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Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis

Der Senat legt dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung des Unionsrechts folgende Fragen vor:
  1. Räumt Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dem Erben eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers einen An­spruch auf einen finanziellen Ausgleich für den dem Arbeit­nehmer vor seinem Tod zustehenden Mindestjahresurlaub ein, was nach § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB ausge­schlossen ist?
  2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird:
    Gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen zwei Privatpersonen bestand?

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres Anfang 2013 verstorbenen Ehemanns, der bis zu seinem Tode bei dem Beklagten beschäftigt war. Sie verlangt vom Beklagten, den ihrem Ehemann vor seinem Tod zustehenden Erholungsurlaub abzugelten.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Nach der Rechtsprechung des Senats können weder Urlaubs- noch Urlaubsabgeltungsansprüche nach § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB auf den Erben eines Arbeitnehmers über­gehen, wenn dieser während des Arbeitsverhältnisses stirbt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zwar mit Urteil vom 12. Juni 2014 (- C-118/13 – [Bollacke]) ange­nom­men, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne finanziellen Aus­gleich untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Er hat jedoch nicht die Frage ent­schie­den, ob der Anspruch auf finanziellen Ausgleich auch dann Teil der Erbmasse wird, wenn das nationale Erbrecht dies aus­schließt. Darüber hinaus ist nicht geklärt, ob Art. 7 der Richt­linie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 GRC auch in den Fällen eine erbrechtliche Wirkung zukommt, in denen das Arbeits­verhältnis zwischen Privatpersonen bestand.

Ferner besteht auch noch Klärungsbedarf bezüglich des Unter­gangs des vom Unionsrecht garantierten Mindestjahresurlaubs. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist anerkannt, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub unter­gehen kann, wenn der Urlaub für den Arbeitnehmer keine positive Wirkung als Erholungszeit mehr hat. Letzteres ist nach dem Tod des Arbeitnehmers aber der Fall, weil in der Person des verstorbenen Arbeitnehmers der Erholungszweck nicht mehr verwirklicht werden kann.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 55/16 vom 18.10.2016
Beschluss vom 18. Oktober 2016 – 9 AZR 196/16 (A) –

Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am selben Tag den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung in einem ähnlich gelagerten Rechtsstreit – 9 AZR 45/16 (A) – ersucht, in dem die Erbin eines während des Arbeits­ver­hält­nisses verstorbenen Arbeitnehmers von einer öffentlichen Arbeitgeberin die Abgeltung des ihrem Ehemann vor seinem Tod zustehenden Urlaubs verlangt hat.

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Massenentlassung – Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat

Ein Arbeitgeber darf das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG als beendet ansehen, wenn der Betriebsrat keine weitere Ver­hand­lungs­bereitschaft über Maß­nahmen zur Vermeidung oder Ein­schränkung von Massenentlassungen erkennen lässt.

