Ehefrau gehabt. Die Erblasserin sei daher von seiner Betreuerbestellung nicht wirklich begeistert gewesen. Trotzdem hat die Erblasserin den Zeugen C dann aber nach dessen Aussage von Anfang 2012 bis Mitte 2012 etwa drei oder viermal bei ihr im Wohnzimmer auf einer Luftmatratze für einige Tage übernachten lassen. Weiterhin hat sie sich gegenüber dem Zeugen B bei ihrer Untersuchung am 04.06.2012 in ihrer Wohnung ausdrücklich mit einer weiteren Betreuung durch den Zeugen C einverstanden erklärt, genauso wie auch bei der Anhörung durch den Betreuungsrichter J am 20.06.2012 (Anhörungsprotokoll, Bl.59 des Sonderbandes). Auch diese Umstände hätten vom dem Sachverständigen an dieser Stelle eingeordnet werden müssen, da sie doch möglicherweise dafür sprechen könnten, dass die Erblasserin sehr wohl noch Zugang zu ihrem „biographisch gewachsenen Fundus“ hatte. Jedenfalls ist es denkbar, dass sie dem Ereignis der von dem Zeugen C geschilderten Wegnahme von Gegenständen im Ergebnis keine entscheidende Bedeutung mehr beigemessen hat.

Schon aus diesen Darlegungen ergibt sich, dass auch die von dem Sachverständigen für die Erblasserin bejahten „durchgängigen“ „wahnhaften Realitätsverkennungen, Sinnestäuschungen“ (S. 83 des Gutachtens) ebenfalls einer wesentlich eingehenderen Begutachtung als erfolgt bedurft hätten.

Weiterhin ist im Zusammenhang mit der von dem Sachverständigen und dem Amtsgericht angenommenen schweren Persönlichkeitsveränderung der Erblasserin auch nicht zu erkennen, dass beispielsweise persönliche Wertvorstellungen der Erblasserin im Hinblick auf ihre Urteilsfähigkeit als Basis eines kritischen Abwägenkönnens des Für und Wider dauerhaft pathologisch eingeschränkt waren (S. 84, 85 des Gutachtens).

Insoweit ist insbesondere nicht zu erkennen, auf welche Tatsachen sich die Bemerkung des Sachverständigen gründet: „Hinweisend auf eine solche Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit ist auch eine mangelnde Einsicht an Krankheit“. Dass eine mangelnde Krankheitseinsicht generell einen Hinweis auf einen – möglicherweise krankheitsbedingten – Verlust der Urteilsfähigkeit eines Erblassers darstellen kann, liegt sicherlich nahe. Dass und wieso jedoch gerade die Erblasserin eine solche mangelnde Krankheitseinsicht hatte, begründet der Sachverständige nicht. Hier ist darauf hinzuweisen, dass sich schon aus dem Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 12.06.2012 (a.a.O.) ausdrücklich ergibt, dass der Erblasserin selbst bewusst sei, dass sie vor allem hinsichtlich der finanziellen Angelegenheiten sowie der Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten einer betreuenden Unterstützung bedürfe, und sie selbst ausdrücklich erklärt habe, weiterhin Hilfen in diesem Bereich zu brauchen. Insofern erschließen sich auch die Ausführungen des Sachverständigen, wonach sich bei der Erblasserin eine „massive Deffizienz“ in der „realistischen Bewertung ihrer aktuellen gesundheitlichen Situation“ ergeben habe nicht, jedenfalls aber nicht in Bezug auf eine entsprechende Dauerveränderung. Selbst bei der nachfolgenden Begutachtung der Erblasserin am 14.06.2016 im Betreuungsverfahren durch den Zeugen B, nach deren geschlossener Unterbringung in den Kliniken2 in Stadt1, hat sie ausweislich dessen Gutachtens vom 18.06.2012 (a.a.O.) diesem gegenüber erklärt, sie glaube, wenn sie zu wenig trinke, sei sie im Kopf nicht mehr ganz klar. Weiterhin hat sie dort erklärt, dass ihr Betreuer, der Zeuge C, wolle, dass sie in eine Heimeinrichtung, das …stift in Stadt1 einziehe, da er glaube, dass sie es alleine zu Hause nicht mehr schaffe, und sie glaube mittlerweile selbst, dass er möglicherweise Recht habe. Ihr Hausarzt würde dieses Heim ebenfalls betreuen, was ihr Recht wäre und sie sehe auch ein, dass sie wegen ihrer körperlichen Gebrechen Hilfe brauche. Weiterhin hat sie eingeräumt, dass ihr Schwager, also der Zeuge C, ihr gesagt habe, dass sie nach diesem geschlagen habe, sie sich daran jedoch nicht mehr erinnern könne. Am liebsten würde sie eigentlich hier in der Klinik bleiben, es sei ihr jedoch auch bewusst, dass dies nicht gehe. Auch gegenüber dem Betreuungsrichter hat die Erblasserin ausweislich dessen Vermerks vom 27.06.2012 (Bl. 59 des Sonderbandes) am 20.06.2012 erklärt, sie würde ja lieber wieder in ihrer eigenen Wohnung leben, könne aber einsehen, dass dies im Moment jedenfalls nicht das Richtige für sie sei, und dass sie es grundsätzlich für richtig und sinnvoll halte, weiterhin einen gesetzlichen Betreuer im Umfange des bisherigen Aufgabenkreises zu haben. Sie könne selbst nicht ausschließen, dass es bei ihr wieder zu Phasen komme, in denen es ihr schlechter gehe. Dann solle ein gesetzlicher Betreuer in der Lage sein, schnell und zuverlässig zu handeln. Auch die Aufgabenkreise Wohnungsangelegenheiten und Organisation ambulanter Hilfen sollten bestehen bleiben, da es ihr mittelfristiges Ziel sei, doch wieder eine eigene Wohnung inne zu haben. Sie habe im Ergebnis nichts dagegen, wenn ihr Schwager, der bisherige vorläufige Betreuer (also der Zeuge C) dauerhaft ihr gesetzlicher Betreuer werde. Sie bevorzuge allerdings dessen Sohn, ihren Neffen (also den Beteiligten zu 2), welcher diesbezüglich vom Gericht zunächst einmal befragt werden solle. Auch die Zeugin D berichtete, die Erblasserin habe ihr gegenüber in einem Telefonat erklärt, dass sie zwischenzeitlich sehr misstrauisch gegenüber anderen Personen geworden sei, und dabei konkret auf die Haushälterin L aber auch den Betreuer Herrn K hingewiesen habe (zunächst eingesetzter vorläufiger gesetzlicher Betreuer). Auch diese Umstände sind von dem Sachverständigen im Hinblick auf eine noch mögliche Selbstreflektion der Erblasserin sämtlich nicht bewertet worden.

Schon diese aktenkundigen Feststellungen, mit denen jedenfalls innerhalb des vorgelegten Sachverständigengutachtens eine wertende Auseinandersetzung nicht stattgefunden hat, begründen durchgreifende Zweifel an der vom Sachverständigen diagnostizierten „massiven Defizienz … in der realistischen Bewertung ihrer aktuellen gesundheitlichen Situation“ .

Aus welchen sonstigen Tatsachen sich die von dem Sachverständigen für die Erblasserin im Übrigen bejahte mangelnde Urteilsfähigkeit ergeben könnte, zeigt der Sachverständige nicht auf. Der Sachverständige hat ergänzend lediglich pauschal behauptet, die von der Erblasserin an den Tag gelegten Verhaltensauffälligkeiten, mündend in der Unterschriftsleistung unter dem Testament am 18.10.2012, zeigten, dass hier ihre persönliche Kritik- und Urteilsfähigkeit derart massiv ausgeprägt sei, dass man hier von einem Fehlen einer realen Urteilsfähigkeit habe ausgehen können. Der Umstand der Unterschriftsleistung selbst kann entgegen der Ansicht des Sachverständigen aber sicherlich nicht als derartige Verhaltensauffälligkeit bezeichnet werden, da das fragliche Testament keinen derart abstrusen Inhalt hat, für den man einen solchen Schluss möglicherweise hätten ziehen können.

Weitere entsprechende Verhaltensauffälligkeiten, die den für die von dem Sachverständigen zur Bejahung der von ihm angenommenen „massiven“ Beeinträchtigung der Urteilsunfähigkeit angeführten erheblichen Verlust an Kritik- und Introspektionsfähigkeit der Erblasserin belegen könnten, hat der Sachverständige nicht angegeben.

Auch die Ausführungen des Sachverständigen zu der von ihm für die Erblasserin bejahten pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit, auf die sich das Nachlassgericht ebenfalls stützt, sind unzureichend (S. 80, 81 des Gutachtens). Allerdings wird man davon auszugehen haben, dass testierunfähig auch derjenige ist, der krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln, wobei es einer Abgrenzung zu normal psychologisch wirksamen Einflüssen Dritter bedarf, wie sie üblicherweise in die eigenständige Urteilsbildung eingehen.

Dabei soll entscheidend sein, ob die Freiheit des Willensentschlusses gewahrt bleibt und ob Fremdeinflüsse das Gewicht einer pathologischen Determinanten erhalten, der gegenüber eine kritische Distanz, Abwägung und eigenständige Gegenvorstellung nicht mehr möglich ist, bzw. nicht mehr handelnd verwirklicht werden kann. Dies soll bei ausgeprägten Demenzen meist nicht mehr der Fall sein (vgl. insgesamt Cording, ZEV 2010, 115 ff, 119). Dabei weist Cording (a.a.O.) darauf hin, dass eine derartige abnorme Fremdbeeinflussbarkeit sich wesentlich über eine erhöhte emotionale Ansprechbarkeit bei reduziertem kognitiven Kontrollvermögen vermittele, wobei typisch eine disproportional überschießende Dankbarkeit für relativ kleine Gefälligkeiten sei, oder eine Vertrauensseligkeit und die Tendenz, rasch pseudofamiliäre Beziehungskonstellationen herzustellen, und die konventionelle soziale Distanz z.B. gegenüber Pflegepersonen oder Fremden nicht mehr so einhalten zu können, wie dies der prämorbiden Persönlichkeit entsprochen habe. Bei der Beurteilung einer pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit gehe es danach im Übrigen nicht um die Frage, ob tatsächlich irgendein Dritter bewusst versucht habe, den Testator zu beeinflussen, sondern um die Fähigkeit des Testators, etwaigen Beeinflussungen durch kritisches Infragestellen, innere Distanznahme und vernünftiges Abwägen zu begegnen und gleichwohl eine eigenständige, freie Entscheidung treffen zu können.

Gemessen an diesen Voraussetzungen lassen die Ausführungen des Sachverständigen hier nicht erkennen, welche Tatsachen der von ihm angenommenen pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit der Erblasserin zugrunde liegen. Soweit der Sachverständige insoweit auf ein von der Erblasserin „an den Tag“ gelegtes „pathologisches Misstrauen“ abstellt, „in dessen Folge ganz offensichtlich eine kritische Realitätsprüfung nicht mehr möglich war, festhaltend an ihren Denk- und Wahrnehmungsvorstellungen“, ist schon vom Ansatz her nicht ersichtlich, inwieweit ein derartiges Misstrauen überhaupt für das Vorliegen einer derartigen pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit und nicht gerade gegen eine solche spricht. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass der Akteninhalt auch dafür spricht, dass es gerade die Erblasserin war, die letztlich die Entscheidungen darüber getroffen hat, wo sie leben wollte und dies auch entsprechend durchgesetzt hat (teilweise vielleicht auch mit Unterstützung durch den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1]; aus dem Attest des E vom 15.04.2014, Bl. 197 der Nachlassakte, ergibt sich in diesem Zusammenhang: „Soweit mir heute in Erinnerung ist, hat Frau I laut ihrer eigenen damaligen Aussage mit Hilfe mir namentlich und persönlich nicht bekannter dritter Personen einen Anwalt zur Anfechtung der aus meiner Sicht damals angebrachten gesetzlichen Betreuung eingeschaltet“). Für eine nach wie vor verbliebene Durchsetzungskraft der Erblasserin spricht unter anderem der Inhalt des Schreibens des Zeugen C an das Betreuungsgericht vom 03.04.2012, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 37 des Sonderbandes). Aus diesem ergibt sich, dass es die Erblasserin war, die ihre Rückkehr aus dem Pflegheim in ihre Wohnung gewollt und dann auch erreicht hat. Auch die Aussage des Zeugen C, wonach sein Sohn (der Beteiligte zu 2) sich für die Erblasserin um eine mögliche Seniorenresidenz in Berlin gekümmert habe, worüber diese zunächst sehr begeistert gewesen sei, sie aber dann, nachdem sie festgestellt habe, wie viele ihrer Kleidungsstücke sie nur habe mitnehmen können, plötzlich ablehnend reagiert habe, könnte für eine erhaltene Selbstbestimmtheit der Erblasserin sprechen.

Wie gesagt, legt der Sachverständige auch nicht offen, welche Tatsachen für ihn zur Bejahung des angeblich „pathologischen Misstrauens“ der Erblasserin maßgeblich waren. Es fehlt auch an jeglicher Auseinandersetzung mit den oben bereits vom Senat angeführten besonderen diesbezüglichen Umständen des vorliegenden Falles.

Auch soweit der Zeuge B bereits in seinem Betreuungsgutachten vom 16.01.2012 (a.a.O.) auf eine erhöhte Suggestibilität der Erblasserin hingewiesen hat und dabei über die Äußerung der Erblasserin bezüglich ihrer „Zugehfrauen“ berichtet hat, und dass die Erblasserin erklärt habe, nicht zu wissen, was sie machen solle, und befürchte, dass sie übervorteilt werden könne und deshalb auch ratlos sei, ergibt sich für den Senat ebenfalls nicht zwingend, dass bei der Erblasserin eine pathologische Fremdbeeinflussbarkeit vorgelegen hat, schon gar nicht, eine solche dauerhafte Art.

Letztlich fehlt auch im Zusammenhang mit der von dem Sachverständigen bejahten pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit eine eingehende Auseinandersetzung mit der Frage des Grades der von ihm bejahten vaskulären Demenz der Erblasserin; wie gesagt, soll jedenfalls bei ausgeprägten Demenzen eine derartige Fremdbeeinflussbarkeit meist vorliegen können.

Ohne, dass es für die vorliegende Entscheidung noch darauf ankommt, weist der Senat darauf hin, dass es für die von dem Nachlassgericht auf Gutachtengrundlage angenommene Fremdbeeinflussbarkeit – wie oben bereits dargelegt – letztlich nicht entscheidend darauf ankommt, ob auch tatsächlich Anhaltpunkte für eine derartige aktive Beeinflussung der Erblasserin zur Erstellung des konkreten Testaments vorliegen. Somit kommt es auch nicht darauf an, ob das Nachlassgericht derartige Anhaltpunkte für eine solche Beeinflussung der Erblasserin durch die Beteiligten zu 1) zu Recht bejaht hat. Im Übrigen ist der in diesem Zusammenhang vom Nachlassgericht gezogene Schluss, die Erblasserin habe die zur Testamentserrichtung am 18.10.2012 erforderlichen Gespräche und die Gespräche zur Vorsorge- und Patientenverfügung aufgrund ihrer eingeschränkten kognitiven Leistungsfähigkeit nicht alleine führen können, wo es ihr doch schon in den Jahren davor schwer gefallen sei, mit „Papierkram zurechtzukommen“, im Hinblick auf eine fehlende ausreichende entsprechende gutachterliche Feststellung nicht haltbar.

Das Nachlassgericht hätte seine abschließende Entscheidung also noch nicht treffen dürfen, da zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht einmal das konkrete Krankheitsbild mit seinen Auswirkungen auf die Freiheit der Willensbildung der Erblasserin in ausreichender Form vollständig ermittelt worden war. Das von dem Nachlassgericht zur Begründung herangezogene Sachverständigengutachten stellt hierfür – aus den dargelegten Gründen – keine ausreichende Grundlage dar.

Die entsprechenden Ermittlungen wird das Nachlassgericht nunmehr nachzuholen haben.

Dabei liegt es im Hinblick auf die vorangegangenen Ausführungen des Senats nahe, für das weitere Verfahren einen anderen Sachverständigen zu beauftragen (vgl. § 30 FamFG Abs. 1 FamFG, § 412 Abs. 1 ZPO). Im Hinblick auf die vorliegend besonders anspruchsvolle Aufgabe ist es zu empfehlen, bei der Auswahl des Sachverständigen darauf zu achten, dass es sich um einen Facharzt für Psychiatrie mit dem Schwerpunkt „Forensische Psychiatrie“ der Ärztekammern handelt und/oder mit dem Zertifikat „Forensische Psychiatrie“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Weiterhin sollte er sich mit dem Spezialgebiet der Begutachtung der Geschäfts- und Testierfähigkeit bereits in besonderer Weise auseinandergesetzt haben (vgl. Cording, „Beweismittel zur Klärung der Testier(un)fähigkeit“, ZEV 2010, 23 ff, 9,10).

