Kategorien-Archiv Seniorenrecht

MS-Erkrankter hat Anspruch auf hochwertiges Fußhebesystem bei besserem Gangbild

Landessozialgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 19.06.2018 – L 11 KR 1996/17
Versicherte der GKV, die an einer progredient verlaufenden Multiplen Sklerose mit ausgeprägter Peronaeusparese leiden, haben Anspruch auf Versorgung mit dem Fußhebesystem Ness L300. In einem solchen Fall handelt es sich bei dem Fußhebesystem um ein Hilfsmittel, das nicht der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung, sondern dem unmittelbaren Ausgleich einer Behinderung (Gangstörung) dient.

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Schwerbehinderte haben Anspruch auf Bezahlung von Telefonklingelsendern durch die Krankenkasse

Landessozialgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 16.05.2018 – L 5 KR 1365/16
Die Krankenkassen müssen Hörbehinderten im Rahmen der Hilfsmittelversorgung (zum mittelbaren Behinderungsausgleich“) einen (das Telefonklingeln in ein Lichtsignal umwandelnden) Telefonklingelsender gewähren; das Grundbedürfnis des Hörbehinderten nach Kommunikation mit anderen Menschen umfasst nicht nur die passive Erreichbarkeit für (spontane) Besuchskontakte (als reale Kontakte im Sinne des „Besuchtwerdenkönnens“ – Türklingelsender), sondern auch die passive Erreichbarkeit für (spontane) Telefonkontakte (als virtuelle Kontakte im Sinne des „Angerufenwerdenkönnens“ – Telefonklingelsender).

L 5 KR 1365/16

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.01.2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 139,00 EUR endgültig festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten eines Telefonsenders für Hörbehinderte (Telefonlichtanlage) i.H.v. 139,00 EUR.

Unter dem 19.12.2014 stellte der Arzt Dr. W. dem 1966 geborenen Beigeladenen, Mitglied der Beklagten, eine Verordnung/Bescheinigung zur Hilfsmittelversorgung aus. Darin heißt es, bei dem Beigeladenen bestehe eine beidseitige hochgradige Schwerhörigkeit. Ein Rauchmelder mit Koppelung zur Lichtsignalanlage sei indiziert. Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse werde befürwortet.

Mit bei der Beklagten am gleichen Tag eingegangenem Kostenvoranschlag vom 19.12.20114 beantragte die Firma I. GmbH für den Beigeladenen (unter Vorlage der Bescheinigung des Dr. W. vom 19.12.2014) die Gewährung eines Rauchmelders, eines Türklingelsenders einer Batterieblinklampe (Blitzlampe) und eines Telefonsenders; ein Telefonsender erkennt das Klingeln des Telefons und sendet ein Funksignal an alle angeschlossenen Empfänger, etwa an eine Blitzlampe. Die Kosten des Telefonsenders betrugen 139,00 EUR.

Die Beklagte gewährte dem Beigeladenen die beantragten Hilfsmittel mit Ausnahme des Telefon-senders. Insoweit leitete sie den Leistungsantrag mit Schreiben vom 30.12.2014 an den Kläger weiter. Dieser sei zuständiger Leistungsträger für die Gewährung des Telefonsenders. Das Tele-fonieren gehöre nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, deren Befriedigung die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sicherstellen müsse. Mit Schreiben (ebenfalls) vom 30.12.2014 teilte die Beklagte dem Beigeladenen die Weiterleitung des Leistungsantrags mit.

Mit an den Beigeladenen gerichtetem Bescheid vom 20.01.2015 übernahm der Kläger die Kosten des Telefonsenders. Man sei als zweitangegangener Leistungsträger für die Entscheidung über den Leistungsantrag zuständig (§ 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch, SGB IX), werde aber von der Beklagten Kostenerstattung verlangen. Bei dem Telefonsender handele es sich um ein von der GKV zu gewährendes Hilfsmittel i.S.d. § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Sollte der Sozialhilfeträger nach Maßgabe des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) doch zur Gewährung des Hilfsmittels verpflichtet sein, müssten noch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beigeladenen geprüft werden; dazu würden ggf. die notwendigen Angaben angefordert.

Mit Schreiben (ebenfalls) vom 20.01.2015 meldete der Kläger bei der Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch (§§ 102 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X) an. Telefonsender würden regelmäßig von den Krankenkassen als Hilfsmittel der GKV gewährt.

Mit Schreiben vom 10.02.2015 lehnte die Beklagte die Erstattung der Kosten des Telefonsenders ab. Mit Schreiben vom 09.03.2015 machte der Kläger erneut Kostenerstattung geltend, was die Beklagte mit Schreiben vom 26.03.2015 wiederum ablehnte; Telefonsender dienten dem mittelbaren Behinderungsausgleich und seien von der GKV nicht zu gewähren.

Am 15.04.2015 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Der hochgradig schwerhörige Beigeladene sei zum Erkennen von Telefonanrufen und damit zur telefonischen Kommunikation mit anderen Menschen, einem von der GKV zu befriedigenden Grundbedürfnis, auf den Telefonsender angewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 29.04.2010, – B 3 KR 5/09 R -, in juris) sei eine Lichtsignalanlage für Hörbehinderte zum Behinderungsausgleich erforderlich, wobei nicht danach unterschieden werde, ob das Lichtsignal das Läuten einer Türklingel oder eines Telefons anzeige (BSG, a.a.O. Rdnr. 14). Das BSG sehe das Telefonieren damit auch als Grundbedürfnis an (vgl. auch SG Hamburg, Urteil vom 13.09.2011, – S 28 KR 1752/10 -, vorgelegt, und LSG Hamburg, Urteil vom 27.09.2012, – L 1 KR 147/11 -, in juris).