Die Beklagte erbrachte Passagedienstleistungen an Flughäfen. Ihre einzige Auftraggeberin kündigte sämtliche Aufträge zu Ende März 2015. Nach dem Scheitern eines Interessen­aus­gleichs im Dezember 2014 leitete die Beklagte ein Kon­sul­ta­tions­verfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ein und entschied Ende Januar 2015, ihren Betrieb zum 31. März 2015 stillzulegen. Nach Erstattung einer Massenentlassungsanzeige (§ 17 Abs. 1 iVm. Abs. 3 KSchG) kündigte sie alle Arbeitsverhältnisse. Die Beklagte entschloss sich, erneut Kündigungen zu erklären, nachdem einige Kündigungsschutzklagen wegen vermeintlicher Mängel im Verfahren nach § 17 KSchG erstinstanzlich erfolg­reich gewesen waren. Sie leitete im Juni 2015 ein weiteres Konsultationsverfahren ein und beriet mit dem Betriebsrat über eine mögliche „Wiedereröffnung“ des Betriebs. Eine solche kam für sie allenfalls bei einer Absenkung der bisherigen Vergü­tun­gen in Betracht. Der Betriebsrat ließ keine Bereitschaft er­ken­nen, an entsprechenden Maßnahmen mitzuwirken. Daraufhin kündigte die Beklagte – nach einer erneuten Massen­ent­las­sungs­anzeige – die verbliebenen Arbeitsverhältnisse vorsorglich ein zweites Mal. Die Klägerin hat sich fristgerecht gegen beide Kündigungen gewandt und hilfsweise einen Nachteilsausgleich (§ 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG) verlangt. Das Landes­arbeits­gericht hat beide Kündigungen für unwirksam erachtet.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts nur teilweise Erfolg. Die erste Kündigung ist gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG iVm. § 134 BGB nichtig. Die Beklagte hat in der diesbezüglichen Massen­ent­las­sungs­anzeige den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat nicht korrekt dargelegt. Hingegen ist die zweite Kündigung wirksam. Die Beklagte hat das erforderliche Konsultationsverfahren auch unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben ordnungs­gemäß durchgeführt. Sie hat dem Betriebsrat alle erforderlichen Auskünfte erteilt, um auf ihren Entschluss, an der Betriebs­still­legung festzuhalten, einwirken zu können. Die Beklagte durfte die Verhandlungen als gescheitert ansehen. Da sie seit April 2015 keinen Betrieb mehr unterhielt, hat sie die zweite Massen­entlassungsanzeige zu Recht bei der für den Unternehmenssitz zuständigen Agentur für Arbeit erstattet. Die zweite Kündigung war auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Die Beklagte hat den Betriebsrat ordnungsgemäß über die beabsichtigte Betriebsstilllegung unterrichtet und nach dem Scheitern ihrer Verhandlungen die Einigungsstelle angerufen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 52/16 vom 22.09.2016
Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 –

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Betriebsrentenanwartschaft – beitragsbezogene Leistungszusage

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Betriebs­ren­ten­gesetzes (BetrAVG) liegt eine beitragsorientierte Leistungszusage vor, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Betriebsrenten­anwart­schaft umzuwandeln. Das Gesetz verlangt, dass in der Ver­sor­gungsordnung die Mindesthöhe der Anwartschaft zum Zeit­punkt der Umwandlung bezogen auf diese Beiträge festgelegt wird.

Nach der bei der beklagten Arbeitgeberin geltenden Gesamt­betriebsvereinbarung (GBV) steht dem Kläger ein jährlicher Basisanspruch auf eine Betriebsrente von 0,4 vH der Summe seiner monatlichen pensionsfähigen Bezüge während seiner Beschäftigungszeit zu. Auf der Grundlage der GBV zahlt die Arbeitgeberin in einen Anlagefonds, der kein Pensionsfonds im Sinne des Betriebsrentengesetzes ist, Beiträge in Höhe von monatlich 5 vH der pensionsfähigen Bezüge aller der GBV unterfallenden Arbeitnehmer ein. Aus diesem Anlagefonds werden auch die laufenden Betriebsrenten gezahlt. Am Ende jedes Wirtschaftsjahres ist der Wert der Fondsanteile zu er­mitteln. Gleichzeitig wird die Summe der Barwerte der An­wart­schaften der der GBV unterfallenden Arbeitnehmer und der gezahlten Betriebsrenten ermittelt. Weichen die Werte von­einander ab, sind die Barwerte der Anwartschaften und der Betriebsrenten gleichmäßig so zu korrigieren, dass sie dem Wert der Fondsanteile entsprechen. Die so korrigierten Anwartschaften dürfen sich auch verringern, den Basisanspruch aber nicht unterschreiten.

Diese Berechnungsweise entspricht nicht vollständig den gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG. Die GBV stellt nicht sicher, dass die auf den Kläger entfallenden und an den Anlagefonds gezahlten Beiträge unmittelbar in eine Betriebsrentenanwartschaft umgewandelt werden.

Dennoch hatte die Klage – ebenso wie in den Vorinstanzen – vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die korrigierte Anwartschaft des Klägers betrug im Jahr 2009 nach Mitteilung der Beklagten jährlich 3.900,00 Euro. Im Jahr 2011 sollte sie sich nur noch auf jährlich 3.295,00 Euro belaufen. Der Kläger wollte die Beklagte an der Höhe der korrigierten Anwart­schaft aus dem Jahr 2009 festhalten. Für dieses Klageziel besteht keine Rechtsgrundlage.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 46/16 vom 30.08.2016
Urteil vom 30. August 2016 – 3 AZR 228/15 –

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