Das Nachlassgericht wird auch zu prüfen haben, ob es zur vollständigen Ermittlung des Krankheitsbildes und dessen Auswirkungen auf die freie Willensbildung der Erblasserin noch weitere Zeugen vernimmt, so insbesondere die bislang von ihm nicht ermittelten Mitarbeiter des nach Aktenlage wohl bei der Erblasserin neben der Beteiligten zu 1) tätigen Pflegedienstes, möglicherweise aber auch die von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) in seinem Schriftsatz vom 29.01.2016 benannten weiteren Zeugen.

Allerdings bietet sich insoweit für das Nachlassgericht an, bereits vor der Vernehmung von weiteren Zeugen – die dann, wie auch bisher bereits in Anwesenheit des Sachverständigen stattfinden sollte, um weitere Nachfragen des Sachverständigen zu ermöglichen, durch die eine bessere Aufklärung der für ihn zur Gutachtenerstellung maßgeblichen Anknüpfungstatsachen erfolgen kann – dem Sachverständigen die Akten zunächst zu einer ersten Durchsicht zu überlassen. Der Sachverständige kann sich dann nämlich noch dazu äußern, ob und warum jedenfalls aus seiner medizinischen Sicht für die Erstellung seines Gutachtens die Ermittlung weiterer Anknüpfungstatsachen durch die Vernehmung von weiteren Zeugen oder aber auch eine erneute Vernehmung von bereits vernommenen Zeugen erforderlich ist.

Eines Ausspruchs über die Gerichtskosten bedarf es angesichts des Erfolgs der Beschwerde nicht, § 25 Abs. 1, § 22 Abs. 1 GNotKG.

Das Nachlassgericht wird auch darüber zu befinden haben, ob eine Erstattung der zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten stattfinden soll und wer diese gegebenenfalls zu tragen haben wird (vgl. Zimmermann in Keidel, a.a.O., § 84, Rn. 9; Sternal, a. a. O. § 69, Rn. 16, 39a). Es wird auch über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der in dem aufgehobenen Verfahren angefallenen Auslagen zu befinden haben.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 61 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GNotKG (vgl. Senat, Beschluss vom 03.03.2015, Az. 20 W 380/13, zitiert nach juris), wonach für das Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts im Verfahren über die Erbscheinserteilung der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls unter Abzug nur der vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten (§ 40 Abs. 1 S. 2 GNotKG) maßgeblich ist. Mangels konkreter weiterer Angaben der Beteiligten geht der Senat von einem Nachlasswert entsprechend der Angabe der Beteiligten zu 2) in seinem Erbscheinsantrag vom 05.06.2013 in Höhe von 30.000,00 € aus.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind, § 70 FamFG. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben, weil das Gesetz eine solche für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht vorsieht.
Rechtsgebiete
FamFG, BGB
Vorschriften
BGB § 2229 Abs. 4; FamFG § 26; FamFG § 69 Abs. 1 S. 3; FamFG § 69 Abs. 2

Berechtigtes Interesse an Einsichtnahme in das Grundbuch

Quelle: gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-000180
OLG München, Beschluss v. 11.01.2018 – 34 Wx 408/17

Normenketten:
GBO § 12, § 12c Abs. 4 S. 2, § 71 Abs. 1, § 73
BGB § 1943, § 1944, § 2229
RPflG § 3 Nr. 1 lit. h, § 11 Abs. 1
FamFG § 10 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Ist beim Gericht aus Entscheidungen des Betreuungs- und Nachlassgerichts aktenkundig, dass Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen, kann das Grundbuchamt zur Darlegung des Grundbucheinsichtsrechts die Vorlage eines Erbscheins verlangen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Benötigt ein möglicher Erbe Einsicht in das Grundbuch, um die Frage der Ausschlagung der Erbschaft zu klären, ist neben der Vorlage der öffentlichen Verfügung samt Eröffnungsniederschrift die Darlegung erforderlich, wann die Ausschlagungsfrist zu laufen begonnen hat, sowie dass die Erbschaft noch nicht angenommen ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betreuungsanordnung, berechtigtes Interesse, Grundbucheinsicht, Testierfähigkeit, Ausschlagung der Erbschaft
Vorinstanz:
AG Kaufbeuren, Beschluss vom 02.11.2017 – KF-11206-46
Fundstellen:
ErbR 2018, 237
BeckRS 2018, 00180
ZEV 2018, 209
LSK 2018, 00180
RNotZ 2018, 322
NJW-RR 2018, 335

Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kaufbeuren – Grundbuchamt – vom 2. November 2017 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Als Eigentümer von Grundbesitz ist im Grundbuch der am 31.10.2014 verstorbene A.M. eingetragen.
2
Am 22.9.2017 beantragte der Beteiligte durch Anwaltsschreiben beim Grundbuchamt die Übersendung von unbeglaubigten Grundbuchauszügen über sämtliche bis zum Ableben des A.M. auf diesen eingetragene Grundstücke und Grundstücksrechte einschließlich solcher, die in den letzten zehn Jahren vor seinem Ableben auf ihn eingetragen waren. Er begründet dies damit, dass er aufgrund notariellen Testaments vom 25.6.2010 Miterbe sei. Dieses und das Eröffnungsprotokoll vom 9.12.2014 legte er in Kopie mit vor.
3
Gegen die Mitteilung der Urkundsbeamtin vom 22.9.2017, dass ein berechtigtes Interesse nach § 12 GBO nicht nachgewiesen sei und daher der Grundbuchauszug nicht erteilt werde, legte der Beteiligte am 26.9.2017 Erinnerung ein.
4
Daraufhin hat das Grundbuchamt aus den Betreuungsakten hinsichtlich des A.M. die am 21.7.2009 ergangene einstweilige Anordnung einer vorläufigen Betreuung sowie den Beschluss vom 18.1.2010 über die endgültige Betreuungsanordnung erholt, sowie aus den Nachlassakten einen Beschluss vom 22.9.2017, wonach die Erteilung eines Erbscheins für die gesetzlichen Erben des A.M. angekündigt wird. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wurde ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft zurückgestellt. Nach der Begründung ist das Nachlassgericht aufgrund des gerichtlich erholten Sachverständigengutachtens auf der Basis von Stellungnahmen der mit der Behandlung befassten Ärzte und weiterer Personen davon überzeugt, dass A.M. zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr testierfähig war.
5
Mit Beschluss vom 2.11.2017 hat das Grundbuchamt die Erteilung der Grundbuchauszüge unter Verweis auf den Beschluss des Nachlassgerichts vom 22.9.2017 abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit der Beschwerde vom 10.11.2017. Gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 22.9.2017 habe der Beteiligte Beschwerde eingelegt, weshalb er nicht rechtskräftig sei. Es gelte daher weiter die Vermutung der Testierfähigkeit nach § 2229 BGB. Im Übrigen müsse ein letztwillig Bedachter in die Lage versetzt werden, sich einen genaueren Überblick über Umfang und Werthaltigkeit des Nachlasses zu verschaffen.
6
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
7
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
8
1. Gegen die Versagung von Grundbucheinsicht durch den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG) ist die Beschwerde statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO; § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO) und auch formgemäß nach § 73 GBO mit § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG eingelegt.
9
Wenngleich die Zurückweisung des Antrags allein die Beschwerdeberechtigung nicht begründet, eine formelle Beschwer also nicht ausreicht (Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 59 m. w. N.), so genügt es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nach vorherrschender Ansicht jedoch, dass der Adressat der Entscheidung geltend machen kann, durch diese in seiner Rechtsstellung unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt zu sein, sofern die angefochtene Entscheidung in der behaupteten Weise unrichtig wäre und er deshalb ein rechtliches Interesse an ihrer Beseitigung hat (BGHZ 80, 126/127; Budde in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 62 m. w. N.).
10
Durch die Behauptung, die Unterlagen als durch notarielles Testament bedachter Miterbe zu dem Zweck zu benötigen, sich einen genaueren Überblick über Umfang und Werthaltigkeit des Nachlasses zu verschaffen, erscheint eine Beschwer zumindest möglich.
11
2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet, da das Grundbuchamt zu Recht die Grundbucheinsicht verweigert hat.
12
a) Gemäß § 12 Abs. 1 GBO ist jedem die Einsicht in das Grundbuch und die in diesem in Bezug genommenen Urkunden sowie in die noch nicht erledigten Eintragungsanträge zu gestatten, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Gemäß § 12 Abs. 2 GBO besteht in diesem Umfang auch ein Anspruch auf Erteilung von Abschriften. Diese Rechte umfassen unter den gleichen Voraussetzungen auch Teile der Grundakten (vgl. Demharter § 12 Rn. 2). Der Umfang der Einsichtnahme richtet sich danach, wie weit das berechtigte Interesse reicht und dargelegt wurde, weshalb die Einsichtnahme auf einzelne Bestandteile des Grundbuchs, einzelne Abteilungen oder Aktenstücke beschränkt werden kann (Hügel/Wilsch GBO 3. Aufl. § 12 Rn. 10).
13
Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch i. S. v. § 12 Abs. 1 GBO ist nach der Rechtsprechung gegeben, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem (beispielsweise) bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann (OLG Oldenburg RPfleger 2014, 131; BayObLG Rpfleger 1999, 216, 217; Demharter § 12 Rn. 7 ff.; Schreiner RPfleger 1980, 51). § 12 Abs. 1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht. Dabei genügt allerdings nicht jedes beliebige Interesse des Antragstellers. Entscheidend ist in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen (BayObLG Rpfleger 1999, 216 f.; KG NJW 2002, 223 ff; KG NJW-RR 2004, 1316 ff.). Dies ist im Fall erbrechtlicher Ansprüche nicht grundsätzlich der Fall, sondern im Einzelfall zu prüfen (Maaß in Bauer/von Oefele § 12 Rn. 38).
14
Die Darlegung dieses Interesses erfordert einen nachvollziehbaren Vortrag von Tatsachen in der Weise, dass dem Grundbuchamt daraus ein überzeugender Anhalt der Berechtigung des geltend gemachten Interesses verschafft wird; denn es hat in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob durch die Einsichtnahme das schutzwürdige Interesse des Eingetragenen oder seiner Rechtsnachfolger verletzt werden könnte, und darf Unbefugten keinen Einblick in ihre Rechts- und Vermögensverhältnisse gewähren (KG NJW-RR 2004, 1316, 1317; BayObLG Rpfleger 1999, 216/217; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 7). Im Einzelfall kann Glaubhaftmachung oder Nachweis des Interesses verlangt werden (Demharter § 12 Rn. 13; Böhringer DNotZ 2014, 16/18). So wird etwa für das Einsichtsbegehren eines Pflichtteilsberechtigten nicht der bloße Vortrag eines Verwandtschaftsverhältnisses genügen; auch wenn in diesem Fall kein Erbschein gefordert werden kann, sind allerdings zumindest Geburts- oder Heiratsurkunden vorzulegen (OLG Frankfurt Rpfleger 2011, 430; Grziwotz MDR 2013, 433, 435).
15
b) Einem testamentarischen (Mit-)Erben kann ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht schon vor einer Grundbuchberichtigung zustehen, etwa zur Vorbereitung einer Erbauseinandersetzung nach § 2042 BGB oder zur Klärung von Ausgleichspflichten nach §§ 2050 ff BGB.
16
Dies setzt allerdings zur Darlegung der Erbenstellung regelmäßig die Vorlage einer Ausfertigung des Erbscheines voraus (Hügel/Wilsch § 12 Rn. 58). Allerdings kann zur Beweiserleichterung im Falle einer Erbeinsetzung in einer öffentlichen Urkunde auf § 35 GBO zurückgegriffen werden, so dass deren Vorlage zusammen mit der Eröffnungsniederschrift genügt, wenn nicht Zweifel an der Erbfolge bestehen. Solche können sich trotz der Vermutung der Testierfähigkeit in § 2229 BGB auch schon vor einer rechtskräftigen Entscheidung des Nachlassgerichts ergeben (Senat vom 7.3.2016, 34 Wx 32/16 = FamRZ 2016, 1405). Entsprechend der Rechtsprechung zu § 35 GBO kann daher das Grundbuchamt, wenn berechtigte tatsächliche Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers und damit an der Wirksamkeit der Verfügung bestehen, in der der Beteiligte als (Mit-)Erbe eingesetzt wurde, auch für die Frage der Grundbucheinsicht zur Darlegung der Erbenstellung einen Erbschein verlangen. Zwar bildet die generelle – abstrakte – Gefahr, dass letztwillige Verfügungen wegen Testierunfähigkeit (vgl. § 2229 Abs. 4 BGB) nichtig sein können, keinen ausreichenden Grund, einen Erbschein zu verlangen (vgl. Senat vom 31.10.2014, 34 Wx 293/14 = FamRZ 2015, 698; Meikel/Krause GBO 11. Aufl. § 35 Rn. 133). So reichen bloße Behauptungen, der Erblasser sei testierunfähig gewesen, nicht aus (Meikel/Krause § 35 Rn. 135; Hügel/Wilsch § 35 Rn. 124). Auch eine Betreuung als solche berührt die Testierfähigkeit nicht; denn auch für den Betreuten besteht die Vermutung der Testierfähigkeit (BayObLG NJW-RR 2005, 1025; OLG München – 31. Zivilsenat – NJW-RR 2008, 164). Es bedarf “wirklicher“ (OLG Hamm OLGZ 1969, 301), d. h. begründeter bzw. konkreter Zweifel (Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 788), etwa gestützt auf fachärztliche Gutachten oder Entscheidungen (Hügel/Wilsch § 35 Rn. 124), die das Verlangen, einen Erbschein vorzulegen, rechtfertigen können. Dies gilt nur dann nicht, wenn nicht zu erwarten ist, dass das Nachlassgericht durch weitere Beweiserhebungen zu einer zweifelsfreien Überzeugung der Testierunfähigkeit kommen kann (Demharter § 35 Rn. 39).
17
Die vom Grundbuchamt zulässigerweise beigezogenen, aktenkundigen (vgl. Demharter § 29 Rn. 61) Entscheidungen des Betreuungs- und Nachlassgerichts begründen jedenfalls Zweifel an der Testierfähigkeit, selbst wenn die Entscheidung des Nachlassgerichts noch nicht rechtskräftig ist. Die Entscheidungen beziehen sich nämlich auf schon erholte, fachärztliche Gutachten und kommen jeweils zum Ergebnis, dass der Erblasser bei Testamentserrichtung suggestibel und in seiner Urteils- und Kritikfähigkeit so weit gemindert gewesen ist, dass er nicht mehr in der Lage war, sich einen freien Willen über seine Geschäfte zu bilden. Da das Nachlassgericht zur Klärung der Frage der Testierfähigkeit ärztliche Befunde erhoben und Gutachten erholt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Frage der Testierfähigkeit nicht geklärt werden könnte.
18
c) Auch unmittelbar nach dem Erbfall kann allerdings einem möglichen Erben ein Einsichtsrecht ins Grundbuch mit Blick auf den Nachlasswert zustehen, wenn er der Einsichtnahme bedarf, um die Frage der Ausschlagung der Erbschaft zu klären. In diesem Fall besteht in der Regel die Möglichkeit der Vorlage eines Erbscheins noch nicht. Es kann daher genügen, wenn der Beteiligte neben seiner Erbeinsetzung – etwa durch das notarielle Testament und die Eröffnungsniederschrift – zudem darstellt, dass er die Erbschaft noch ausschlagen kann. Dazu müsste er allerdings vorbringen, wann die Ausschlagungsfrist (§ 1944 BGB) zu laufen begonnen hat, sowie dass er die Erbschaft noch nicht – und sei es konkludent durch schlüssiges Verhalten oder Beantragung eines Erbscheins – angenommen hat (§ 1943 BGB).
19
Zwar verweist der Beteiligte in seiner Beschwerde darauf, sich einen genaueren Überblick über Umfang und Werthaltigkeit des Nachlasses verschaffen zu wollen. Mangels konkreteren Vortrags ist schon fraglich, ob damit zum Ausdruck gebracht werden soll, er benötige die Informationen für die Überlegung zu einer Ausschlagung. Im Übrigen sprechen jedoch auch die von ihm geltend gemachte Anfechtung der Entscheidung des Nachlassgerichts und sein umfassender Antrag auf Grundbucheinsicht, die auch zwischenzeitlich veräußerte Rechte des Erblassers an Grundstücken umfassen soll, dafür, dass er Erbe sein und die Erbschaft behalten will (vgl. Palandt/Weidlich BGB 77. Aufl. § 1943 Rn. 2), so dass eine Ausschlagung schon nicht mehr möglich sein dürfte. Auch der Verweis auf den benötigten Überblick über Umfang und Werthaltigkeit des Nachlasses ist daher nicht geeignet, ein Einsichtsinteresse darzulegen.
III.
20
1. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da der Beteiligte die gerichtlichen Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens schon kraft Gesetzes zu tragen hat, § 22 Abs. 1 GNotKG.
21
2. Den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens bestimmt der Senat auch im Hinblick darauf, dass sich das Auskunftsbegehren auf sämtliche bis zum Ableben des Erblassers auf diesen eingetragene Grundstücke und Grundstücksrechte einschließlich solcher, die in den letzten zehn Jahren vor seinem Ableben auf ihn eingetragen waren, bezog, nach dem Regelwert (§ 79 Abs. 1 Satz 1 i. V. m.§ 36 Abs. 1 und 3 GNotKG).
22
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):

„ Übergabe an die Geschäftsstelle Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle am .