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Blitzlampen in Verbindung mit Türklingelsendern ermöglichten dem Hörbehinderten das Erkennen unangekündigter Besuche (etwa durch Paketzusteller). Hierfür sei die GKV im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs zuständig. Die Kommunikation mit Hilfe des Telefons sei für das Grundbedürfnis nach selbstständiger Lebensführung und nach Kommunikation mit anderen Menschen aber nicht erforderlich, stelle vielmehr eine Kommunikationsmöglichkeit nur für bestimmte Lebenssituationen dar. Der Beigeladene sei in der Mobilität und Sprechfähigkeit nicht eingeschränkt und erwerbstätig. Vereinsamung drohe ihm daher auch ohne Kommunikation mit Hilfe des Telefons nicht.

Mit Urteil vom 22.01.2016 verurteilte das SG die Beklagte, dem Kläger die Kosten des dem Beigeladenen gewährten Telefonsenders i.H.v. 139,00 EUR zu erstatten. Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Zur Begründung führte das SG aus, die Klage sei begründet; der Kläger habe Anspruch auf Erstattung der Kosten des dem Beigeladenen gewährten Telefonsenders aus § 104 Abs. 1 SGB X. Nach näherer Maßgabe dieser Vorschrift sei derjenige Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Leistungsberechtigte (hier: der Beigeladene) vorrangig einen Anspruch habe oder gehabt habe, wenn die Sozialleistung durch einen nachrangig verpflichteten Leistungsträger erbracht worden sei. Nachrangig verpflichtet sei ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Hier sei die Beklagte vorrangig leistungspflichtig gewesen. Das folge aus § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, (u.a.) um eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen seien. Der Telefonsender stelle ein Hilfsmittel dar, das die beidseitige hochgradige Schwerhörigkeit des Beigeladenen zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar ausgleichen solle. Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich würden von der GKV gewährt, wenn sie die Auswirkung der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigten oder milderten und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens beträfen. Zu diesen Grundbedürfnissen gehörten u.a. das Hören sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, was auch die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation mit anderen Menschen umfasse (vgl. BSG, Urteile vom 29.04.2010, – B 3 KR 5/09 R -, und vom 18.06.2014, -B 3 KR 8/13 R -, beide in juris); hierfür sei der Telefonsender erforderlich. Das selbstständige Kommunizieren mit anderen Menschen stelle ein Grundbedürfnis dar; es habe die passive Erreichbarkeit des Versicherten für spontane Telefonanrufe zum Gegenstand. Dafür sei notwendig, dass das für Gesunde hörbare Telefonsignal in ein für den hörbehinderten Beigeladenen wahrnehmbares optisches Signal umgewandelt werde (so auch SG Hamburg, Urteil vom 13.09.2011, – S 28 KR 1752/10 -). Der Telefonsender sei kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, zumal Lichtsignalanlagen der in Rede stehenden Art unter Nr. 16.99.09.0077 im GKV-Hilfsmittelverzeichnis geführt würden. Der Telefonsender sei auch ein beweglicher Gegenstand i.S.d. § 31 Abs. 1 SGB IX. Er könne bei einem Wohnungswechsel ohne weiteres ausgebaut und mit vertretbarem Aufwand in einer neuen Wohnung wiederverwendet werden.

Gegen das ihr am 10.03.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am (Montag, dem) 11.04.2016 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der Telefonsender sei kein Hilfsmittel der GKV. Die Nutzung eines Telefons diene regelmäßig nicht dem mittelbaren Ausgleich des behinderungsbedingt ein-geschränkten Grundbedürfnisses nach Kommunikation, sondern ermögliche die Kommunikation mit anderen Menschen nur in bestimmten Lebenssituationen. Das Telefonieren, auch mit Hilfe eines optischen Signalsenders, befriedige besondere private, berufliche oder gesellschaftliche Bedürfnisse, gehöre jedoch nicht zu den elementaren Lebensbetätigungen (vgl. auch etwa LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30.05.2007, – L 6 KR 4/06 -; LSG Hessen, Urteil vom 12.04.2007, – L 1 KR 219/05-; LSG Sachsen, Urteil vom 17.10.2007, – L 1 KR 18/06 -, alle in juris). Die Kommunikation durch Telefonieren sei auch keine zwingende Voraussetzung für eine selbstständige Lebensführung. Anderes gelte für einen (von ihr auch gewährten) Türklingelsender oder einen mit einem Wecker verbundenen Sender. Der Beigeladene sei erwerbstätig und in seiner Mobilität und Sprechfähigkeit nicht eingeschränkt. Die Gefahr der Vereinsamung bestehe daher nicht, da die Kommunikation mit anderen Menschen auch ohne Nutzung des Telefons gewährleistet sei. Der Telefonsender könne allenfalls als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemäß §§53 und 54 SGB XII i. V. m. §§ 26 und 55 SGB IX gewährt werden; leistungspflichtig sei dann aber der Kläger als Träger der Sozialhilfe.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.01.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und bekräftigt sein bisheriges Vorbringen. Die von der Beklagen angeführte LSG-Rechtsprechung habe andere Fallgestaltungen zum Gegenstand (GPS-System für blinde Versicherte, Bildtelefon für gehörlose Versicherte). Hier gehe es nicht um die Art und Weise der Kommunikation (über Bildtelefon oder Webcam), sondern um die Wahrnehmung der Telefonklingel.

Mit Beschluss vom 20.03.2018 hat der Senat den Beigeladenen zum Verfahren beigeladen. Er hat sich zur Sache nicht geäußert und Anträge nicht gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft. Streitgegenstand ist die Erstattung der Kosten eines Telefonsenders, die der Kläger mit an den Beigeladenen gerichtetem Bescheid vom 20.01.2015 übernommen hat. Der Erstattungsbetrag (139,00 EUR) erreicht zwar nicht den Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG (10.000 EUR), jedoch hat das SG die Berufung in seinem Urteil zugelassen. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig.

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des SG und nimmt auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei angemerkt:

Das SG hat in seinem Urteil die (den Beteiligten auch geläufigen) Rechtsgrundsätze dargelegt, die für die Hilfsmittelversorgung gesetzlich Versicherter nach Maßgabe des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V gelten. Ausschlaggebend ist danach im Hinblick auf den hier (unstreitig) in Rede stehenden mittelbaren Behinderungsausgleich, ob der Telefonsender der Befriedigung des Grundbedürfnisses des hörbehinderten Menschen nach Kommunikation mit anderen Menschen dient. Das Grundbedürfnis nach Kommunikation mit anderen Menschen umfasst die passive Erreichbarkeit durch Menschen aus dem Bereich der Außenwelt für Besuche, und zwar auch für nicht angemeldete, spontane Besuche (BSG, Urteil vom 29.04.2010, – B 3 KR 5/09 R -, in juris Rdnr. 15); deshalb muss die Krankenkasse dem Hörbehinderten ggf. einen Türklingelsender als Hilfsmittel der GKV gewähren, damit er das für Gesunde hörbare Türklingelgeräusch (als Lichtsignal) wahrnehmen kann (BSG, a.a.O.). Nach Auffassung des Senats umfasst das Grundbedürfnis nach Kommunikation mit anderen Menschen nicht nur die passive Erreichbarkeit für (spontane) Besuchskontakte mit anderen Menschen (als reale Kontakte im Sinne des „Besuchtwerdenkönnens“), sondern auch die passive Erreichbarkeit für (spontane) Telefonkontakte mit anderen Menschen (als virtuelle Kontakte im Sinne des „Angerufenwerdenkönnens“). Dass sich die Lebenssituation, in der die Kommunikation des Hörbehinderten mit anderen Menschen stattfindet, bei (spontanen) Besuchskontakten anders darstellt als bei (spontanen) Telefonkontakten, ist nicht ausschlaggebend. Das BSG hat im genannten Urteil vom 29.04.2010 zwar nur über die Gewährung eines Türklingelsenders als Hilfsmittel der GKV entschieden, gleichwohl aber auch das „Läuten des Telefons“ bzw. dessen Umwandlung in optische Signale (durch einen Telefonsender) als Beispiel für einen mittelbaren (Hör-)Behinderungsausgleich durch die GKV angeführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es entspricht nicht der Billigkeit, der Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser (insbesondere) Sachanträge nicht gestellt und damit kein Prozessrisiko übernommen hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Der Versicherte muss umfassend Angaben zu seinem Beruf bei Geltendmachung der Berufsunfähigkeitsrente machen

Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 27.03.2018 – 4 U 1519/17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Dresden
Zivilsenat

Aktenzeichen: 4 U 1519/17
Landgericht Dresden, 8 O 2611/12

Verkündet am: 27.03.2018

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

xxx

wegen Forderung und Feststellung

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S.,
Richterin am Oberlandesgericht P. und
Richterin am Oberlandesgericht Z.

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2018

für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 31.08.2017 – Az. 8 O 2611/12 – in Ziffern 1. und 2. wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.000,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag i.H.v. 13.000,00 EUR seit dem 29.09.2012, sowie aus weiteren 1.000,00 EUR seit dem 30.09.2012 und aus weiteren 1.000,00 EUR seit dem 31.10.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 723,30 EUR nebst Zinsen i.H. des jeweils geltenden Zinssatzes für die Depoteinlagen bei der Beklagten aus einem Betrag i.H.v. 626,86 EUR seit dem 29.09.2012 sowie aus weiteren 48,22 EUR seit dem 30.09.2012 und aus weiteren 48,22 EUR seit dem 31.10.2012 zu zahlen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 51.462,40 EUR festgesetzt.

G r ü n d e :

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von Versicherungsleistungen sowie die Feststellung der Einstandspflicht für künftige Versicherungsleistungen wegen behaupteter Berufsunfähigkeit aus einer bei der Beklagten im Jahre 2010 abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung. Vereinbart war dort eine Laufzeit von 35 Jahren, beginnend ab dem Jahre 2010 und die Zahlung einer monatlichen Rente im Falle der Berufsunfähigkeit i.H.v. 1.000,00 EUR, beginnend mit einem monatlichen Versicherungsbeitrag i.H.v. 46,84 EUR sowie einer Beitragssteigerung ab dem 01.05.2015 auf monatlich 70,62 EUR (vgl. Anlage K 1). In § 1 der einbezogenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die BUV (AVB) verpflichtet sich die Beklagte, die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen und den Versicherungsnehmer vollumfänglich von der Beitragszahlungspflicht zu befreien, wenn dieser als Versicherter zu mindestens 50 % berufsunfähig ist. In § 2 AVB heißt es auszugsweise:

„Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen ihren zuletzt ausgeübten Beruf so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, nicht mehr ausüben kann bzw. 6 Monate nicht mehr ausüben konnte und auch keine andere Tätigkeit ausübt, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.“

Bei Selbstständigen setzt die vollständige Berufsunfähigkeit i.S.v. Satz 1 zusätzlich voraus, dass die versicherte Person auch nach einer zumutbaren Umorganisation des Betriebes außer Stande ist, ihren Beruf auszuüben. Eine Umorganisation ist beispielsweise dann zumutbar, wenn der versicherten Person die Stellung als Betriebsinhaberin erhalten bleibt, erheblicher Kapitaleinsatz nicht erforderlich ist und keine erheblichen Einkommenseinbußen damit verbunden sind.“