Leitsatz:
GBO § 12
23
1. Ein testamentarischer (Mit-)Erbe, der schon vor einer Grundbuchberichtigung ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht geltend macht, kann zur Darlegung seiner Erbenstellung im Falle einer Erbeinsetzung in einer öffentlichen Urkunde diese zusammen mit der Eröffnungsniederschrift vorlegen. Ist beim Gericht allerdings aus Entscheidungen des Betreuungs- und Nachlassgerichts aktenkundig, dass Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen, kann das Grundbuchamt zur Darlegung des Einsichtsrechts die Vorlage eines Erbscheins verlangen.
24
2. Benötigt ein möglicher Erbe Einsicht ins Grundbuch, um die Frage der Ausschlagung der Erbschaft zu klären, ist neben der Vorlage der öffentlichen Verfügung samt Eröffnungsniederschrift die Darlegung erforderlich, wann die Ausschlagungsfrist zu laufen begonnen hat, sowie dass die Erbschaft noch nicht angenommen ist.

Ein Testamentsvollstrecker ist von § 181 BGB befreit

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 02.01.2018 – 20 W 331/17
Ist in einer letztwilligen Verfügung der mit der Erfüllung von Grundstücksvermächtnissen beauftragte Testamentsvollstrecker ausdrücklich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, so spricht dies für die Auslegung, dass der Erblasser ihm nicht nur zur Erklärung der Auflassung für die Erben, sondern auch zur Annahme der Auflassung auf Seiten der Vermächtnisnehmer befugt sein soll.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschl. v. 02.01.2018

Az.: 20 W 331/17

Tenor:

Ziffer 1 und 2 der Zwischenverfügung vom 16. Oktober 2017 werden aufgehoben.

Gründe

I.

Als Eigentümer des Eingangs bezeichneten Grundbesitzes sind im Grundbuch seit 4. Mai 2017 die Beschwerdeführer zu 1 bis 3 in Erbengemeinschaft aufgrund des notariellen Testamentes vom 19. Juni 2008 eingetragen.

Die Voreigentümerin A (im Folgenden: Erblasserin) hatte mit diesem notariellen Testament vom 19. Juni 2008 (UR-Nr. …/2008 des Notars B) die Beschwerdeführer zu 1 bis 3 zu ihren Erben zu gleichen Teilen eingesetzt. Außerdem hatte sie dort Vorausvermächtnisse des Inhalts angeordnet, dass der Beschwerdeführer zu 3 das Grundstück Flur … Flurstück …. und die Beschwerdeführer zu 1 und 2 als Miteigentümer zu je 1/2 das Grundstück Flur … Flurstück … erhalten sollten. Zusätzlich hatte sie Testamentsvollstreckung angeordnet und dem Testamentsvollstrecker als Aufgabe die Durchführung der Erbauseinandersetzung zwischen den Miterben und die Erfüllung der angeordneten Vermächtnisse unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zugewiesen. In einem weiteren privatschriftlichen Testament vom selben Tage hatte sie den Urkundsnotar B zum Testamentsvollstrecker ernannt.

Unter dem 27. September 2017 reichte der hier verfahrensbevollmächtigte Notar seine UR-Nr. …/2017 mit näher bezeichneten Vollzugsanträgen bei dem Grundbuchamt ein. In dieser Urkunde hat der Testamentsvollstrecker in dieser Eigenschaft die beiden vorgenannten Grundstücke auf den Beschwerdeführer zu 3 bzw. die beiden Beschwerdeführer zu 1 und 2 als Miteigentümer übertragen, wobei er auch die Annahme der Eigentumsübertragung ausdrücklich jeweils für die Beschwerdeführer zu 1 bis 3 als Vermächtnisnehmer erklärte. Außerdem erklärte er als Testamentsvollstrecker die Auflassung und beantragte die Eigentumsumschreibung.

Der Rechtspfleger des Grundbuchamtes beanstandete mit Zwischenverfügung vom 16. Oktober 2017 – soweit hier verfahrensgegenständlich – in Ziffer 1 und 2, die jeweils vom Testamentsvollstrecker allein erklärte Auflassung sei unwirksam, weil §§ 873, 925 BGB eine Einigung von Veräußerer und Erwerber, hier also von dem Testamentsvollstrecker einerseits und dem Beschwerdeführer zu 3 bzw. den Beschwerdeführern zu 1 und 2 andererseits erfordere.

Gegen diese Beanstandungen in Ziffer 1 und 2 der Zwischenverfügung vom 16. Oktober 2017 hat der verfahrensbevollmächtigte Notar mit Schriftsatz vom 8. November 2017, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wird unter Verweis auf im einzelnen zitierte Rechtsprechung im Wesentlichen geltend gemacht, der Testamentsvollstrecker habe die Auflassung nicht einseitig erklärt, sondern für die Erbengemeinschaft auf der einen und für die jeweiligen Vermächtnisnehmer auf der anderen Seite, so dass tatsächlich beiderseitige Einigungserklärungen über den Eigentumsübergang vorlägen. Die vom Testamentsvollstrecker erklärte Auflassung zur Erfüllung der Vorausvermächtnisse sei von dessen Verfügungsbefugnis gedeckt, so dass er in seiner Person auf beiden Seiten des Rechtsgeschäftes habe mitwirken können. Bei einer anderen Handhabung würden Sinn und Zweck sowie der Aufgabenkreis der angeordneten Testamentsvollstreckung vollkommen unterlaufen. Bei der vom Testamentsvollstrecker erklärten Auflassung handele es sich auch nicht um ein unzulässiges In-Sich-Geschäft gemäß § 181 BGB.

Der Rechtspfleger des Grundbuchamtes hat der Beschwerde mit Beschluss vom 11. Dezember 2017, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, nicht abgeholfen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, eine Kompetenz des Testamentsvollstreckers zur Vertretung des Vermächtnisnehmers bei der Entgegennahme der Auflassung bestehe nur, wenn der Testamentsvollstrecker nicht nur für die Vollziehung des Vermächtnisses zu sorgen habe, sondern auch auf Seiten des Vermächtnisnehmers eine entsprechende Aufgabe wahrnehmen müsse, so dass die Erfüllung des Vermächtnisses nur eine Art „zwingende Vorstufe“ sei. Eine solche beidseitige Erfüllungskompetenz sei in den von der Beschwerde zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm und München gegeben, nicht aber im vorliegenden Fall. Denn hier bestehe der Aufgabenbereich des Testamentsvollstreckers ausschließlich in der Erbauseinandersetzung und der Erfüllung der angeordneten Vermächtnisse.

II.

Die Beschwerde, über welche nach der hier erfolgten Nichtabhilfeentscheidung des Grundbuchrechtspflegers gemäß §§ 72, 75 GBO der Senat als Beschwerdegericht zu entscheiden hat, ist zulässig.

Dabei ist zunächst klarzustellen dass es sich entgegen der Formulierung im Beschwerdeschriftsatz nicht um eine Beschwerde des Notars handelt, dem zur Einlegung dieses Rechtsmittels im eigenen Namen die Beschwerdebefugnis fehlen würde, sondern im Wege der gebotenen Auslegung davon ausgegangen werden muss, dass der Notar die Beschwerde – auch wenn die allerdings wünschenswerte diesbezügliche Klarstellung fehlt – hier im Namen der eingangs bezeichneten Beschwerdeführer aufgrund der Ermächtigung des § 15 GBO eingelegt hat (vgl. Demharter, GBO, 30. Aufl., § 15 Rn. 20 m.w.N.).

Der Anfechtung durch die Beschwerde unterliegen gemäß § 71 Abs. 1 GBO nur die Entscheidungen des Grundbuchamtes. Anfechtbar sind deshalb grundsätzlich nur die in der Sache ergehenden Entschließungen. Bezogen auf einen Eintragungsantrag handelt es sich hierbei entweder um eine Zwischenverfügung im Sinne des § 18 Abs. 1 GBO oder eine sonstige abschließende Sachentscheidung, also eine Zurückweisung des Eintragungsantrages oder die Eintragung selbst, wobei für Letztere die Einschränkung des § 71 Abs. 2 GBO gilt. Sonstige Verfügungen des Grundbuchamtes, insbesondere bloße Vorbescheide oder Hinweise auf die Rechtslage, sind nicht mit der Grundbuchbeschwerde anfechtbar, weil es sich hierbei nicht um Entscheidungen im Sinne des § 71 GBO handelt (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 470 ff m.w.N.; OLG München Rpfleger 2011, 495 [OLG München 11.04.2011 – 34 Wx 160/11]; OLG Frankfurt NJW-RR 1997, 401 [OLG Frankfurt am Main 04.09.1996 – 20 W 299/96] sowie Senatsbeschlüsse vom 25. August 2010 – 20 W 282/10 und 2. April 2012, – 20 W 108/12 n.v.).

Zwar sind grundsätzlich Verfügungen, welche keine Zwischenverfügungen im Sinne des § 18 GBO darstellen, nicht mit der Beschwerde anfechtbar. Ob eine anfechtbare Zwischenverfügung vorliegt, ist aufgrund des objektiven Erklärungsinhalts der Verfügung zu beurteilen, wobei nicht allein maßgeblich ist, ob das Grundbuchamt seine Verfügung als Zwischenverfügung bezeichnet hat oder behandelt wissen will (vgl. hierzu die Nachweise bei Demharter, a.a.O., § 71 Rn. 19). Der Senat geht im vorliegenden Fall von einer Zwischenverfügung aus, weil der Rechtspfleger in der hier teilweise angefochtenen Verfügung vom 16. Oktober 2017 eingangs die für eine Zwischenverfügung ganz typische Formulierung, dass dem Vollzug mehrere Hindernisse entgegenstünden, gewählt hat, zu deren Behebung eine Frist von einem Monat gesetzt hat, sodann nummeriert die von ihm angenommenen Hindernisse aufgezählt hat, sowohl in der nachfolgenden Rechtsmittelbelehrung als auch in seinem Nichtabhilfebeschluss die Verfügung ausdrücklich als Zwischenverfügung bezeichnet und durch die Vorlage an das Oberlandesgericht verfahrensmäßig auch so behandelt hat.

Die somit zulässige Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg, weil die Zwischenverfügung in dem hier angefochtenen Umfang betreffend deren Ziffern 1 und 2 schon aus formellen Gründen keinen Bestand haben kann.

Gegenstand einer Zwischenverfügung kann nach § 18 GBO nur die dem jeweiligen Antragsteller gegenüber ergehende Angabe von Eintragungshindernissen sein, verbunden mit der Fristsetzung zu deren Beseitigung und der Ankündigung der Antragszurückweisung bei nicht fristgemäßer Beseitigung. Die Zwischenverfügung hat demnach die Angabe sämtlicher Hindernisse zu enthalten, die der Eintragung entgegenstehen, ferner die Bezeichnung sämtlicher Mittel oder Wege zur Beseitigung der Hindernisse, die klar aufgezeigt werden müssen und schließlich die Setzung einer Frist zur Beseitigung der konkret aufgezeigten Hindernisse (vgl. die Nachweise bei OLG Frankfurt Rpfleger 1994,204; BayObLG 1997, 129; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl., § 18 Rn. 104ff). Wegen der rangwahrenden Wirkung, die der Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 2 GBO zukommt, darf sie nur dann erlassen werden, wenn das Grundbuchamt nach Beseitigung der Hindernisse von der Eintragungsfähigkeit ausgeht (vgl. BGH FGPrax 2014, 192 [BGH 26.06.2014 – V ZB 1/12]; BayObLG FGPrax 2001, 13 [BayObLG 30.11.2000 – 2 Z BR 120/00] und NJW-RR 1991, 465 [KG Berlin 22.10.1990 – 24 W 4800/90]; OLG Hamm MittRhNotK 1996, 225; OLG Schleswig FGPrax 2010, 282; OLG Düsseldorf RhNotZ 2009, 238; OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 1042 [OLG Frankfurt am Main 16.01.1990 – 20 W 501/89] und Beschluss vom 14. Oktober 2005 – 20 W 405/04 – dok. bei juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 09. Juli 2010 -. 2 W 94/10- dok. bei juris; Demharter, a.a.O., § 18 Rn. 8, 12, 32 und § 22 Rn. 31; Meikel/Böttcher, a.a.O., § 18 Rn. 36/37; Zeiser in BeckOK GBO, Stand 01.05.2017, § 18 Rn. 17 jeweils m.w.N.).

Diesen Anforderungen entspricht die hier angefochtene Zwischenverfügung bezüglich der hier allein verfahrensgegenständlichen Ziffern 1 und 2 nicht. Der Grundbuchrechtspfleger legt in den Ziffern 1 und 2 seiner Zwischenverfügung zwar jeweils dar, aus welchen materiell-rechtlichen Gründen aus seiner Sicht die vom Testamentsvollstrecker erklärte Auflassung unwirksam sei. Es fehlt jedoch als zwingendem weiterem Bestandteil einer Zwischenverfügung an der Darlegung, auf welchem Weg und mit welchen Mitteln die angenommenen Hindernisse mit der Folge der sodann gegebenen Eintragungsfähigkeit des Antrages ausgeräumt werden könnten.

Bereits aufgrund dieses formellen Mangels können die angefochtenen Ziffern 1 und 2 der angefochtenen Zwischenverfügung keinen Bestand haben und waren deshalb aufzuheben.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur die Zwischenverfügung im angefochtenen Umfang, nicht jedoch der Eintragungsantrag selbst, über welchen nunmehr zunächst das Grundbuchamt in eigener Verantwortung zu entscheiden haben wird. Insoweit weist der Senat allerdings zunächst ohne zwingende Bindungswirkung für das Grundbuchamt darauf hin, dass das vom Grundbuchrechtspfleger in Ziffer 1 und 2 der Zwischenverfügung angenommene Hindernis der Unwirksamkeit der von dem Testamentsvollstrecker jeweils erklärten Auflassung nicht gegeben sein dürfte.

In Rechtsprechung und Literatur werden – allerdings zu inhaltlich jeweils unterschiedlichen Sachverhaltsausgestaltungen – verschiedene Auffassungen zu der Rechtsfrage vertreten, ob bei einem Grundstücksvermächtnis und angeordneter Testamentsvollstreckung sich die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers, zu dessen Aufgabe die Erfüllung von Vermächtnissen gehört, auch auf die Entgegennahme der Auflassung durch den Vermächtnisnehmer erstreckt. Teilweise wird dies unter Hinweis darauf angenommen, dass der Anfall des Vermächtnisses keine Annahmeerklärung erfordere und eine Ausschlagung des Vermächtnisses dem Bedachten auch nach dessen Erfüllung durch den Testamentsvollstrecker noch möglich sei, ohne dass hierfür eine Frist bestehe ( so wohl OLG München NJW-RR 2013, 1231 [OLG München 25.02.2013 – 34 Wx 30/13]; OLG Hamm NJW-RR 2011, 11 = ZEV 2011, 198 [OLG Hamm 27.07.2010 – I-15 Wx 374/09]). In der Literatur wird diese Auffassung teilweise als zu weitgehend abgelehnt (sowohl Staudinger/Reimann, BGB, Neubearb. 2016, § 2223 BGB Rn. 3; Muscheler ZEV 2011, 1231; zweifelnd Mayer in Beck OK-BGB § 2223 BGB Rn. 6a; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, dok. bei Juris Rn. 157).

Der Senat ist der Auffassung, dass diese Rechtsfrage nicht generell beantwortet werden kann, sondern es einer Entscheidung im jeweiligen Einzelfall bedarf. Dabei kommt es entscheidend darauf an, welche Aufgaben und Befugnisse dem Testamentsvollstrecker in der letztwilligen Verfügung durch den Erblasser eingeräumt wurden. Hierzu bedarf es zunächst der Auslegung der letztwilligen Verfügung, in welcher sowohl das Vermächtnis als auch die Testamentsvollstreckung angeordnet wurden. Bei dieser Auslegung kann zwar nicht außer Acht gelassen werden, dass es grundsätzlich allein in der Entscheidungskompetenz des Vermächtnisnehmers und nicht des Testamentsvollstreckers liegt, ob er das ihm vom Erblasser zugedachte Vermächtnis annimmt oder nicht. In diesem Zusammenhang spricht einiges für die von dem Grundbuchrechtspfleger in seiner Zwischenverfügung geäußerte Rechtsauffassung, dass eine im Testament angeordnete Testamentsvollstreckung dahingehend auszulegen ist, dass sie den Testamentsvollstrecker nicht nur zur Erklärung der Auflassung auf Seiten der Erbengemeinschaft berechtigt, sondern zugleich auch zur Annahme der Auflassung auf Seiten des jeweiligen Vermächtnisnehmers, wenn der als Vermächtnis zugewandte Vermögensgegenstand dem Bedachten nicht zur freien Verfügung überlassen werden soll, sondern diesbezüglich weitere Beschränkungen oder Belastungen durch das Testament angeordnet sind, etwa in Gestalt einer Dauertestamentsvollstreckung oder eines Nach- oder Untervermächtnisses. Denn in derartigen Fallgestaltungen kann nur bei einer solchen weiten Auslegung der dem Testamentsvollstrecker eingeräumten Befugnisse für eine baldige und vollständige Umsetzung des Willens des Erblassers gesorgt werden.