Der Kläger war zuletzt als Koch im Eiscafé „V…“ in B… auf der Basis eines mündlichen Dienstvertrages tätig. Seine Leistungen rechnete er monatlich gegenüber den Geschäftsführern ab. Im August 2011 wurde bei ihm nach notfallmäßiger Einlieferung eine akute bakterielle Herzinnenhautentzündung (floride Endokarditis) mit einer komplett zerstörten Aortenklappe sowie eine Abszesshöhle der arkonaren Aortenwand mit einem dort befindlichen septischen Thrombus festgestellt, die Aortenklappe nachfolgend durch eine Kunstprothese ersetzt. Im Zuge der Erkrankung erlitt der Kläger einen Hirninfarkt mit der Folge einer Hemiparese und verbliebener langfristiger Muskelschwächung des linken Armes und linken Beines. Am 25.01.2012 – nach Aufenthalten im Klinikum P., im Herzzentrum der Universitätsklinik D. und anschließender Rehabilitationsbehandlung in B… bis ca. Mitte Oktober 2011 – stellte der Kläger am 25.01.2012 einen Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit bei der Beklagten (Anlage K 3). Diese ließ den Kläger im Herzzentrum L. durch den Gutachter Prof. S. untersuchen, der dem Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen bei einer nur geringradigen Schwächung der muskulären Kraft im linken Arm und Bein attestierte und feststellte, es bestehe eine „weitgehend normale körperliche Leistungsfähigkeit, jedoch Restzustand nach Hemiparese links“, eine gute linksventrikuläre Pumpfunktion und regelrechte Funktion der Aortenklappenprothese und eine erhöhte Infektionsgefahr wegen erforderlicher medikamentöser Dauerantikoagulation, weshalb Schnittverletzungen zu vermeiden und die Umschulung auf einen anderen Beruf empfehlenswert seien. Auf der Grundlage dieses Gutachtens lehnte die Beklagte Leistungen wegen Berufsunfähigkeit ab.

Erstinstanzlich haben die Parteien über das konkrete Tätigkeitsbild des Klägers sowie dessen Berufsunfähigkeit in medizinischer Sicht gestritten. Das Landgericht hat zunächst zum allgemeinen Berufsbild eines Kochs ein medizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Im Anschluss hieran hat es zu dem vom Kläger mit Schriftsatz vom 22.9.2014 vorgetragenen und durch mehrfache mündliche Anhörungen ergänzten Berufsbild die Zeugin N. vernommen und sodann ein weiteres Gutachten des Sachverständigen Prof. Sch. eingeholt. Es hat auf dessen Grundlage der Klage im weit überwiegenden Umfang stattgegeben. Die Kosten für das erste Gutachten des Sachverständigen Prof. Sw… hat es niedergeschlagen. Es wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr ursprüngliches Ziel der vollumfänglichen Klageabweisung weiter und rügt im Wesentlichen eine unzureichende Tatsachenfeststellung, vor allem im Hinblick auf das Berufsbild des Klägers, dessen tatsächliche Beeinträchtigungen sowie der Feststellungen zur Möglichkeit von Schutzmaßnahmen und Umorganisationen. Unabhängig hiervon seien Haupt- und Nebenforderungen fehlerhaft errechnet worden.

Die Beklagte beantragt,

1. Das Urteil des LG Dresden – 8 O 2611/12 – vom 31.08.2017, zugestellt am 25.09.2017, wird in Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, 6 sowie in Ziffer 8, soweit die Beklagte zur Kostentragung verurteilt wurde, aufgehoben.

2. Auch insoweit wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 06.03.2018 verwiesen. Der Senat hat den Kläger zu dessen Berufsbild ergänzend angehört.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt worden. Dem steht nicht entgegen, dass die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an die beklagtenseits unterbevollmächtigten Rechtsanwälte A… bereits am 07.09.2017 erfolgte, die Berufung aber erst am 25.10.2017 beim Oberlandesgericht einging. Denn die Zustellung an Unterbevollmächtigte setzt die Berufungsfrist dann nicht in Gang, wenn die Unterbevollmächtigten lediglich als Terminsvertreter auftreten, keine weitergehenden Vollmachten bei Gericht einreichen und sich auch sonst aus den Umständen nicht ergibt, dass sie insgesamt als Prozessbevollmächtigte einer Partei auftreten (vgl. BGH, Beschluss vom 28.11.2006 – VIII ZB 52/06, juris Rz. 6 ff.). So liegt der Fall hier, so dass die Zustellung an die eigentlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 25.09.2017 maßgeblich für die Ingangsetzung des Fristenlaufes ist.

2. In der Sache hat sie nur bezüglich der Verzugszinsen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen bleibt sie unbegründet. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Leistungen aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zusteht.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger seine zuletzt in gesunden Tagen tatsächlich ausgeübte Berufstätigkeit substantiiert dargelegt und durch die Aussage der Zeugin N. bewiesen. Zu Recht hat das Landgericht auch angenommen, dass auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Sch. der Nachweis einer Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen geführt ist. Konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 ZPO die Zweifel an der Beweiswürdigung des Landgerichts erwecken könnten, zeigt die Berufung nicht auf. Die Möglichkeit, durch sächliche oder personelle Schutzmaßnahmen oder eine zumutbare Umorganisation seine Berufsfähigkeit wieder herzustellen, hat der Kläger nicht. Das Landgericht hat auch die Höhe der für die Vergangenheit nachzuzahlenden Versicherungsleistungen und zu erstattender Beiträge zutreffend ermittelt. Lediglich im Hinblick auf die Verzugszinsen dringt die Beklagte mit ihrer Berufung durch.

a) Für die Prüfung, ob bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten ist, ist grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung maßgebend, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, das heißt, solange die Leistungsfähigkeit des Versicherten noch nicht eingeschränkt war (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016 – IV ZR 527/15). Maßgeblich ist, wie sich die gesundheitliche Beeinträchtigung in der konkreten Berufsausübung auswirke (vgl. BGH, Urteil vom 22.09.2004, ZR 200/03). Dazu muss bekannt sein, wie das Arbeitsumfeld des Versicherten tatsächlich beschaffen ist und welche Anforderungen es an ihn stellt (BGH, Urteil vom 22.09.2004 – IV ZR 200/03). Insoweit ist es Sache desjenigen, der den Eintritt von Berufsunfähigkeit geltend machen will, hierzu substantiiert vorzutragen und im Falle des Bestreitens Beweis für sein Vorbringen anzutreten. Als Sachvortrag genügt dazu nicht die Angabe des Berufsbildes und der Arbeitszeit, vielmehr muss eine ganz konkrete Arbeitsbeschreibung verlangt werden, mit der die anfallenden Tätigkeiten ihrer Art, ihres Umfanges und ihrer Häufigkeit nach für einen Außenstehenden nachvollziehbar werden (so BGH, aaO.). Allerdings dürfen die Anforderungen an die Darlegung nicht überzogen werden (BGH, Beschluss vom 07.07.2010 – IV ZR 63/08, juris Ls.; OLG Köln, Beschluss vom 04.05.2016 – 20 W 44/15). Es darf nicht aus dem Blick geraten, dass die Klärung des Berufsbilds vornehmlich den Zweck verfolgt, dem Sachverständigen die notwendigen tatsächlichen Vorgaben zur medizinischen Beurteilung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit in die Hand zu geben. Steht fest, dass der Versicherte überhaupt einer Berufstätigkeit nachgegangen ist, darf ihm der Zugang zu den versicherten Leistungen nicht durch übersteigerte Anforderungen an die Pflicht zur substantiierten Darlegung seiner Berufstätigkeit unzumutbar erschwert werden. Es genügt eine Beschreibung mit Stichpunkten oder Schlagworten, aufgrund derer sich jeder Dritte die ausgeübte Tätigkeit unschwer vorstellen kann (Senatsurteil vom 27.06.2017 – 4 U 1772/16, juris Rz. 35).

Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger jedenfalls zuletzt die von ihm vor der Erkrankung ausgeübte Tätigkeit hinreichend substantiiert dargelegt. Mit Schriftsatz vom Juni 2013 hat er – teilweise in Abweichung zur Klageschrift – die Anlage K 19 vorgelegt, in der er detailliert seinen Arbeitstag an seinem letzten Arbeitsplatz, dem Eiscafé „V…“, beschrieben und auch seine jeweils dazugehörigen Beschwerden/Einschränkungen geschildert hat. Mit Schriftsatz vom 22.9.2014 hat er diese nach Art eines Stundenplans nochmals aufgegliedert. Hiernach war er verantwortlich für die Warenannahme einschließlich des Tragens schwerer Lasten, u.a. sog. Eisbangs. Daneben oblag ihm die Zubereitung der in einem Eiscafé anfallenden Speisen wie Waffeln, Crèpes, Windbeutel und Eisbecher; für die entsprechenden Speisen hatte er die Saucen zuzubereiten und in erheblichem Ausmaß frisches Obst zu schneiden und zu raspeln. Die Arbeit in der Küche fand im Wesentlichen im Stehen statt und war von hohem Zeitdruck vor allem an Wochenenden geprägt. Bei Arbeitszeiten bis 20 Uhr, gelegentlich auch bis 22 Uhr gehörte abschließend die Säuberung des Arbeitsumfelds zu den Aufgaben des Klägers. Dass er noch in der Klageschrift eine in Teilen hiervon abweichende Tätigkeit geschildert hatte, die auch die „Zubereitung warmer und herzhafter Speisen“ umfasste, hat er nachvollziehbar damit erläutert, er sowie sein Prozessbevollmächtigter seien zunächst davon ausgegangen, es sei darauf angekommen, allgemein das Tätigkeitsbild eines Koches und die von ihm bei Aufnahme der Tätigkeit im Eiscafé „V…“ seinerzeit noch nicht ausgeübte, perspektivisch aber angestrebte Berufsausübung zu schildern.

b) Im Anschluss an die Vernehmung der Zeugin N. hat das Landgericht den vom Kläger zu führenden Beweis für seine zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Berufstätigkeit zu Recht als geführt angesehen. Die gegen die Beweiswürdigung gerichteten Rügen der Beklagten greifen nicht durch.

Anders als die Beklagte meint, ergeben sich Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin N. nicht bereits daraus, dass die Zeugin lediglich als Teilzeitkraft tätig war. Die Zeugin hat unumwunden ausgeführt, dass sie gleichwohl den Tätigkeitsumfang des Klägers in Gänze beurteilen könne, weil sie mitunter ganztägig im Eiscafé gearbeitet habe (Bl. 285). Da sie weiter angab, nicht nur an Wochenenden dort gearbeitet zu haben, sondern auch ein- bis zweimal werktäglich und davon manchmal auch vormittags, erscheint es auch dem Senat ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Zeugin die Arbeitsabläufe des Klägers in Gänze wahrgenommen hat, die sich zudem an den Wochentagen allenfalls quantitativ vom Wochenende unterschieden. Aufgrund ihrer Tätigkeit in dem Eiscafé von 2007 bis 2011 konnte die Zeugin auch Angaben zu dem hier maßgeblichen Zeitraum im August 2011 machen. Der Einwand der Beklagtenseite, die im Service tätige Zeugin habe über die Tätigkeit des Klägers als Koch nur spekulieren können, geht vor diesem Hintergrund an der auch dem Senat bekannten Arbeitswirklichkeit in einer kleineren gastronomischen Einrichtung mit lediglich vier Mitarbeitern vorbei. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass der Service dort nicht auch zwangsläufig Einblick in die Arbeitsabläufe in der Küche bekommt. Ebenso wie das Landgericht hat schließlich auch der Senat keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin zu zweifeln, sie sei morgens mit dem Kläger meist alleine und auf dessen Mithilfe bei der Warenannahme,- und Bewegung schon deshalb angewiesen, weil sie selbst die angelieferten Waren teilweise nicht hätte tragen können. Der Senat verkennt nicht, dass die Zeugin hinsichtlich der Anzahl der in dem Café zu versorgenden Tische Angaben gemacht hat, die sich mit denen des Klägers nicht vollumfänglich decken. Diese Abweichungen sind jedoch insgesamt unerheblich und bewegen sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Zeugin 2011 aus dem Café ausgeschieden ist, im Rahmen üblicher Aussageunschärfen. In der Gesamtwürdigung hält auch der Senat die Aussage der Zeugin N. für hinreichend ergiebig und glaubhaft. Anders als die Beklagte meint, bedarf es für den Beweis seiner in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeit nicht der Benennung sämtlicher Mitarbeiter, die hierzu eventuell eine Aussage hätten treffen können. Es wäre vielmehr Aufgabe der Beklagten gewesen, derartige Zeugen ggfs. gegenbeweislich zu benennen.