Entgegen der Auffassung des Grundbuchrechtspflegers ist dies jedoch nicht die einzige Sachverhaltsgestaltung, in welcher eine solche Auslegung der letztwilligen Verfügung im Sinne einer Ermächtigung des Testamentsvollstreckers zur Erklärung der Auflassung nicht nur auf Seiten der Erbengemeinschaft, sondern zugleich auch für den Empfänger des durch Vermächtnis zugewandten Gegenstandes in Betracht kommen kann.

Vielmehr ist im vorliegenden Fall für die Auslegung auch von Bedeutung, dass der Testamentsvollstrecker in § 3 Absatz 4 des notariellen Testamentes vom 19. Juni 2008 ausdrücklich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit wurde. Der Senat sieht hierin einen deutlichen Hinweis darauf, dass der Testamentsvollstrecker zur Erfüllung der hier angeordneten Vorausvermächtnisse für die Erben ohne deren Mitwirkung bei der Entgegennahme der Auflassung ermächtigt werden sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der hier als Testamentsvollstrecker eingesetzte Rechtsanwalt und Notar in der letztwilligen Verfügung selbst weder als Erbe noch als Vermächtnisnehmer bedacht wurde, so dass es aus diesem Blickwinkel der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht bedurfte, im Unterschied zu der hier nicht gegebenen Sachverhaltsgestaltung, dass ein Miterbe zum Testamentsvollstrecker eingesetzt ist. Zu beachten ist weiterhin, dass vorliegend gerade keine Dauertestamentsvollstreckung angeordnet wurde, sondern die Aufgabe des Testamentsvollstreckers sich in der Durchführung der Erbauseinandersetzung zwischen den Miterben und der Erfüllung der angeordneten Vermächtnisse erschöpft. In diesem Zusammenhang macht die Befreiung des Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB nur dann einen Sinn, wenn diesem damit die Möglichkeit der zügigen Erledigung seiner Aufgaben gerade auch bei der von der Erblasserin beabsichtigten Zuweisung der Grundstücke an die einzelnen Miterben als Vorausvermächtnisnehmer eingeräumt wird. Deshalb ist im vorliegenden Fall das notarielle Testament vom 19. Juni 2008 nach Auffassung des Senates dahingehend auszulegen, dass hier zu den Aufgaben des Testamentsvollstreckers im Rahmen der Erfüllung der Vorausvermächtnisse auch die Erklärung der Auflassung auf Seiten der jeweiligen Miterben und Vorausvermächtnisnehmer gehört.

Ohne dass es rechtlich hierauf noch entscheidend ankäme, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass von einer Annahme des Vorausvermächtnisses durch die Beschwerdeführer zu 1 und 2 bereits deshalb auszugehen ist, weil sie in Abschnitt D der notariellen Urkunde vom 19. September 2017 über das ihnen als Vorausvermächtnis zugewandte Grundstück als Nachlassgegenstand durch Verkauf und Übertragung an den Beschwerdeführer zu 3 verfügt haben. Der Beschwerdeführer zu 3 hat zwar in der notariellen Urkunde bezüglich des ihm als Vorausvermächtnis zugewandten Grundstückes selbst ausdrücklich keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen abgegeben. Er hat jedoch ausweislich des Inhaltes der notariellen Urkunde bei deren Errichtung mitgewirkt und hierbei eigene rechtsgeschäftliche Erklärungen in Abschnitt D als Erwerber des den Beschwerdeführern zu 1 und 2 zugewandten Grundstückes abgegeben. In diesem Kontext wäre es bei lebensnaher Betrachtung schwer nachvollziehbar, dass er der in seiner Anwesenheit erfolgten Erklärung der Annahme der Auflassung des ihm durch Vorausvermächtnis zugewandten Grundstückes durch den Testamentsvollstrecker nicht widersprochen hat, wenn er zu einer Annahme dieses Vorausvermächtnisses nicht bereit gewesen wäre.

Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde war weder eine Kostenentscheidung noch eine Wertfestsetzung oder eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde veranlasst.
Rechtsgebiete
GBO, BGB
Vorschriften
GBO § 18; GBO § 20; BGB § 181; BGB § 2147; BGB § 2203

Feststellungslast bei einem Streit über die Testierfähigkeit des Erblassers

Quelle: 26.09.2017 · IWW-Abrufnummer 196719
Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Beschluss vom 17.08.2017 – 20 W 188/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschl. v. 17.08.2017

Az.: 20 W 188/16

Tenor:26

Die Sache wird unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Idstein – Nachlassgericht – zurückverwiesen.

Das Nachlassgericht wird auch darüber zu befinden haben, wer die zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu tragen hat.

Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde wird auf 400.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Erbfolge nach der verwitwet und kinderlos verstorbenen Erblasserin und dabei über die Frage, ob die Erblasserin am 29.11.2012 testierfähig gewesen ist.

Unter diesem Datum hat die Erblasserin ein, am 05.03.2015 von dem Rechtspfleger des Nachlassgerichts eröffnetes, handschriftliches Testament errichtet, wegen dessen genauen Inhalts auf Bl. 5 der Akte Bezug genommen wird. In dem mit „Mein Testament! Ich bin im vollen Besitz meiner geistigen Kräfte. Mein letzter Wille:“ eingeleiteten Testament hat sie ihr Hausgrundstück Straße1 in zwei Teilen den Beteiligten zu 3) und 4) zugewiesen. Weiterhin hat sie erklärt, dass der Neffe C 30.000 €, ihre Freundin D 3.000 € und ihre Freundin E 2.000 € erhalten sollen. Sollte von ihrem Geld noch ein Rest übrig sein, solle dieser den Beteiligten zu 3) und 4) zugutekommen. Unter der Unterschrift der Erblasserin befindet sich auf derselben Seite des Schriftstücks ein nicht unterschriebener Zusatz: „Mein letzter Wille! Die Verwandtschaft soll nichts mehr erhalten“.

Dieses Testament ist von dem Beteiligten zu 3) persönlich bei dem Nachlassgericht abgegeben worden, mit dem Hinweis darauf, dass es weitere gesetzliche Erbinnen/Erben nicht gebe (Bl. 1 der Akte).

Bei den Beteiligten zu 1) und 2) handelt es sich um mögliche gesetzliche Erben der Erblasserin dritter Ordnung. Neben diesen gibt es weitere gesetzliche Erben dritter Ordnung, die teilweise gegenüber dem Nachlassgericht Stellung genommen haben. Diese gesetzlichen Erben sind der Auffassung, die Erblasserin habe bereits über mehrere Jahre vor Testamentserrichtung, spätestens seit dem Jahr 2009, und bis zu ihrem Tod an einem krankhaften Verfolgungswahn gelitten, aufgrund dessen sie als testierunfähig anzusehen sei. Im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung habe sie dann die Beteiligten zu 3) und 4) als „Kriminologen und Detektive“ engagiert, die ihr Haus mit einer Vielzahl von Kameras ausgestattet und sich häufig bei ihr aufgehalten hätten. Die Erblasserin habe jedem die Verfolgung durch Einbrecher erzählt, die über ihr Dachgeschoss kämen oder in ihren Keller eindringen würden. Im Hinblick auf die Unkorrigierbarkeit dieser Vorstellungen seit Jahren könne auch nicht mehr von lichten Momenten der Erblasserin innerhalb ihres Wahns ausgegangen werden. Bei der Feststellung eines offensichtlichen Verfolgungswahns und fehlender Behandlung der Erkrankung sei von einem geschlossenen Wahn auszugehen, der die Erblasserin Ende 2012 bei Abfassung des Testaments nicht mehr frei über ihren letzten Willen habe entscheiden lassen. Die Verwandten hätten sich im Übrigen auch um die Erblasserin gekümmert. So habe die Beteiligte zu 1) unter anderem auch Besorgungen für diese erledigt, sie besucht und mit ihr telefoniert. Alle Verwandten hätten mit ihr Kontakt gehabt, auch wenn die ständigen Berichte der Erblasserin über Einbrecher nicht erfreulich gewesen seien.

Die Beteiligten zu 3) und 4) haben demgegenüber den hier verfahrensgegenständlichen Erbscheinsantrag, auf den Bezug genommen wird (Bl. 15 der Akte), am 26.03.2015 zu Protokoll des Rechtspflegers des Nachlassgerichts gestellt und die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins dahingehend beantragt, dass die Erblasserin von ihnen beiden zu je 1/2-Anteil beerbt worden ist aufgrund ihres oben genannten Testaments vom 29.11.2012. Der Beteiligte zu 3) und der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3) und 4) haben unter anderem erklärt, die Brüder seien der Erblasserin – und deren vorverstorbenem Bruder F – in vielen Dingen behilflich gewesen, da sie alleinstehend gewesen sei. Bruder und Erblasserin hätten oftmals erwähnt, dass seitens der Verwandtschaft sich niemand kümmere, so dass deren beide Testamente ausdrücklich den Wunsch enthielten, dass die Verwandtschaft nichts erben solle. Es sei der ausdrückliche Wunsch der Erblasserin gewesen, die Brüder als Erben einzusetzen und es sei Unfug, ja üble Nachrede oder Verleumdung, hier von einer Testierunfähigkeit zu sprechen. Auch die Betreuungsverfahren hätten bestätigt, dass die Erblasserin geistig wach, orientiert und keineswegs verwirrt gewesen sei; eine Betreuung sei ausdrücklich nicht angeordnet worden. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Erblasserin bis zuletzt alleine gelebt habe und auch, dass sie den Nachlass ihres vorverstorbenen Bruders alleine abgewickelt und auch dessen Haus verkauft habe. Dies hätte ein Testierunfähiger nicht gekonnt. Ein Testierunfähiger werde auch wohl kaum solch konkrete Regelungen wie im vorliegenden Testament treffen, bei denen es sich um bewusste und nachvollziehbare erbrechtliche Entscheidungen gehandelt habe. Alleine aus ihrer Angst, von Einbrechern bestohlen zu werden, könne nicht auf eine Testierunfähigkeit geschlossen werden. Es sei bekannt, dass die Erblasserin eine übertriebene Angst vor Einbrechern gehabt habe und sich seit mehr als 10 Jahren der Beteiligten zu 3) und 4) und deren Detektei als Berater in solchen Fällen bedient habe. Alleine das Vorliegen von Wahnvorstellungen reiche nicht aus, andernfalls wäre jedwede Bedenkung von Personen, die sich mit der Abwehr von Diebstählen beschäftigen, sittenwidrig und von den Wahnvorstellungen bestimmt. Eine gegebenenfalls leichte beginnende Demenz habe mit der Testierunfähigkeit nichts zu tun. Ganz offensichtlich habe die Erblasserin ihre Erbverwandtschaft aus vielfältigen Gründen nicht bedenken wollen und daher andere Erben auserkoren, die sich um sie kümmerten, sei es auch aus Anlass der vermeintlichen Diebstähle. Für eine Einflussnahme gebe es keine Anhaltspunkte, zumal sich diese von einer solchen durch Hilfe und Freundschaft unterscheiden müsse. Die Erblasserin könne die testamentarischen Erben, die von dem Testament nichts gewusst hätten, auch aus Gründen der Zuneigung eingesetzt haben, was sogar wahrscheinlicher sei. Im Übrigen gebe es auch erhebliche Zweifel an der Feststellung einer Psychose bei der Erblasserin. Falls die Erblasserin überhaupt an einer Störung gelitten habe, die man außerhalb ihrer Verwandtschaft bemerkt habe, dann gehöre diese eher in den Bereich der Psychopathie. In einem späteren Schriftsatz an den Senat hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3) und 4) dann erklärt, es komme nur die Psychose für eine Testierunfähigkeit in Betracht, die aber erhebliche Schwankungen im Gemütszustand erlaube. Diese Psychose, wenn man nicht besser von einer Neigung oder Spleen sprechen wolle, sei beschränkt gewesen und habe durchaus Raum für ein unbeeinflusstes Leben gelassen.

Der Richter des Nachlassgerichts hat mit Beschluss vom 29.05.2015 (Bl. 38 der Akte) die Beweiserhebung über die Frage, ob die Erblasserin am 29.11.2012 testierfähig war, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Dabei sollte die Begutachtung zunächst anhand der vorhandenen Gutachten im Zusammenhang mit dem Betreuungsverfahren und dem Verfahren auf Entzug des Führerscheins der Erblasserin erfolgen. Eine Vernehmung von Zeugen in Gegenwart des medizinischen Sachverständigen wurde vorbehalten. Zu einer derartigen Zeugenvernehmung ist es dann nicht gekommen.

Auf das nachfolgend erstellte schriftliche Sachverständigengutachten des SV1 vom 28.08.2015 (Bl. 51 ff. der Akte), in dem dieser zu dem Ergebnis gekommen ist, die Erblasserin sei am 29.11.2012 als testierunfähig anzusehen gewesen, wird wegen dessen Begründung Bezug genommen.

Außerdem wird Bezug genommen auf das Protokoll über die mündliche Anhörung des genannten Sachverständigen durch den Richter des Nachlassgerichts am 25.04.2016 (Bl. 125 ff. der Akte).

Mit Beschluss vom 30.05.2016 hat der Richter des Nachlassgerichts sodann die Tatsachen für festgestellt erachtet, die zur Erteilung des von den Beteiligten zu 3) und 4) beantragten Erbscheins erforderlich sind. Maßgeblich hat er darauf abgestellt, dass von einer Testierunfähigkeit nicht mit hinreichender Sicherheit ausgegangen werden könne, da der Sachverständige in seiner Anhörung am 25.04.2016 ausdrücklich die Möglichkeit erklärt habe, dass die Erblasserin hier einmal einen lichten Augenblick gehabt habe und klar erkannt habe, worum es gehe. Wegen seiner Darlegungen im Einzelnen wird auf den genannten Beschluss Bezug genommen (Bl. 141 ff. der Akte).

Gegen diesen, ihm am 02.06.2016 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 2) mit Schreiben an das Nachlassgericht vom 30.06.2006 – dort eingegangen am selben Tag – Beschwerde eingelegt, auf die wegen ihrer Begründung Bezug genommen wird (Bl. 162 f der Akte). Ebenso hat die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) gegen diesen ihr am 02.06.2016 zugestellten Beschluss mit Schriftsatz an das Nachlassgericht vom 01.07.2016 – dort eingegangen am 02.07.2016 – Beschwerde eingelegt, auf die wegen ihrer Begründung ebenfalls Bezug genommen wird (Bl. 166 ff der Akte).

Der Richter des Nachlassgerichts hat den Beschwerden mit Beschluss vom 05.07.2016, auf den Bezug genommen wird (Bl. 178 der Akte), nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 01.08.2016 hat die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) nach § 69 Absatz 1 S. 3 FamFG die Zurückverweisung des Verfahrens an das Nachlassgericht beantragt (Bl. 192 der Akte), genauso wie hilfsweise der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3) und 4) mit Schriftsatz vom 13.08.2016 (Bl. 194 ff der Akte).

Der Senat hat die bereits dem Nachlassgericht und dem Sachverständigen vorliegenden Akten des Amtsgerichts Stadt1- Betreuungsgericht – zu den dortigen Aktenzeichen … und … – auf deren Inhalt Bezug genommen wird – angefordert und eingesehen sowie die Beteiligten über die entsprechenden Aktenanforderungen informiert.

Weiterhin wird Bezug genommen auf die vom Nachlassgericht der hiesigen Akte beigefügte Kopie einer Akte des …, Referat Fahrerlaubniswesen (Bl. 45 ff der hiesigen Akte). Außerdem wird Bezug genommen auf die den hiesigen Akten bereits beigefügte Nachlassakte des vorverstorbenen Bruders der Erblasserin, F (Amtsgericht Stadt1, Az. …), die Stellungnahmen des C vom 04.03.2016 (Bl. 104 f der Akte) und 09.08.2017 (Bl. 225 ff der Akte), die E-Mail des G vom 07.03.2016 (Bl. 109 ff der Akte) sowie auf sämtliche Schriftsätze der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten, Eingaben der Beteiligten selbst und Hinweise des Senats an die Beteiligten.

II.

Die Beschwerden sind gemäß § 58 FamFG statthaft. Die Beschwerdeführer sind als mögliche gesetzliche (Mit-) Erben der Erblasserin durch die Feststellung der zur Erteilung des die Beteiligten zu 3) und 4) als alleinige Erben ausweisenden Erbscheins möglicherweise in ihrem eigenen Erbrecht beeinträchtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG). Die Beschwerden sind auch im Übrigen zulässig, da sie insbesondere form- und fristgerecht eingelegt wurden (§§ 63, 64 FamFG).

Der Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) und 2) steht dabei nicht entgegen, dass diese von vorneherein bei Bestehen der von ihnen behaupteten Testierunfähigkeit der Erblasserin deswegen nicht gesetzliche Erben sein könnten, weil ihnen als Erben dritter Ordnung C als dann alleiniger gesetzlicher Erbe zweiter Ordnung vorgehen würde (vgl. § 1930 BGB; hierzu Weidlich in Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 2359, Rn. 14).