c) Ebenfalls nicht durchzudringen vermag die Beklagte mit ihren Einwänden gegen das Gutachten des Sachverständigen Prof. Sch. vom 13.6.2016, auf das das Landgericht seine Annahme gestützt hat, der Kläger sei im Zeitraum ab September 2011 im Sinne der Versicherungsbedingungen zu mehr als 50% berufsunfähig gewesen. In medizinischer Sicht ist hierfür erforderlich, dass der körperliche Zustand des Versicherten derart beschaffen ist, dass eine günstige Prognose für die Wiederherstellung von verloren gegangenen Fähigkeiten in einem überschaubaren Zeitraum nicht gestellt werden kann; es muss demnach ein Zustand erreicht sein, dessen Besserung zumindest bis zur Wiederherstellung einer oberhalb der versicherungsvertraglich vereinbarten Leistungsgrenze liegenden beruflichen Leistungsfähigkeit nichtmehr zu erwarten ist (st. Rspr., vgl. nur BGH Urteil vom 27.9.1995 – IV ZR 319/94). Ein solcher Zustand kann bereits unmittelbar mit einem Ursachenereignis entstehen; entscheidend ist die rückschauende Feststellung des Zeitpunkts, zu dem erstmals ein Zustand gegeben war, der nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft keine Erwartungen mehr auf eine Besserung rechtfertigte (BGH Urteil vom 1.10.2006 – IV ZR 66/05; Urteil vom 27.9.1995; IV ZR 319/94). Dass eine Berufsunfähigkeit des Klägers für seine konkrete Berufstätigkeit als Koch in einem Eiscafé aufgrund seiner gravierenden Herzerkrankung und des hierdurch verursachten Hirninfarktes ab dem 1.9.2011 nicht mehr bestand, steht auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Sch. mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit fest.

Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt die Berufung an, dass ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Frage der Berufsunfähigkeit eines Versicherten an eine vom Gericht vorzugebende nachvollziehbare Berufsbeschreibung anknüpfen und zu den dem Sachverständigen als außermedizinischer Sachverhalt vorgegebenen prägenden Merkmalen des Hauptberufs im Einzelnen Stellung nehmen muss (BGH, Urteil vom 23.1.2008 – IV ZR 10/07 – juris). Anders als sie annimmt, ist dies hier jedoch auch der Fall. Das Gutachten führt auf den Seiten 2/3 das vom Gericht vorgegebene Anforderungsprofil aus, das sich aus dem Ergebnis der Zeugenbeweisaufnahme ergab. Eigene – nicht zulässige – Ermittlungen zu außermedizinischen Anknüpfungstatsachen hat der Sachverständige nicht vorgenommen.

Bezogen auf den Zeitraum September 2011 hat der Sachverständige in Auseinandersetzung mit den Befundberichten der Dr. Bischoff vom 12.10.2011 (K 4), Dr. N. vom 24.4.2012 (K 10), Dr. F. vom 31.1.2012 (Anlage 06) und Dipl.-med. Sh… vom 9.1.2012 (Anlage 01) eingeschätzt, dass der Kläger sowohl nach der damaligen prognostischen Einschätzung als auch überhaupt nicht in der Lage sein wird, den zuvor geschilderten Beruf als Koch in seiner konkreten Ausprägung auszuüben. Begründet hat der Sachverständige dies mit der durchgängig in allen ärztlichen Befunden und auch von ihm selbst festgestellten Kraftminderung der linken Hand und des linken Beines verbunden mit einer Dysdiadochokinese, also einer Koordinationsstörung der linken Hand, wobei nach seinen Feststellungen der Kläger zweifelsfrei Linkshänder ist. Bezogen auf konkrete Einzeltätigkeiten der ihm vorgegebenen Berufsbeschreibung hat er ausgeführt, dass das nahezu tägliche Heben schwerer Lasten und deren Transport über mehrere Treppen hinweg sowie das Arbeiten unter erhöhtem Zeitdruck nicht nur eingeschränkt, sondern schlicht überhaupt nicht möglich sei. Auch eine durchgehend im Stehen ausgeübte Tätigkeit ohne Wechsel zum Sitzen widerspreche dem für den maßgeblichen Zeitraum rekonstruierten Leistungsvermögen des Klägers (S. 6-8 des Gutachtens vom 13.06.2016). Bereits aufgrund dieser genannten Befunde kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinesfalls auch nur annähernd 50 % der Leistung eines Kochs im konkreten Berufsbild des Klägers zu erbringen in der Lage ist. Lediglich ergänzend hat er ausgeführt, dass dem auch die Verletzungsrisiken bei der Arbeit mit Schneidewerkzeugen entgegenstehen, weil sie für den Kläger ein doppeltes Risiko in sich bergen: Zum einen das Risiko nur erschwert stillbarer Blutungen und zum anderen das Infektionsrisiko wegen des Umgangs mit Speisen (S. 8 des Gutachtens vom 13.06.2016). Was die vom Sachverständigen attestierte verringerte Konzentrationsfähigkeit des Klägers im maßgeblichen Zeitraum betrifft, so hat er zwar offen ausgeführt, dass dieser Umstand nie durch eine entsprechende Testung evaluiert wurde, die Beschwerden gleichwohl aber als sehr glaubwürdig und plausibel eingeschätzt, weil es sich hierbei um typische Komplikationen handele, die bei einer zweimaligen Reanimation mit nachfolgender Operation an der Herz-Lungen-Maschine und einem Erkrankungsverlauf mit vielen Komplikationen, darunter einer mehrtägigen Beatmung zu erwarten seien. Er hat hieraus den zwingenden Schluss gezogen, dass die Minderung der Konzentrationsfähigkeit ebenfalls als Teil des Leistungsbildes angesehen werden müsse. Dies hält der Senat für überzeugend. Für die Ausführungen des Sachverständigen spricht neben seiner langjährigen Berufserfahrung als Kardiologe, bei der er wiederholt derartige Komplikationen beobachten konnte, die hohe Übereinstimmung mit sämtlichen zuvor eingeholten Gutachten bzw. ärztlichen Stellungnahmen oder Entlassungsberichten. Hierzu zählt auch das Gutachten des Gerichtssachverständigen Prof. Sw…, das zwar von einem allgemeinen Berufsbild eines Kochs ausgeht und damit nicht geeignet ist, die Berufsunfähigkeit des Klägers in seiner konkreten Tätigkeit zu belegen, aus dem sich jedoch ebenfalls eine allgemeine muskuläre Erschöpfung, ein unzureichendes kardiopulmonares Leistungsvermögen und eine Muskelschwäche im linken Arm und Bein entnehmen lassen, die nicht nur einer abstrakten Tätigkeit als Koch, sondern auch einer solchen im konkreten Arbeitsumfeld des Klägers in gesunden Tagen entgegenstehen.

Keinen Anlass zu einer ergänzenden Beweisaufnahme sieht der Senat in dem von der Beklagtenseite eingereichten Gutachten des Sachverständigen Prof. S. vom 22.8.2013, auch wenn dieser dem Kläger eine „weitgehend normale körperliche Leistungsfähigkeit“ bescheinigt hat. Diese Feststellung korrespondiert jedoch mit der Empfehlung, körperlich schwere Tätigkeiten und Arbeiten unter Akkord zu meiden und ist damit in sich widersprüchlich. Sie stellt zudem einseitig auf die bei einer Laufbandmessung ermittelte kardiopulmonare Leistungsfähigkeit ab, blendet hingegen die übrigen Einschränkungen, u.a. die Lähmungserscheinungen auf der linken Seite und die eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit aus, was bereits der Sachverständige Prof. Sw… bemängelt hat (Bl. 189 GA). Dies beruht offensichtlich auf der unzutreffenden Annahme des Privatgutachters, der Kläger sei Rechtshänder. Unabhängig von der zwischen den Sachverständigen streitigen Frage der Validität einer Laufbandmessung gegenüber einer Fahrradergometrie fußt das Privatgutachten des Prof. S. überdies auf einer Testung vom 8.8.2012, die bezogen auf den Zeitraum September 2011 keine eindeutigen Rückschlüsse zulässt. Mit den Testergebnissen aus der Ergometrie bei Dr. Nolte lassen sich die Werte des Privatgutachters ebenso wenig in Einklang bringen wie mit den Testergebnissen bei der Begutachtung durch Prof. Sw… und Prof. Sch.. Dass das Landgericht im Anschluss hieran das Privatgutachten des Prof. S. für widerlegt gehalten hat, steht im Einklang mit der Verpflichtung des Tatrichters, den Streit zwischen einen Gerichts- und einem Privatgutachter nicht dadurch zu entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einen von ihnen den Vorzug gibt, sondern verpflichtet ist, sich mit dessen Einwendungen auseinanderzusetzen (BGH Urteil vom 30.6.2010 – IV ZR 163/09; OLG Saarbrücken, Urteil vom 23.7.2004 – 56 U 683/04).

In der Summe der von ihm untersuchten körperlichen Einschränkungen hat der Sachverständige Prof. Sch. angenommen, die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit könne dieser in keiner Weise mehr ausüben, in jedem Fall betrage die Berufsunfähigkeit mehr als 50%. Dass der Sachverständige den Grad der Berufsunfähigkeit nicht durch eine Einzeladdition von Werten für die Teiltätigkeiten, sondern im Wege einer Gesamtschau gewonnen hat, ist im Ergebnis zutreffend. Geht es um die Berufsunfähigkeit wegen Unfähigkeit zur Ausführung einzelner Arbeitsschritte, darf der Sachverständige die dem Versicherten in dessen Beruf abverlangten Arbeitsverrichtungen nämlich nicht nur einzeln und isoliert, sondern muss er sie auch im Zusammenhang mit denjenigen Arbeitsverrichtungen bewerten, mit denen sie einen einheitlichen Lebensvorgang bilden (BGH, Beschluss vom 27.2.2008 – IV ZR 45/06; Urteil vom 26.2.2003 – IV ZR 283/01 – juris).