Im Hinblick auf das Schreiben des C vom 09.08.2017 nebst Anlagen an den Senat ist nunmehr geklärt, dass C nicht mehr in einem, eine gesetzliche Erbenstellung vermittelnden Verwandtschaftsverhältnis zur Erblasserin stand. Da der am …1959 geborene C nach seinen Angaben nicht durch eigene Verwandte oder Verschwägerte zweiten oder dritten Grades im Jahr 1961 wegadoptiert wurde, ist dessen Verwandtschaftsverhältnis zur Erblasserin mit Wirksamwerden dieser Adoption durch gerichtliche Bestätigung am 19.06.1961 erloschen (vgl. §§ 1755 Abs. 1, 1756 Abs. 1 BGB, § 2 Abs. 1 und Abs. 2, S. 1, 1. Halbsatz Adoptionsgesetz vom 02.07.1976). Somit ist es auch unerheblich, ob es sich bei C, wie er dargelegt hat und wofür auch der Inhalt des von ihm vorgelegten Adoptionsvertrages vom 25.04.1961 spricht, um das leibliche Kind der 2002 vorverstorbenen Halbschwester der Erblasserin H, geb. B handelt oder aber, wie die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) jedenfalls zunächst vorgetragen hat, um das leibliche Kind einer allerdings ebenfalls bereits 1988 vorverstorbenen Tochter dieser Halbschwester der Erblasserin.

Weiterhin ist es für die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) und 2), die somit grundsätzlich als gesetzliche Erben der Erblasserin in Betracht kommen, auch unerheblich, ob diese letztlich wirksam testamentarisch von der Erblasserin enterbt worden sind, insbesondere, ob eine derartige Enterbung im Hinblick auf den nicht gesondert unterschriebenen Zusatz des Testaments, wonach die „Verwandschaft“ nichts mehr erhalten solle, überhaupt formwirksam erfolgt wäre. Hierauf kann es im vorliegenden Verfahren schon deswegen nicht ankommen, weil es hier nicht um eine mögliche testamentarische Erbenstellung der Beteiligten zu 1) und 2) geht – bei der die Enterbung dann aber auch nur eine sogenannte doppelrelevante Tatsache wäre, die deren Beschwerdebefugnis bei Zurückweisung eines eigenen Erbscheinsantrages ebenfalls nicht entgegenstehen würde (vgl. Meyer-Holz in Keidel, FamFG, 19. Aufl. 2017, Rn. 20 m.w.N.) -, sondern lediglich um den Erbscheinsantrag der nicht mit der Erblasserin verwandten Beteiligten zu 3) und 4).

Die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang in der Sache vorerst Erfolg.

Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Nachlassgerichts und des Verfahrens ist dieses zur weiteren Sachbehandlung und neuerlichen Entscheidung an das Nachlassgericht zurückzuverweisen, da dessen Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet, zur Entscheidung eine umfangreiche weitere Beweiserhebung notwendig ist und die Beteiligten – zumindest hilfsweise – die Zurückverweisung beantragt haben (§ 69 Absatz 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 FamFG).

Allerdings liegt dieser Mangel nicht im Bereich der vom Nachlassgericht vorgenommenen inhaltlichen Auslegung des Testaments der Erblasserin.

Auch der Senat geht schon mangels eines Anhalts für weiteres wesentliches Vermögen der Erblasserin davon aus, dass diese mit der Verteilung ihres Hausgrundstückes Straße1, der Einzelzahlungsbeträge von insgesamt 35.000 € und des dann verbleibenden „Restgeldes“ eine vollständige Aufteilung ihres Vermögens wollte und damit auch eine Erbeinsetzung beabsichtigt hat. Weiterhin geht auch der Senat mangels anderen Anhalts davon aus, dass es sich bei dem den Beteiligten zu 3) und 4) zugewandten Hausgrundstück – gegebenenfalls mit „Restgeld“ – um den auch von ihr als wesentlich angesehenen Nachlass handelt, mit dessen Zuweisung im Unterschied zu den als Vermächtnissen zu bezeichnenden Einzelzahlungsbeträgen die Erbenstellung der Beteiligten zu 3) und 4) verbunden sein sollte (vgl. zu den entsprechenden Auslegungskriterien: Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl., 2017, § 2087, Rn. 3 und 5). Gegen diese Auslegung des Nachlassgerichts wenden sich die Beteiligten auch nicht. Insbesondere hat auch der größte Vermächtnisnehmer C keine Erbansprüche gegenüber dem Nachlassgericht oder dem Senat geltend gemacht.

Der wesentliche Mangel liegt vielmehr in der Verletzung der in § 26 FamFG normierten gerichtlichen Aufklärungspflicht durch das Nachlassgericht, soweit dieses zu dem Ergebnis kommt, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments testierunfähig gewesen sei. Die Entscheidung des Nachlassgerichts beruht auch auf diesem Verfahrensmangel, da sich die Möglichkeit einer im Ergebnis anderen Entscheidung nach durchgeführter weiterer Sachverhaltsaufklärung und zu erwartender umfangreicher Beweiserhebung nicht ausschließen lässt. Da eine Durchführung der zur Beurteilung der Testierfähigkeit noch erforderlichen weiteren Aufklärung durch den Senat als Beschwerdegericht faktisch dem Verlust einer Instanz für die Beteiligten gleichkommen würde (vgl. Sternal in Keidel, a.a.O., § 69 Rn. 15b, m.w.N. zur Rspr.), hält der Senat eine Zurückverweisung für erforderlich.

Im Erbscheinsverfahren hat das Nachlassgericht Zweifel, die auf konkreten Umständen und dargelegten Auffälligkeiten beruhen, ohne Bindung an den Vortrag der Beteiligten von Amts wegen zu prüfen (§ 26 FamFG, § 2358 BGB). Für die Durchführung von Ermittlungen durch das Gericht, insbesondere durch eine Beweisaufnahme, ist dabei nicht zu verlangen, dass die Beteiligten entsprechend der für den Zivilprozess geltenden Grundsätze Beweis antreten müssen; vielmehr genügt es, dass der Vortrag und die Bezeichnung geeigneter Beweismittel durch die Beteiligten dem Gericht Anhaltspunkte dafür geben, in welche Richtungen es seine Ermittlungen durchführen kann. Die richterliche Aufklärungspflicht ist dabei dann verletzt, wenn Ermittlungen, zu denen nach dem Sachverhalt als solchem und dem Vorbringen der Beteiligten Anlass bestand, nicht durchgeführt worden sind. Dabei sind die Ermittlungen erst dann abzuschließen, wenn von weiteren Maßnahmen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist. Im Rahmen der Ermittlung der Testierfähigkeit ist im Hinblick auf deren Tragweite eine sorgfältige Untersuchung geboten, die eine Einbeziehung der Vorgeschichte und aller äußeren Umstände voraussetzt (vgl. u.a. Senat, Beschluss vom 22.12.1997, Az. 20 W 264/95, zitiert nach Beck-online, m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.04.2015, Az. 11 Wx 82/14, zitiert nach juris).

Den zuletzt genannten Anforderungen wird das vorliegende Verfahren des Nachlassgerichts nicht gerecht. Der Richter des Nachlassgerichts durfte seine Entscheidung, wonach eine Testierunfähigkeit der Erblasserin nicht nachgewiesen sei, nämlich nicht – wie er es getan hat – ohne weitere Ermittlungen alleine auf die von dem Sachverständigen in dessen mündlicher Anhörung am 25.04.2016 hinsichtlich „der Psychose…“ getroffene Feststellung stützen, es könne „…durchaus sein, dass Frau A hier einmal einen lichten Augenblick hatte und genau erkannt hat, worum es geht.“.

Für die Feststellung einer Testierunfähigkeit ist im Einzelnen von der folgenden Rechtslage auszugehen:

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Dabei gilt als testierunfähig derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, also von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden. Diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildung braucht nicht nur darin zutage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments oder von dessen Inhalt oder Tragweite, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu machen vermag; sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen. Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von möglichen Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (vgl. u.a. bereits BGH, Urteil vom 29.01.1958, Az. IV ZR 251/57; BayObLG, Beschluss vom 17.08.2004, Az. 1Z BR 53/04; OLG München, Beschluss vom 14.08.2007, Az. 31 Wx 16/07, jeweils zitiert nach juris). Dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen gefasst werden konnte (BayObLG, a.a.O. und OLG München, jeweils a.a.O., m.w.N.). Es gibt auch keine nach Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte Testierfähigkeit; die Fähigkeit zur Testamentserrichtung ist entweder gegeben oder fehlt ganz (vgl. u.a. Weidlich in Palandt, a.a.O., § 2229 Rn. 1 m.w.N.). Grundsätzlich ist dabei weiterhin zu beachten, dass es keine notwendige Voraussetzung der Testierunfähigkeit ist, dass (auch) ein Versagen auf intellektuellem Gebiet vorliegt; auch wenn in dieser Hinsicht keine Defekte festzustellen sind, aber die Freiheit des Willensentschlusses durch krankhafte Störungen der Motiv- und Willensbildung aufgehoben ist, liegt eine Testierunfähigkeit vor (vergleiche u.a. BayOblG, Beschluss vom 27.07.2001, Az. 1Z BR 84/00 für den Fall eines Altersparanoids im Sinne eines Bestehlungswahns). Bei einer derartigen Störung der Motiv- und Willensbildung kann eine Testierunfähigkeit letztlich auch dann gegeben sein, wenn der Erblasser – wie vorliegend wohl auch die Erblasserin – im Übrigen bis zu seinem Tode imstande gewesen ist, sich selbst zu versorgen und seine gesamten Angelegenheiten selbst zu erledigen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 27.07.2001, a.a.O.).

Hinsichtlich der jedenfalls von dem gerichtlichen Sachverständigen – unter Bezugnahme auf das Gutachten der Sachverständigen des Betreuungsverfahrens, SV2, vom 08.02.2013 (Amtsgericht Stadt1, Az. …, Bl. 11 ff der dortigen Akte) und das von SV3 im Zusammenhang mit dem Verwaltungsverfahren auf Einziehung des Führerscheins der Erblasserin am 08.03.2010 erstellte Gutachten (Bl. 45 ff der hiesigen Akte) – bejahten krankhaften Wahnvorstellungen der Erblasserin, die auch der Richter des Nachlassgerichts als gegeben angesehen hat, ist außerdem grundsätzlich Folgendes zu beachten:

Wahnhafte Störungen (nach älterer Nomenklatur auch endogene Psychosen) können in Abgrenzung zu alterstypischen „verbohrten“ Meinungen dann die freie Willensbildung zur Testamentserrichtung ausschließen, wenn sie krankhaft sind, wenn also eine krankheitsbedingte Abkoppelung von Erfahrung, Logik und (sub-) kulturellem Konsens sowie der Verlust der diesbezüglichen Kritik- und Urteilsfähigkeit vorliegen, dem Betroffenen also ein vernünftiges Abwägen nicht mehr möglich und er logischen Argumenten nicht mehr zugänglich ist (vergleiche Cording, „Kriterien zur Feststellung der Testier(un)fähigkeit“, ZEV 2010,115 ff., 118) bzw. der Betroffene von seinen Wahnideen ganz beherrscht wird, sie ausbaut und bei jeder Gelegenheit geltend macht (so BayObLG, Beschluss vom 24.10.2001, Az. 1Z BR 40/01, zitiert nach juris). Hinzu kommen muss für die Bejahung einer Testierunfähigkeit dann aber weiterhin, da eine von Wahnvorstellungen besessene Person in Bereichen, die mit diesen Wahnvorstellungen nicht zusammenhängen, durchaus normal und vernünftig handeln und denken kann, dass sich die Wahnvorstellungen inhaltlich auf Themen beziehen, die für die Willensbildung in Bezug auf die Testamentserrichtung relevant sind (vgl. u.a. BayObLG, Beschlüsse vom 27.07.01, a.a.O., vom 14.09.2001, Az. 1Z BR 124/00 und vom 31.01.1991, Az. BReg 1 a Z 37/90, jeweils zitiert nach juris; Cording, a.a.O., 118; so auch Venzlaff/Förster, Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl., S. 519). Der Erblasser muss also in der Lage gewesen sein, sich ein von seinen Wahnvorstellungen unbeeinflusstes Urteil über seine Rechtsnachfolge von Todes wegen zu bilden (BayObLG, Beschluss vom 27.07.2001, a.a.O.).

Dabei steht auch der Umstand, dass ein Erblasser ein Testament formuliert hat, das für sich genommen nach Form und Inhalt keine Anzeichen einer krankhaften Geistesstörung erkennen lässt, der Annahme einer Testierunfähigkeit wegen einer krankhaften Wahnsymptomatik nicht entgegen (vgl. hierzu u.a. BayObLG, Beschluss von 21.07.1999, Az. 1Z BR 122/98, zitiert nach juris).

Eine derartige krankhafte Wahnvorstellung ist weiterhin abzugrenzen von einer Psychopathie, also einer extrem schweren Form der antisozialen Persönlichkeitsstörung, bei deren alleinigem Vorliegen nach der veröffentlichten Rechtsprechung jedoch grundsätzlich eine Testierunfähigkeit nicht angenommen werden kann (vgl. Weidlich, a.a.O., Rn. 9, m.w.N.). Soweit das Bayerische Oberste Landesgericht in seinem Beschluss vom 31.01.1991 (a.a.O.) auch krankhafte Wahnvorstellungen als im weiteren Sinne in den Bereich der Psychopathie fallend angesehen hat, handelt es sich offensichtlich um eine Einzelentscheidung, die so in der nachfolgenden Rechtsprechung nicht mehr vertreten worden ist und vertreten wird.

Insbesondere auch das Bayerische Oberste Landesgericht hat in späteren Entscheidungen Wahnvorstellungen zu Recht nicht mehr unter den Begriff der Psychopathie gefasst (vergleiche u.a. BayObLG, Beschlüsse vom 17.08.2004, a.a.O, 24.10.2001, a.a.O. und 27.07.2001, a.a.O.; jedenfalls im Leitsatz seines Beschlusses vom 21.07.1999, a.a.O., hat das Bayerische Oberste Landesgericht sogar eine ausdrückliche Abgrenzung zu seinem Beschluss vom 31.01.1991, a.a.O, erklärt).

Die Klärung der Frage, ob die vorgenannten tatsächlichen Voraussetzungen der Testierunfähigkeit gegeben waren, verlangt vom Nachlassgericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht, die konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers aufzuklären, sodann Klarheit über den medizinischen Befund zu schaffen und anschließend die hieraus zu ziehenden Schlüsse zu prüfen. Bestehen dann weiter Zweifel an der Testierfähigkeit, sind diese regelmäßig durch das Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen zu klären, wobei der Sachverständige anhand der ermittelten Anknüpfungstatsachen zum einen den medizinischen Befund festzustellen, zum anderen dessen Auswirkungen auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers zu klären hat. Das Gericht hat sodann das Gutachten auf seinen sachlichen Gehalt, seine logische Schlüssigkeit sowie darauf zu prüfen, ob es von dem für erwiesen erachteten Sachverhalt ausgeht und eine am richtigen Begriff der Testierunfähigkeit orientierte überzeugende Begründung liefert (vgl. insgesamt u.a. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 01.06.2012, Az. I-3 Wx 273/11 und vom 19.02.2016, Az. I-3 Wx 40/14; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 13.01.2014, Az. 3 W 49/13; BayObLG, Beschluss vom 19.04.2000, Az. 1Z BR 159/99, jeweils zitiert nach juris).

Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen durfte der Richter des Nachlassgerichts hier – wie gesagt – seine Entscheidung nicht ohne weitere Ermittlungen alleine auf die von dem Sachverständigen getroffene Feststellung stützen, es könne „…durchaus sein, dass Frau A hier einmal einen lichten Augenblick hatte und genau erkannt hat, worum es geht.“.

Es ist schon nicht ersichtlich, auf welcher tatsächlichen Grundlage die genannte Äußerung des Sachverständigen SV1 beruht, was insbesondere auch für seine weitere Feststellung gilt: „Wenn Sie mich weiter fragen, ob es auch lichte Momente gegeben haben könnte, in denen sie sogar die Einbrecher vergisst, dann kann ich nur wiederholen, dass dieses Krankheitsbild stark flukturierend ist. Es ist gar nicht einmal ausgeschlossen, dass so etwas vorkommt.“. Für den Senat liegt es allerdings im Hinblick auf den Inhalt des gerichtlichen Protokolls über die Anhörung des Sachverständigen nahe, dass der Sachverständige Form und Inhalt des maßgeblichen Testaments der Erblasserin vom 29.11.2012 – nachdem in seiner vorherigen schriftlichen Gutachtenerstellung diesbezügliche Feststellungen völlig fehlen – erstmals im Rahmen der mündlichen Anhörung überhaupt näher zur Kenntnis genommen und zum Anlass für seine genannten Ausführungen genommen hat. Dies ergibt sich so jedenfalls aus seiner protokollierten Erklärung: „Das klingt doch eigentlich ganz gut, hat sie da einen lichten Augenblick gehabt? Die Schrift ist in Ordnung und die Sache ist auch gedanklich nachvollziehbar.“. Wie oben bereits dargelegt, steht aber der Umstand, dass ein Erblasser ein Testament formuliert hat, das für sich genommen nach Form und Inhalt keine Anzeichen einer krankhaften Geistesstörung erkennen lässt, der Annahme einer Testierunfähigkeit wegen einer krankhaften Wahnsymptomatik nicht entgegen. Dass der Sachverständige SV1 auch seine weiteren Ausführungen bezüglich des „wechselnden“/ „stark schwankenden“ Misstrauens gegenüber Verwandten und sonstigen Personen, bzw. der „stark flukturierenden“ Misstrauenszustände und weiterhin, dass es bei Psychosen durchaus sein könne, dass der Patient auf einmal klar erkenne, „wie es auch ein Dritter sehen würde“, überhaupt auf konkrete, die Erblasserin betreffende Fakten abseits der von ihm in Bezug genommenen Form und des Inhalts des Testaments gestützt hat, oder stützen konnte, ist demgegenüber weder aus dem übrigen Protokollinhalt noch sonst aus der Akte ersichtlich.

Insbesondere ergibt sich dies auch nicht aus seinem vorausgegangenen schriftlichen Sachverständigengutachten. Eine derartige tatsächliche Grundlage hat auch das Nachlassgericht nicht angeführt, bzw. zuvor ermittelt. Nach derzeitiger Aktenlage spricht demgegenüber aber einiges für die Auffassung der Beschwerde, wonach es sich bei dem – jedenfalls von Sachverständigem und Nachlassgericht dem Grunde nach bejahten – krankhaften Wahn der Erblasserin um einen bereits chronischen Wahn handelte. Hierfür spricht jedenfalls, dass die wohl irrealen Wahrnehmungen der Erblasserin – selbst wenn sie im Ausgangspunkt tatsächlich einmal bestohlen worden sein sollte – über das fortlaufende Eindringen eines Diebes in ihr Haus, seiner andauernden neuen Diebstähle unter teilweisem Zurückbringen von angeblich gestohlenen Gegenständen unter angeblicher Mitnahme wiederum anderer Gegenstände, bereits mehre Jahre vor Testamentserrichtung immer wieder von der Erblasserin auch Dritten gegenüber mitgeteilt worden sind. Hierzu wird beispielsweise auf die Vielzahl der schon im Jahr 2008 beginnenden polizeilichen Protokolle über entsprechende Anzeigen der Erblasserin Bezug genommen, dort insbesondere auf den von der Erblasserin selbst ausgefüllten Zeugen-Fragebogen zu ihrer Anzeige vom 24.09.2009 (Bl. 45 ff der Akte), den Vermerk des Nachlassgerichts in der Nachlassakte des vorverstorbenen Bruders der Erblasserin vom 29.12.2009 über den Anruf der Erblasserin bei dem Nachlassgericht unter Mitteilung, sie könne das Testament des Bruders nicht finden, weil es wahrscheinlich vom Dachdecker gestohlen worden sei, der ständig bei ihr und ihrem verstorbenen Bruder einbreche und Sachen klaue, auch Sterbe- und Geburtsurkunden und auch Sachen zerstöre (Bl. 4 R der dortigen Akte), das oben bereits erwähnte Gutachten des SV3 vom 08.03.2010, die Stellungnahme des SV4 vom … vom 28.12.2009 und das Anhörungsprotokoll des Betreuungsrichters J vom 05.01.2010 (Bl. 1 f, 3 der Betreuungsakte des Amtsgerichts Stadt1 zu Az. …). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich schon aus dem in Bezug genommenen Gutachten des SV3 ergibt, dass die Erblasserin sich damals keiner ärztlichen Behandlung unterzogen hat und insgesamt nicht krankheitseinsichtig war. Dafür, dass sich die Erblasserin nachfolgend einer Behandlung unterzogen hat, gibt es jedenfalls aus dem bisherigen Akteninhalt keinerlei Anhalt. Aus dem dann nur zwei Monate nach Testamentserrichtung erstellten, oben bereits erwähnten Sachverständigengutachten der SV2 vom 06.02.2013 ergibt sich vielmehr, dass die Erblasserin jedenfalls zu diesem Zeitpunkt kein Psychopharmakum eingenommen hat und im Rahmen der Anhörung immer wieder auf die Wahrnehmung zurückgekommen ist, sie werde bestohlen und dabei realitätsferne Darstellungen geäußert hat. Weiterhin ergibt sich aus diesem Gutachten, dass die Erblasserin die Realitätsferne ihrer Darstellung nicht wahrnehmen und kritisch reflektieren konnte, sich inhaltlich wahnhafte Vorstellungen mit der Überzeugung bestohlen, beeinträchtigt und fortlaufend im Fokus des Interesses zu stehen ergeben haben, wovon sie unkorrigierbar überzeugt gewesen ist. Die dortige Sachverständige hat weiterhin darauf hingewiesen, eventuell solle der Versuch unternommen werden, die Erblasserin auf Psychopharmaka einzustellen, auch wenn isoliert wahnhafte Störungen nur teilweise auf die Gabe von Medikamenten ansprechen würden.

Eine Auseinandersetzung mit diesen Umständen findet sich, wie gesagt, weder in dem Protokoll über die mündliche Anhörung des Sachverständigen SV1, noch in den Ausführungen des angefochtenen Beschlusses des Nachlassgerichts. Dies wäre jedoch schon aus dem Grund erforderlich gewesen, weil bei den meisten dauerhaften, geistigen, nachhaltig wirkenden Erkrankungen sogenannte „luzide Intervalle“ ausgeschlossen werden, die der Richter des Nachlassgerichts hier aber aufgrund der Äußerungen des Sachverständigen bei seiner tragenden Begründung des angefochtenen Beschlusses für den Zeitpunkt der Abfassung des Testaments am 29.11.2012 meinte, nicht ausschließen zu können (vgl. Baumann in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 2229, Rn. 41). Insoweit weist Cording (a.a.O., S. 120) darauf hin, dass sich bei chronischen Störungen die Beurteilung der Testierfähigkeit nach den im fraglichen Zeitraum vorhandenen Dauerveränderungen richtet. Wenn im Rahmen einer derartigen Erkrankung ihrem Wesen nach chronische psychopathologische Symptome bzw. Syndrome belegt seien, die Testierunfähigkeit bedingten, so seien kurzfristige (Stunden, Tage dauernde) „luzide Intervalle“ mit Wiedererlangung der Urteilsfähigkeit praktisch ausgeschlossen und als ernsthafte Möglichkeit im Sinne der Rechtsprechung nicht in Betracht zu ziehen (in diesem Sinne wohl auch Venzlaff/Foerster, a.a.O., S. 518, 519, soweit sich bei chronisch verlaufenden psychischen Störungen die Beurteilung nach den vorhandenen Dauerveränderungen richte; vgl. hierzu auch OLG München, Beschluss vom 01.07.2013, Az. 31 Wx 266/12, zitiert nach juris, allerdings im Zusammenhang mit einer chronisch-progredienten Demenz). Dementsprechend hat auch bereits das Bayerische Oberste Landesgericht (Beschluss vom 20.07.1962, Az. BReg 1Z 33/61 in BayObLGZ 62, 219 ff) eine dortige Sachverständigenbegutachtung zur Begründung seiner Entscheidung herangezogen, nach der die dortige Erblasserin an einem Altersparanoid gelitten habe, durch das schlechthin, also ohne, das lichte Augenblicke möglich gewesen wären, ihre Testierunfähigkeit ausgelöst worden sei.

Der Richter am Nachlassgericht hätte demnach seine abschließende Entscheidung noch nicht treffen dürfen, da zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht einmal das konkrete Krankheitsbild der Erblasserin vollständig ermittelt worden war, das dann in seiner Bedeutung für die Testierfähigkeit der Erblasserin hätte zu Grunde gelegt werden können.

Dies wird das Nachlassgericht nunmehr nachzuholen haben.

Dabei liegt es nahe – nicht zuletzt im Hinblick auf die von dem Richter des Nachlassgerichts in seinem angefochtenen Beschluss selbst festgestellte geringe Verwertbarkeit des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen SV1 vom 28.08.2015, das nach seiner Ansicht einen Weg zur dort gestellten Diagnose nicht habe erkennen lassen, und den von ihm in Bezug genommenen Ablauf der mündlichen Anhörung des Sachverständigen – für das weitere Verfahren einen anderen Sachverständigen zu beauftragen (vgl. § 30 FamFG Abs. 1 FamFG, § 412 Abs. 1 ZPO). Im Hinblick auf die vorliegend besonders anspruchsvolle Aufgabe ist es zu empfehlen, bei der Auswahl des Sachverständigen wiederum darauf zu achten sein, dass es sich bei dem Sachverständigen soweit möglich wiederum um einen Facharzt für Psychiatrie mit dem Schwerpunkt „Forensische Psychiatrie“ der Ärztekammern handelt und/oder mit dem Zertifikat „Forensische Psychiatrie“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Weiterhin sollte er sich mit dem Spezialgebiet der Begutachtung der Geschäfts- und Testierfähigkeit bereits in besonderer Weise auseinandergesetzt haben (vgl. Cording, „Beweismittel zur Klärung der Testier(un)fähigkeit“, ZEV 2010, 23 ff, 9,10).

Dieser Sachverständige wird sich – neben der zunächst herauszuarbeitenden vollständigen Diagnose – insbesondere auch erstmals mit der oben bereits dargelegten Frage auseinanderzusetzen haben, ob sich eine gegebenenfalls bei der Erblasserin festzustellende krankhafte Wahnvorstellung inhaltlich auf Themen bezog, die für ihre Willensbildung in Bezug auf die vorliegende Testamentserrichtung als relevant angesehen werden können.

Hierbei wird er auch auf den Umstand einzugehen haben, dass die Erblasserin mit dem Beteiligten zu 3) den Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Firma1 in Stadt2 (genau: Firma1-GmbH) nebst dessen Bruder – den Beteiligten zu 4) – zu ihren alleinigen Erben eingesetzt hat; weiterhin, dass sie diese Personen offensichtlich aus Anlass ihrer, gegebenenfalls wahnhaften Bestehlungsängste kennengelernt hat, und sie außerdem in der Folgezeit – möglicherweise ebenfalls begründet durch ihre gegebenenfalls bestehenden wahnhaften Bestehlungsängste – unwidersprochen das Haus von den „Kriminologen und Detektiven“ mit Kameras hat ausstatten lassen und auch zumindest 40.000 € an diese Detektei überwiesen hat, wobei die Erblasserin auch selbst ausweislich eines Vermerks des Betreuungsrichters J vom 10.04.2013 eingeräumt hat, viel Geld an den Detektiv gezahlt zu haben, Detektive seien so teuer (vgl. Betreuungsakte des Amtsgericht Stadt1 zu Az. ..: Polizeiprotokoll vom 25.01.2013, Bl. 3, Gutachten der Sachverständigen SV2, Bl. 12 und Anhörungsvermerk des Betreuungsrichters J, Bl. 22 R der dortigen Akte).

Der Sachverständige wird sich also intensiv mit der Frage zu befassen haben, ob die Erblasserin in ihrer Motivbildung zur Testamentserrichtung nicht mehr frei und unabhängig von einer gegebenenfalls bestehenden krankhaften Wahnvorstellung gewesen ist und somit ausschließlich andere, nicht krankhaft bestimmte Motive – wie sie die Beteiligten zu 3) und 4) aufgrund einer angeblich zur Erblasserin entwickelten Freundschaft geltend machen wollen – ihre Testamentserrichtung alleine nicht mehr bestimmen konnten.

Der Sachverständige wird dann auch zu begutachten haben, ob – wie es der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3) und 4), allerdings ohne Angabe tragfähiger Gründe, für möglich erachtet – bei der Erblasserin keine krankhaften Wahnvorstellungen vorgelegen haben sondern vielmehr eine Psychopathie oder aber lediglich ein nicht krankhafter Altersstarrsinn.

Weiterhin wird das Nachlassgericht auch zu prüfen haben, ob es – gerade auch im Hinblick auf die Frage der Chronifizierung eines möglicherweise bei der Erblasserin bestehenden Wahns – noch weitere Zeugen vernimmt, so insbesondere die medizinisch geschulten Zeugen, wie die sich aus der Betreuungsakte (Amtsgericht Stadt1, Az. …) ergebende dortige Sachverständige SV2, den sich aus der weiteren Betreuungsakte (Amtsgericht Stadt1, Az. …) ergebenden SV4, den sich aus der kopierten Akte des … (Referat Fahrerlaubniswesen) ergebenden SV3, und den sich ebenfalls aus dieser Akte ergebenden SV5, der der Erblasserin unter dem 27.04.2010 ein ärztliches Attest zur Vorlage bei der Führerscheinbehörde erstellt hat, aus dem sich ergibt, dass die Erblasserin an einer milden Ausprägung eines wahnhaften Erlebens im Senium leide, das sich ganz wesentlich auf Vorgänge im häuslichen Umfeld beziehe, und die Fahrtauglichkeit im vorliegenden Fall nicht einzuschränken scheine. Dies gilt aber auch für sonstige, unter anderem auch von den Beteiligten angeführte Zeugen, so den die Erblasserin im zweiten Betreuungsverfahren vertretenden Rechtsanwalt RA1, den Richter im Betreuungsverfahren J, Herrn C oder auch die Nachbarn der Erblasserin, also den Ortsgerichtsvorsteher Z1, sowie Z2 und Frau Z3 (vgl. Bl. 95 der Akte). Allerdings bietet sich insoweit für das Nachlassgericht an, bereits vor der Vernehmung von weiteren Zeugen – die dann in Anwesenheit des Sachverständigen stattfinden sollte, um weitere Nachfragen des Sachverständigen zu ermöglichen, durch die eine bessere Aufklärung der für ihn zur Gutachtenerstellung maßgeblichen Anknüpfungstatsachen erfolgen kann – dem Sachverständigen die Akten bereits zu einer ersten Durchsicht zu überlassen und dabei mitzuteilen, welche Zeugen nach der Absicht des Nachlassgerichts vernommen werden sollen. Der Sachverständige kann sich dann nämlich zuvor noch dazu äußern, dass und warum jedenfalls aus seiner medizinischen Sicht für die Erstellung seines Gutachtens die Ermittlung weiterer Anknüpfungstatsachen durch die Vernehmung von weiteren behandelnden Ärzten oder von sonstigen Zeugen möglicherweise überhaupt nicht erforderlich ist oder aber erforderlich ist.

Eines Ausspruchs über die Gerichtskosten bedarf es angesichts des Erfolgs der Beschwerde nicht, § 25 Abs. 1, § 22 Abs. 1 GNotKG.

Das Nachlassgericht wird auch darüber zu befinden haben, ob eine Erstattung der zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten stattfinden soll und wer diese gegebenenfalls zu tragen haben wird (vgl. Zimmermann, a.a.O., § 84, Rn. 9; Sternal, a. a. O. § 69 FamFG, Rn. 16, 39a). Es wird auch über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der in dem aufgehobenen Verfahren angefallenen Auslagen zu befinden haben.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 61 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GNotKG (vgl. Senat, Beschluss vom 03.03.2015, Az. 20 W 380/13, zitiert nach juris), wonach für das Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts im Verfahren über die Erbscheinserteilung der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls unter Abzug nur der vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten (§ 40 Abs. 1 S. 2 GNotKG) maßgeblich ist. Mangels konkreter Angaben der Beteiligten, aber im Hinblick darauf, dass sich im Nachlass jedenfalls ein Hausgrundstück in Stadt1 befindet, geht der Senat von einem Nachlasswert in Höhe von 400.000 € aus.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind, § 70 FamFG. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben, weil das Gesetz eine solche für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht vorsieht.

Rechtsgebiete
FamFG, BGB
Vorschriften
BGB § 2229; BGB § 2358; FamFG § 26; FamFG § 69 Abs. 1

Kostenbescheid wegen Bestattungskosten gegenüber Angehörigen

Quelle: gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2017-N-115817
VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 06.06.2017 – Au 7 K 16.716

Normenketten:
BestG Art. 14 Abs. 2 Satz 2
BestG Art. 14 Abs. 2 Satz 1
BestV § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1b
BestV § 15
Leitsätze:
1. Können bestattungspflichtige Angehörige in angemessener Zeit nicht ermittelt werden und ihnen gegenüber deshalb keine Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 BestG ergehen, liegt ein unaufschiebbarer Fall iSd Art. 14 Abs. 2 S. 1 BestG vor. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Bestattungspflicht eines Angehörigen besteht auch bei gestörten Familienverhältnissen und unabhängig von der erbrechtlichen Stellung des Angehörigen und dem Vermögen des Verstorbenen; ein Ausnahmefall besteht nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen, die zu einer Verurteilung des Verstorbenen geführt haben (VGH München BeckRS 2009, 39214). (Rn. 32, 34 und 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bestattungspflicht, Polizeiliche Ersatzvornahme (Überführung des Leichnams ins Leichenhaus), Kostenersatz, Sohn als Bestattungspflichtiger, Angehörige, gestörte Familienverhältnisse, Ausnahmefall, schwere Straftaten des Verstorbenen, Erbe, ausreichendes Vermögen des Verstorbenen
Fundstellen:
FamRZ 2018, 138
ErbR 2018, 285
BeckRS 2017, 115817
LSK 2017, 115817

Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem Kosten für die Bestattung seiner Mutter in Höhe von 493,00 EUR geltend gemacht werden.
2
1. Am 23. November 2015 wurde die Polizei … zur Wohnung der Mutter des Klägers, der Frau … (geb.: …1960) gerufen. Der vor Ort befindliche Notarzt konnte nur noch den Tod der Frau … feststellen. Durch die anschließend herbeigerufene Hausärztin, Frau Dr. …, wurde im Rahmen der ärztlichen Leichenschau eine natürliche Todesursache bescheinigt. Nachdem keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten vor Ort waren, veranlasste die Polizei die Überführung des Leichnams.
3
Das Bestattungsinstitut,, stellte der Polizeiinspektion … mit Rechnung vom 9. Dezember 2015 folgende Leistungen in Rechnung:
4
– Bergung und Überführung zum Leichenhaus mit 2 Mann, inkl. 1 Unfallsarg und 1 Bergungshülle 299,00 EUR
5
– Zuschlag für erschwerte Bergung 99,00 EUR
6
– Zuschlag für Abholung/Bergung außerhalb der Geschäftszeiten 95,00 EUR
7
Inklusive 19% Mehrwertsteuer = 78,71 EUR (Netto: 414,29 EUR)
8
Gesamtbetrag: 493,00 EUR
9
Mit Schreiben des Polizeipräsidiums … vom 7. März 2016, dem die Rechnung des Bestattungsinstituts … vom 9. Dezember 2015 beilag, wurde der Kläger zur Absicht des Beklagten angehört, ihm die Auslagen für die Überführung in Rechnung zu stellen. Eine Äußerung des Klägers innerhalb der gesetzten Frist (6.4.2016) erfolgte nicht.
10
2. Mit Bescheid (Kostenrechnung) des Beklagten vom 8. April 2016 wurde der Kläger dazu verpflichtet, die Kosten für die Überführung der verstorbenen Frau … in Höhe von insgesamt 493,00 Euro zu erstatten.
11
Den Gründen des Bescheids ist zu entnehmen, dass der Beklagte gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 des Bestattungsgesetzes (BestG) vom Kläger als Sohn der Verstorbenen Kostenersatz fordere, da er der nächste Angehörige sei.
12
3. Mit Schreiben vom 4. Mai 2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 9. Mai 2016, erhob der Kläger Klage gegen die Kostenrechnung vom 8. April 2016 und beantragte (sinngemäß),
13
die Kostenrechnung vom 8. April 2016 aufzuheben.
14
Zur Begründung trug er vor, ihm sei kein Gebührenbescheid bekannt, noch hätten er oder sein Vater den Auftrag dazu erteilt. Da weder er noch sein Vater seit Jahren Kontakt zu Frau … gehabt hätten, diese ihn und seinen Vater fast 15 Jahre lang vor Gericht gezerrt habe, würden sein Vater und er jedwede Beteiligung an irgendwelchen Kosten ablehnen. Er habe auch das Erbe von Frau … ausgeschlagen.
15
Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 23. Mai 2016,
16
die Klage abzuweisen.
17
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Polizeiinspektion … dazu berechtigt gewesen sei, die einer Bestattung vorausgehenden notwendigen Verrichtungen, wozu auch die Überführung eines Leichnams in das nächstgelegene Leichenhaus zähle, in Auftrag zu geben. Für diese Auslagen könne von den Bestattungspflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangt werden. Bestattungspflichtig seien regelmäßig die nächsten Angehörigen, in diesem Fall der Kläger als Kind der Frau … Bei Erhebung diese Kosten stehe der Behörde ein begrenzter Ermessensspielraum zu, der nur bei außergewöhnlichen Umständen ein Abweichen von der Kostenerhebung zulasse. Solche Umstände seien weder ersichtlich noch vom Kläger dargelegt worden.
18
Mit gerichtlichem Schreiben vom 14. Oktober 2016 wurde dem Kläger dargelegt, warum sich der Kostenbescheid als rechtmäßig darstellt und angeregt, die Klage zurückzunehmen. Eine Reaktion des Klägers auf das gerichtliche Schreiben erfolgte nicht.
19
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 5. Mai 2017 wurde der Rechtsstreit auf die Einzelrichterin übertragen (§ 6 Abs. 4 Satz 1 VwGO).
20
Mit Schreiben des Gerichts vom 8. Mai 2017 wurden die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Der Kläger, dem das Anhörungsschreiben laut Postzustellungsurkunde am 11. Mai 2017 zugestellt worden war, äußerte sich nicht. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 11. Mai 2017 ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise.
21
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
22
Die Entscheidung konnte im vorliegenden Fall durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Parteien wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu dieser Form der Entscheidung angehört. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
II.
23
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
24
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 (Kostenrechnung) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
25
1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
26
Auch wenn der Bescheid die Überschrift „Kostenrechnung“ trägt handelt es sich erkennbar um einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), nämlich einen Leistungsbescheid, der vom Beklagten im öffentlich-rechtlichen Bereich und damit in hoheitlicher Tätigkeit erlassen wurde. Der Leistungsbescheid ist schriftlich erlassen worden, lässt die erlassende Behörde (Polizeipräsidium …) erkennen und enthält die Unterschrift bzw. Namenswiedergabe des Behördenleiters bzw. seines Beauftragten (vgl. Art. 37 Abs. 1 bis 3 VwVfG). Der Bescheid enthält eine Begründung (vgl. Art. 39 Abs. 1 VwVfG) und eine (ordnungsgemäße) Rechtsbehelfsbelehrung:.
27
2. Der Bescheid vom 8. April 2016 unterliegt auch in materieller Hinsicht keinen Zweifeln. Der Beklagte hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die erstattungsfähigen Kosten für die von ihm veranlasste Überführung der Mutter des Klägers in das nächst gelegene Leichenhaus durch Leistungsbescheid gegenüber dem Kläger geltend gemacht.
28
Rechtsgrundlage für den Bescheid ist Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Bestattungsgesetz (BestG). Danach kann der Träger der Polizei von einem Bestattungspflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangen, wenn er gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG in unaufschiebbaren Fällen u.a. für die der Bestattung vorausgehenden notwendigen Verrichtungen – hier: Überführung der Verstorbenen ins Leichenhaus – Sorge tragen musste, weil der nach § 15 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Bestattungsverordnung (BestV) Bestattungspflichtige seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist und Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 BestG nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgversprechend gewesen sind.
29
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
30
Die Überführung der Verstorbenen zum Leichenhaus durfte von der Polizei beziehungsweise von dem durch diese beauftragten Bestattungsunternehmen durchgeführt werden. Bestattungspflichtige Angehörige konnten in angemessener Zeit nicht ermittelt werden, so dass diesen gegenüber keine Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BestG ergehen konnten. Es lag damit ein unaufschiebbarer Fall im Sinne des Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG vor.
31
Der Kläger ist als Sohn der Verstorbenen bestattungspflichtig nach § 15 Satz 1 der Bestattungsverordnung – BestV – in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b) BestV.
32
Im Hinblick auf das Bestehen bzw. Fortbestehen der Bestattungspflicht der Angehörigen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung klargestellt, dass es auch bei gestörten Familienverhältnissen bei der Bestattungspflicht der Angehörigen verbleibt. Die Bestattungspflichtigen sind aufgrund der gesetzlichen Regelung des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG im Wege des intendierten Ermessens zum Kostenersatz zu verpflichten, d.h. in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei. Denn nach der Zweckrichtung der Regelung in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG entspricht es regelmäßig ohne Ansehung der tatsächlichen persönlichen Beziehung des Pflichtigen zum Verstorbenen dem Interesse der Allgemeinheit an der rechtmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Steuergeldern, die durch die Gemeinde oder wie hier durch die Polizei verauslagten Bestattungskosten vom Bestattungspflichtigen zurückzufordern. Die in Art. 15 Abs. 2 BestG und §§ 1 und 15 BestV aufgezählten Angehörigen eines Verstorbenen stehen diesem im Sinne einer Solidargemeinschaft ungeachtet ihrer persönlichen Beziehungen zueinander allein schon aufgrund der familiären Verbundenheit regelmäßig näher als die Allgemeinheit, so dass es deshalb vorrangig ihnen obliegen muss, für eine Bestattung zu sorgen und die damit verbundenen Kosten zu tragen. Bei der Bestattungspflicht und der hieraus resultierenden Kostentragungspflicht geht es vor allem darum, die private Verantwortungssphäre von derjenigen der Allgemeinheit abzugrenzen. In Fällen dieser Art bedarf es einer Darlegung der Ermessenserwägungen nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten. Außergewöhnliche Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten, können danach nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zulasten des an sich Bestattungspflichtigen angenommen werden (BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 4 ZB 12.2528 – juris Rn. 12; B.v. 17.1.2013 – 4 ZB 12.2374 – juris Rn. 7; B.v. 19.12.2011 – 4 C 11.2581 -juris Rn. 7; B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815 – BayVBl 2009, 537 jeweils m.w.N.).
33
Gemessen daran unterliegt der streitgegenständliche Bescheid keinen durchgreifenden Zweifeln. Als Sohn der Verstorbenen ist der Kläger Bestattungspflichtiger im Sinne von Art. 15 BestG i.V.m. § 15 und § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 b BestV. Vorrangig Bestattungspflichtige sind nicht vorhanden.
34
Umstände, die die Annahme eines besonderen Ausnahmefalles und damit eine von dem in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG normierten Regelfall abweichende Ermessensentscheidung des Beklagten rechtfertigen könnten, sind vorliegend weder dargetan noch sonst ersichtlich. Das erkennende Gericht teilt die Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass ein solcher Ausnahmefall nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen, die zu einer Verurteilung des Verstorbenen geführt haben, angenommen werden kann (BayVGH. B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815 – BayVBl 2009, 537, juris).
35
Für eine solche Fallgestaltung ist hier nichts ersichtlich.
36
Daher ist es unerheblich, dass der Kläger hier die der Bestattung notwendig vorausgehenden Verrichtungen nicht selbst in Auftrag gegeben hat. Der Beklagte war hierzu gesetzlich ermächtigt.
37
Es kommt des Weiteren auch nicht darauf an, ob der bestattungspflichtige Kläger der Erbe seiner verstorbenen Mutter ist. Denn die Bestattungspflicht der Angehörigen und die daran anknüpfende Pflicht zur Kostenerstattung stellen öffentlich-rechtliche Verpflichtungen dar, die unabhängig von der erbrechtlichen Lage bestehen; diese Verpflichtungen sind selbst dann zu erfüllen, wenn der Verstorbene ein für die Bestattung ausreichendes Vermögen hinterlassen hat (BayVGH, B.v.8.6.2015 – 4 ZB 15.364 – juris Rn.3). Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch besteht auch unabhängig davon, wer zivilrechtlich verpflichtet ist, die Bestattungskosten zu tragen; (vgl. Klingshirn, Bestattungsrecht in Bayern, Erläuterung XIX, RdNr. 8 a). Die Ausschlagung des Erbes durch den Kläger hat demnach keine Auswirkungen auf die Verpflichtung zur Erstattung der Kosten.
38
Die Höhe der geltend gemachten Kosten für die Bergung und Überführung zum Leichenhaus begegnet weder sachlichen noch rechtlichen Bedenken. Solche wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
39
Die Klage war daher abzuweisen.
III.
40
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
41
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses trotz der Dürftigkeitseinrede ist bei Kostenübernahme durch den Berechtigten gerechtfertigt

Oberlandesgericht München: Urteil vom 01.06.2017 – 23 U 3956/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

OLG München, 01.06.2017 – 23 U 3956/16

In dem Rechtsstreit

– Kläger und Berufungsbeklagter –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
gegen

– Beklagte und Berufungsklägerin –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
wegen Auskunft
erlässt das Oberlandesgericht München – 23. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, die Richterin am Oberlandesgericht … und die Richterin am Oberlandesgericht … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2017 folgendes
Endurteil
Tenor:

1.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 12.08.2016, Az. 6 O 2889/16, wird zurückgewiesen.
2.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht als Pflichtteilsberechtigter im Wege der Stufenklage Ansprüche gegen die Beklagte als Erbin geltend. Die Beklagte ist die Ehefrau des Erblassers, der Kläger ein Sohn. Mit Erbvertrag vom 11.11.2003 (Anlage K 1) und Nachtrag vom 19.03.2012 (Anlage K 3) setzten der Erblasser und die Beklagte sich gegenseitig als Alleinerben nach dem Tod des Erstverstrebenden und als Schlusserben den anderen Sohn der Beklagten und dessen Tochter ein. Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 19.02.2015 (Anlage K 6) dem Kläger ein Nachlassverzeichnis mit Belegen und erteilte mit Schreiben vom 14.04.2015 weitere Auskünfte über den Nachlass.

Der Kläger behauptet, die erteilten Auskünfte seien lückenhaft.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses (Aktiva und Passiva) des am 01.09.2014 verstorbenen Erblassers, Siegfried Rudolf M., zum Todestag durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Kläger und sein Rechtsbeistand hinzuziehen sind,

hilfsweise dass das durch den Notar aufgenommene Verzeichnis im Falle der Dürftigkeit des Nachlasses auf Kosten des Klägers erstellt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe bereits vollständig über den Nachlass Auskunft erteilt. Zudem sei der Nachlass überschuldet und das Vorgehen des Klägers rechtsmissbräuchlich.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Beklagte durch Teilurteil verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines durch einen Notar auf Kosten des Klägers aufgenommenen Verzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Rechtsbeistand des Klägers anwesend ist. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1. (Auskunftserteilung) abgewiesen. Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs sei nicht rechtsmissbräuchlich. Allerdings führe die Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch die Beklagte dazu, dass das notarielle Nachlassverzeichnis auf Kosten des Klägers zu erstellen sei.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Der Antrag des Klägers sei rechtsmissbräuchlich, da die Beklagte die Auskünfte schon erteilt habe und ein notarielles Nachlassverzeichnis keine höhere Gewähr für die Richtigkeit biete. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die Dürftigkeit des Nachlasses durch Erstellung eines Inventarverzeichnisses oder durch eine eidesstattliche Versicherung nachzuweisen. Der Kläger habe auch dann keinen Anspruch auf ein notarielles Verzeichnis, wenn er sich bereit erkläre, die Kosten dafür zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt daher:

Das Teilurteil des Landgerichts München I, Az. 6 O 2889/16, vom 12.08.2016 wird aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am 01.09.2014 verstorbenen Erblassers Siegfried Rudolf M. zum Todestag durch Vorlage eines durch einen Notar auf Kosten des Klägers aufgenommenen Verzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Rechtsbeistand des Klägers hinzuzuziehen ist. Der Antrag auf Auskunft wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2017 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, verbleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist die Berufungssumme nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht. Auf den Beschluss des Senats vom 04.01.2017 (Bl. 74 ff d.A.) wird Bezug genommen.

2. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

2.1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erteilung eines notariellen Verzeichnisses aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB zu.

2.1.1. Der Kläger ist unstreitig Pflichtteilsberechtigter, die Beklagte die Alleinerbin.

2.1.2. Das Verlangen des Klägers ist nicht rechtsmissbräuchlich.

2.1.2.1. Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Vorlage eines notariellen Verzeichnisses wird nicht dadurch berührt, dass der Erbe bereits ein privates Verzeichnis vorgelegt hat. Vielmehr kann der Pflichtteilsberechtigte die Ansprüche auf Erteilung eines privaten und eines notariellen Verzeichnisses neben- oder hintereinander geltend machen (BGH NJW 1961, S. 602, 604 [BGH 02.11.1960 – V ZR 124/59]; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2007, S. 881 f; Müller in Beckscher Online-Kommentar BGB, Stand 01.08.2016, § 2314 Rz. 22; Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, § 2314 Rz.7). Das Verlangen nach einem notariell aufgenommenen Verzeichnis ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn zuvor ein privates Verzeichnis vorgelegt wurde. Denn dem notariell aufgenommenen Verzeichnis kommt eine größere Richtigkeitsgarantie zu (BGH NJW 1961, S. 602, 604 [BGH 02.11.1960 – V ZR 124/59]; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2007, S. 881 f; Müller, a.a.O, Rz. 23). Der Notar ist für dessen Inhalt verantwortlich, hat den Verpflichteten zu belehren und ist in gewissem Umfang zur Vornahme eigener Ermittlungen und Überprüfung der Richtigkeit der Angaben des Erben verpflichtet (BGH NJW 1961, S. 602, 604 [BGH 02.11.1960 – V ZR 124/59]; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2007, S. 881, 882; OLG Koblenz, NJW 2014, S. 1972 f; Müller, a.a.O., Rz. 23). Je nach Einzelfall hat der Notar beispielsweise das Grundbuch einzusehen und ggf. Bankunterlagen anzufordern (OLG Koblenz, NJW 2014, S. 1972 [OLG Koblenz 18.03.2014 – 2 W 495/13] f; Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, § 2314 Rz. 7).

Nur in besonderen Einzelfällen kann dem Anspruch aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB, wie jedem anderen Anspruch auch, der Einwand des Rechstmissbrauchs oder der Schikane entgegenstehen, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BGH NJW 1961, S. 602, 604 [BGH 02.11.1960 – V ZR 124/59]; Stenzel, ZJS 2014, S. 110 ff, 114).

2.1.2.2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Verlangen des Klägers nicht rechtsmissbräuchlich:

Wie oben dargelegt, schließt allein die Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses nebst ergänzenden Auskünften durch die Beklagte den Anspruch des Klägers nicht aus und macht sein Begehren auch nicht rechtsmissbräuchlich. Besondere Umstände, die zu einem anderen Ergebnis führten, liegen nicht vor. Zwar ist die Beklagte bereits betagt und nach ihrem Vortrag krank und die Parteien sind seit langem verstritten. Dies lässt die Klage aber nicht rechtsmissbräuchlich erscheinen. Dass der Kläger für das notariell aufgenommene Verzeichnis keinerlei Verwendung hätte und es aus überwiegend pflichtteilsfremden Gründen einforderte, ist – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 17.05.2017 – nicht ersichtlich. Selbst wenn der Kläger die Vermögensverhältnisse des Erblassers im Jahr 2003 „bestens“ gekannt hätte, ließe sich daraus nicht folgern, dass der Kläger den genauen Bestand des Nachlasses 2014 kannte. Insbesondere ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zum Erblasser hatte.

2.2. Die Beklagte kann sich vorliegend nach Treu und Glauben, § 242 BGB, nicht auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen.

2.2.1. Grundsätzlich kann der Erbe die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses dann verweigern, wenn ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für den Notar entnommen werden können, nicht vorhanden sind. Die Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses kann nicht unerhebliche Kosten verursachen. Nach § 2314 Abs. 2 BGB fallen die Kosten des notariellen Verzeichnisses dem Nachlass zur Last. Ist ein Aktivnachlass nicht vorhanden, hätte letztlich der Erbe diese Kosten aus seinem Privatvermögen aufzubringen. Dies spricht dafür, entsprechend § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB dem Erben die Möglichkeit zu eröffnen, bei Dürftigkeit des Nachlasses die Erholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu verweigern (OLG Schleswig, ZEV 2011, S. 31 [OLG Schleswig 30.07.2010 – 3 W 48/10]; OLG München, Beschluss vom 17.06.2013, 20 U 2127/13, […] Tz. 5; Otte in Staudinger, BGB, 2015, § 2314 Rz. 105; Weidlich in Palandt, a.a.O., § 2314 Rz. 18). Entsprechendes hat der BGH bereits für den Wertermittlungsanspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB angenommen (BGH, Urteil vom 19.04.1989, IV a ZR 85/88, […] Tz. 8). Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Anspruch auf ein notarielles Verzeichnis für den Pflichtteilsberechtigten elementarer sein kann als der Wertermittlungsanspruch, bei dem der Pflichtteilsberechtigte von der Zugehörigkeit der zu bewertenden Sache zum Nachlass ohnehin schon Kenntnis hat. Dennoch wird der Pflichtteilsberechtigte nicht ganz schutzlos gestellt. Ihm verbleibt jedenfalls die Möglichkeit, eine private Auskunft nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB und ggf. eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auskunft vom Erben zu verlangen (OLG Schleswig, ZEV 2011, S. 31).

2.2.2. Ausgehend hiervon könnte die Beklagte grundsätzlich die Erteilung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verweigern, sofern – wie von ihr behauptet – der Nachlass dürftig wäre. Den Nachweis der Dürftigkeit hat die Beklagte zu führen (Weidlich in Palandt, a.a.O., § 1990 Rz. 2). Indessen kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob tatsächlich der Nachlass überschuldet und kein Aktivnachlass vorhanden ist, wie die Beklagte behauptet. Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls ist es der Beklagten nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Einrede der Dürftigkeit nach § 1990 Abs. 1 BGB zu berufen.

Der Kläger hat der Beklagten mehrfach ausdrücklich angeboten, die gesetzlich anfallenden Notarkosten zu übernehmen. Darüber hinaus hat der Kläger – zuletzt im Schriftsatz vom 03.04.2017 (S. 9, Bl. 92 d.A.) sogar angeboten, die gesetzlich anfallenden Gebühren im Voraus direkt an den Notar zu entrichten. Nachvollziehbare Gründe, weshalb die Beklagte sich dennoch unter Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses einer notariellen Aufnahme verweigert, hat sie – auch im nachgelassenen Schriftsatz vom 17.05.2017 – nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich. Zwar verweist die Beklagte zurecht darauf, dass sie, wenn sie das Notariat beauftragt, Kostenschuldnerin bleibt. Das Risiko, selbst Gebühren an den Notar zahlen und anschließend gegen den Kläger klageweise geltend machen zu müssen, besteht damit grundsätzlich. Jedoch wird dieses Risiko deutlich verringert, da sich der Kläger bereit erklärt hat, die Kosten im Voraus direkt an das Notariat zu überweisen. Letztlich verbleibt damit nur die Gefahr, dass seitens des Notariats eine Nachforderung gegenüber dem Vorschuss erhoben wird. Dies wäre aber im wesentlichen dann zu befürchten, wenn sich bei Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses ergäbe, dass der Nachlass erheblich umfangreicher und werthaltiger wäre als von der Beklagten bislang angegeben. Da die Beklagte behauptet, den Nachlass bereits wahrheitsgemäß und vollständig angeführt zu haben und zu diesem auch keine Gegenstände gehören, über deren Wert erhebliche Unklarheit herrscht – wie etwa bei Grundstücken – , erscheint ausgehend vom eigenen Vortrag der Beklagten im hiesigen Verfahren das Risiko erheblicher Nachschussforderungen des Notars gering.

Die Argumentation der Beklagten, es lasse sich im vorhinein nicht beurteilen, welche Gebühren anfallen werden, erschließt sich nicht. Die Beklagte hat selbst ein Schreiben des Notars Joseph H. vom 21.12.2016 vorgelegt (nach Bl. 71 d.A.), in dem dieser genau ausführt, welche konkreten Gebühren für die Erstellung des notariellen Verzeichnisses anfallen. Zudem ist aus diesem Schreiben auch zu ersehen, dass die Gebühren keinen allzu hohen Umfang erreichen. Selbst ausgehend von einem – vom Kläger behaupteten und von der Beklagten bestrittenen – Geschäftswert von 75.000,00 Euro beliefen sich die Gebühren nur auf knapp 600,00 Euro.

Ob der vom Landgericht und zum Teil in der Literatur (vgl. Stenzel, ZJS 2014, S. 110 ff, 115, Kuhn / Trappe, ZEV 2011, S. 347 ff, 349; a.A. LG Amberg, Urteil vom 17.12.2015, 12 O 297/15, […] Tz. 92 ff.) vertretenen Ansicht, der Pflichtteilsberechtigte habe generell bei Dürftigkeit des Nachlasses einen Anspruch auf Erstellung eines Nachlassverzeichnisses auf seine Kosten, zu folgen ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben.

2.3. Soweit nach dem Tenor des Landgerichts bei Aufstellung des Nachlassverzeichnisses ein Rechtsbeistands des Klägers zuzuziehen ist, begegnet das Urteil des Landgerichts keinen Bedenken. Das Anwesenheitsrecht des Klägers gilt auch für die Aufnahme des notariellen Verzeichnisses und umfasst auch die Zuziehung eines Vertreters oder Beistands (Lange in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl, § 2314 Rz. 33).

3. Die Entscheidung über die Kosten ist dem Schlussurteil vorzubehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 Satz 1, 2, § 713 ZPO.

4. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.

Quelle: IWW

Facebook-Account der verstorbenen Tochter darf von den Eltern nicht eingesehen werden

Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 31.05.2017, Aktenzeichen 21 W 23/16, ent­schie­den, dass Eltern den Facebook-Account der verstorbenen Tochter nicht einsehen dürfen.

Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung in der II. Instanz.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Jahre 2012 wurde ein Mädchen an einem Berliner U-Bahnhof von einem einfahrenden Zug tödlich verletzt. Deren Mutter hatte Klage erhoben, da die Umstände des Todes der damals 15-jäh­rigen nicht geklärt sind. Die Eltern wollten durch das Lesen der Chatnachrichten im Facebook-Account ihrer Tochter heraus­fin­den, ob es sich um einen Suizid gehandelt haben könnte. Hierfür benötigten sie jedoch von Facebook den Zugang.

Da Facebook sich weigerte und auf den Datenschutz berief, da auch die anderen Nutzer, die mit der 15-jährigen im Chatkontakt gestanden hätten, betroffen seien, klagte die Mutter gegen Facebook.

In I. Instanz hatte das Berliner Landgericht der Klage statt­gegeben. Daraufhin hatte Facebook Berufung bei dem Kammer­gericht Berlin eingelegt.
Dieses hat nun entschieden, dass der Schutz des Fern­melde­geheimnisses dem Anspruch der Erben entgegenstehen würde, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten.
Das Kammergericht hat jedoch nicht entschieden, ob ein Facebook-Account vererbbar ist. Diese Frage bleibt also nach wie vor offen.

Das Kammergericht führt zwar aus, dass, selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Facebook-Account in das Erbe fallen und die Erbengemeinschaft Zugang zu den Account­inhalten erhalten müsste, das Fernmeldegeheimnis nach dem Tele­kom­mu­nikationsgesetz entgegenstehen würde.

Weiterhin hat das Kammergericht Berlin ausgeführt, dass insbesondere auch nicht das Recht der elterlichen Sorge zu einem Anspruch auf Zugang verhelfen würde. Dieses Recht erlischt mit dem Tode des Kindes. Das den Eltern zufallende Totenfürsorgerecht könne jedoch nicht dazu dienen, einen Anspruch auf Zugang zu dem Facebook-Account des verstorbenen Kindes herzuleiten.
Das Urteil des Kammergerichts ist nicht rechtskräftig, da der Senat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen hat. Sollte es zu einer Revisionseinlegung kommen, dürfte es sehr spannend werden, wie der BGH die Vererbbarkeit des Facebook-Accounts entscheiden wird. Dies wird eine wegweisende Entscheidung sein.

Individuelle Fragen zu diesem und weiteren Themen im Erbrecht beantworten wir Ihnen gerne im Rahmen einer fundierten Beratung –sprechen Sie uns einfach darauf an.

Verhängung eines Zwangsgeldes trotz der Absage von über 20 Notaren für ein notarielles Nachlassverzeichnis

Das OLG Düsseldorf hat mit Datum vom 31.10.2016, Aktenzeichen 1-7 W 67/16, entschieden, dass es nicht ausreichend ist, 27 Notare anzuschreiben mit der Bitte um Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses, welches diese ablehnen.

In einem solchen Fall kann ein Zwangsgeld gemäß § 888 ZPO verhängt werden. Die titulierte Auskunftspflicht über den Nach­lass ist eine unvertretbare Handlung.

Im folgenden Fall handelte es sich um eine Auskunft über einen Nachlassbestand. Dies ist regelmäßig eine unvertretbare Hand­lung. Eine Ausnahme liegt nur in den Fällen vor, in denen es darum geht, eine Abrechnung zu erteilen, die auch von Dritten erfolgen kann, wenn die Unterlagen vorliegen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Auskunft setzt vielmehr voraus, dass die Auskunftspflichtige ihre Kenntnisse höchstpersönlich mitteilt. Dies ist nicht anders zu bewerten, weil die Auskunft durch ein notarielles Verzeichnis zu erteilen ist gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB. Es handelt sich hier nach wie vor um eine unvertretbare Handlung. Eine weitere Voraussetzung für die Verhängung des Zwangsgeldes gemäß § 888 ZPO ist, dass die Handlung aus­schließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt. Dieser Wille fehlt, wenn die Handlung, die gefordert wird, unmöglich ist oder wenn sie von einem Willen abhängt, den der Schuldner nicht be­ein­flussen kann. Es ist dabei unerheblich, ob den Schuldner ein Verschulden trifft oder nicht. Im vorliegenden Fall hängt die Verpflichtung auch von der Mitwirkungspflicht des Notares ab. In einem solchen Fall ist die Schuldnerin gemäß § 888 ZPO ver­pflichtet, die Handlung des ihr gegenüber mitwirkungs­pflich­ti­gen Dritten mit der gebotenen Intensität einzufordern, die ihr zu­stehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten aus­zu­schöpfen und den Dritten dazu zu bewegen, mitzuwirken. Ist dies trotz intensiven Bemühens nicht möglich, ist die unvertretbare Handlung nicht unmittelbar erzwingbar. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Schuldner alles in seiner Macht stehende getan hat, um die Mitwirkung des Dritten zu erlangen und dass die Bemühungen im Einzelnen dargelegt werden können.

Im vorliegenden Fall hat die Auskunftsverpflichtete ihren Pflich­ten nicht genügt. Das Gericht sah es nicht als ausreichend an, 25 Notariate mit abschlägiger Antwort angefragt zu haben. Die Möglichkeiten seien nicht ausgeschöpft gewesen. Ein Notar kann eine Urkundenstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund ver­weigern, es besteht ansonsten die Möglichkeit, Beschwerde vor dem Landgericht zu erheben gemäß § 15 Abs. 2 BNotO. Dies wurde jedoch von der Auskunftsschuldnerin nicht vorgetragen. Diese Entscheidung bedeutet für die Praxis, dass die Notare bei Ablehnung der Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeich­nis­ses die Möglichkeit der Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO hinweisen müssen. Diese sollte beim Landgericht eingelegt werden und im Einzelnen erklärt. Nur in einem solchen Fall und der dezidierten Darlegung, dass sämtliche Bemühungen vorgenommen worden sind, um einen Notar zur Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses zu bewegen, genügen die Voraussetzungen, um ein Zwangsgeld zu vermeiden.

Individuelle Fragen zu diesem und weiteren Themen im Erbrecht beantworten wir Ihnen gerne im Rahmen einer fundierten Beratung – sprechen Sie uns einfach darauf an.

Am Nachlass zu beteiligende Personen

Die nach dem Inhalt einer Verfügung von Todes wegen als Erben in Betracht kommenden Per­so­nen sind gemäß § 345 Abs. 1 Satz Nr. 2 FamFG am Erbscheinsverfahren zu beteiligen. Ist das Bestehen eines Erbrechtes nicht von vorne herein gänzlich unwahrscheinlich, sind sie auf Antrag am Erbscheins­er­tei­lungs­verfahren zu beteiligen. Das Bestehen eines tatsächlichen Erbrechtes ist erst nach förmlicher Beteiligung am Verfahren abschließend zu klären.

Dies hat das OLG München mit Datum vom 08.11.2016, Aktenzeichen 31 Wx 254/16, entschieden.

Ob das behauptete Recht von vorne herein gänzlich aus­ge­schlossen werden kann, wird bei der Beteiligung nicht ab­schließend geprüft. Am Erbscheinsverfahren sind ebenfalls die Personen zu beteiligen, die mittels Auslegung oder nur in einer aufgehobenen Verfügung Erben sein können. Somit wird das rechtliche Gehör gewahrt. Eine Beschwerdebefugnis im Sinne von § 59 Abs. 1 FamFG besteht bereits dann, wenn eine Rechts­beeinträchtigung möglich erscheint. Ob eine tatsächliche sub­jektive Verletzung des Beschwerdeführers vorliegt, wird erst in der Begründetheit geprüft.

Individuelle Fragen zu diesem und weiteren Themen im Erbrecht beantworten wir Ihnen gerne im Rahmen einer fundierten Beratung – sprechen Sie uns einfach darauf an.

Witwe hat keinen Anspruch auf das tiefgefrorene Sperma ihres verstorbenen Ehemannes

Das Oberlandesgericht München hat ent­schie­den, dass das Sperma eines Mannes nach dessen Tod nicht mehr verwendet werden darf.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Ehefrau und der Ehemann, der im Juli 2015 mit 38 Jahren nach einer Herztransplantation verstarb, hatten sich vergeblich Kinder gewünscht und sich deshalb für eine künstliche Be­fruchtung entschieden. Nach dem Tod des Ehemannes möchte nun die Ehefrau das Sperma, das in einer Klinik am Chiemsee lagert, verwenden, um den gemeinsamen Kinderwunsch zu erfüllen. Die Klinik verweigerte die Herausgabe des Spermas unter Berufung auf das Embryonenschutzgesetz. Die Ehefrau sieht hierin einen Verstoß gegen die Verfassung.

Das Oberlandesgericht München sah in der Herausgabe des Spermas einen Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz und stützte so die Entscheidung der Klinik. Eine Herausgabe des Spermas würde zur Beihilfe der Klinik zum Verstoß gegen dieses Gesetz führen. Weiterhin würde das Persönlichkeitsrecht des Ehemannes und der Schutz des Samenspenders verletzt werden. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wurde jedoch nicht für notwendig erachtet. Durch die Zulassung der Revision wurde jedoch der Ehefrau die Möglichkeit gegeben, den Bundesgerichtshof in Karlsruhe anzurufen.

Individuelle Fragen zu diesem und weiteren Themen im Erbrecht beantworten wir Ihnen gerne im Rahmen einer fundierten Beratung – sprechen Sie uns einfach darauf an.
Jetzt anrufen: (089) 55 21 44 0 oder senden Sie uns einfach eine Nachricht.
Call Now Button