d) Der Einwand der Berufung, das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Kläger einer Blutungs- und Infektionsgefahr durch das Tragen spezieller Schutzhandschuhe hätte entgegenwirken können, geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass es der Annahme von Berufsunfähigkeit entgegensteht, wenn der Versicherte seinerseits durch einfache und auch im Übrigen zumutbare Hilfsmittel seine Berufsfähigkeit wahren kann oder könnte, was allerdings der Versicherer darzulegen und zu beweisen hat. (OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.5.2014 – 5 U 355/12). Was das Tragen eines oder zweier Schutzhandschuhe zur Eindämmung der Verletzungs-, namentlich der Schnittgefahr betrifft, so ist allerdings zweifelhaft, ob selbst spezielle Schutzhandschuhe für Köche, die um einiges feinmaschiger sind als beispielsweise Kettenhandschuhe für das Metzgerhandwerk, überhaupt eine geeignete Schutzmaßnahme darstellen. Denn Schutzmaßnahmen kommen nur in Betracht, soweit mit ihnen eine Arbeit ohne Qualitätseinbußen möglich ist (Münchner Kommentar, Bearb. Dörner, VVG, Bd. 2, 2. Aufl. 2017, § 172 Rz. 265 m.w.N.). Dass dies mit Hilfe auch eines speziell für Köche angefertigten Schutzhandschuhes gelingt, ist auf der Grundlage der Aussage der Zeugin N. indes zweifelhaft. Denn diese bekundete, das im Eiscafé „V…“ erforderliche Schnitzen von Obst für Süßspeisen sei viel zu „filigran“ gewesen, um die Tätigkeit mit einem Metallhandschuh auszuführen. Es ist allgemein bekannt, dass das Anfertigen feiner Süßspeisen, bei denen es vor allem auch um ein optisch ansprechendes Anrichten und eine ausgefeilte Verzierung geht, ein besonderes handwerkliches Geschick verlangt, das beim Tragen eines Handschuhes entweder zu Qualitätseinbußen aber einer nicht unerheblichen Zeitverlängerung führt. Letztlich kommt es hierauf aber auch nicht an, weil der Sachverständige bereits unabhängig davon die Berufsfähigkeit als Koch aufgrund der übrigen Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtschau verneint hat.

e) Für eine von der Beklagten angenommene Pflicht des Klägers, seine Berufsfähigkeit durch Umorganisation des Arbeitsplatzes wiederherzustellen und das Tragen von Lasten sowie Arbeiten unter Hitze, Zeitdruck und im Stehen auf andere Mitarbeiter zu delegieren, fehlt es an einer Grundlage in den Versicherungsbedingungen. Nach § 2 Nr. 3 Absatz 3 AVB kommt eine zumutbare Umorganisation nur bei Selbständigen in Betracht. Zu diesen zählt der Kläger nicht. Entscheidend für die Auslegung dieser Bestimmung ist nicht die formale Anstellung aufgrund eines Dienst- oder Arbeitsvertrages, sondern das für die Möglichkeit einer Umorganisation zwingend erforderliche Direktionsrecht. Ein solches Direktionsrecht mit der Möglichkeit, grundlegende betriebliche Abläufe umzugestalten, hatte der Kläger trotz einer partiellen Weisungsmöglichkeit gegenüber den anderen Mitarbeitern des Cafés nicht. Auch wenn der Kläger selbst in erster Instanz geäußert hat, dass für ihn die Arbeit als „Küchenchef“ vorgesehen war, was zumindest ein gewisses Weisungsrecht suggeriert, so liegt auf der Hand, dass der Kläger als Mietkoch nicht seine Kerntätigkeiten wie das Anfertigen von Waffeln, Crèpes, Strudelteig u.a. Speisen, die Arbeiten unter Hitze verlangen, sowie den Transport und das Einsortieren der gelieferten Waren, wie letztlich auch die Ausführung von Arbeiten, die das Tragen von Schutzhandschuhen erfordern würden, delegieren kann. In seiner Anhörung vor dem Senat hat er zudem ausgeführt, dass er insoweit weisungsunterworfen gewesen sei, als er wie ein Arbeitnehmer Anwesenheitspflichten zu Geschäftszeiten hatte und dass er im Übrigen oftmals alleine da war, der Beikoch hingegen bis spät in die Abendstunden arbeiten musste, so dass im Falle einer Umorganisation in jedem Falle ein weiterer Mitarbeiter hätte angestellt werden müssen, wenn seine wesentlichen Aufgaben wie das Arbeiten im Stehen, bei Hitze, oder die Warenannahme hätte umorganisiert werden sollen. Diese Entscheidung hätte wiederum nicht bei ihm gelegen. Eine einem Betriebsinhaber vergleichbarer Stellung hatte er mithin zu keinem Zeitpunkt. Ohnehin handelt es sich bei den ihm von der Beklagten angesonnen Veränderung seines Arbeitsumfelds nicht um eine zumutbare Umorganisationsmöglichkeit, die dann nicht vorliegt, wenn dadurch die Arbeit ihre prägenden Merkmale völlig verliert (MüKo, aaO., Rz. 79, m.w.N.; OLG Frankfurt, Urteil vom 21.11.2017, juris Rz. 74 m.w.N.). So ist es hier,.

3. Ohne Erfolg greift die Berufung die Entscheidung des Landgerichtes dahingehend an, dass ein Anspruch des Klägers bereits ab dem 31.08.2011 zuerkannt worden sei. Tatsächlich wurde die Rentenleistung erst ab September 2011 bis zum 30.11.2012 und damit für rechnerisch zutreffend 15 Monate zugesprochen, was einen Betrag von 15.000,00 EUR ergibt. Die Verurteilung zur Rückzahlung geleisteter Beiträge gemäß Ziffer 6 des angefochtenen Urteils folgt zwar nicht aus § 1 Ziff. 7 AVB, weil diese Klausel nur die Rückzahlung im Falle eines Anerkenntnisses betrifft, hat aber ihre Grundlage in § 1 Ziffern 1 b) und 4 in Verbindung mit § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB (vgl. OLG Stuttgart, U.v.31.03.2016 – 7 U 149/15, Juris Rz. 82).

4. Zu Unrecht allerdings hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von Verzugszinsen seit dem 31.08.2011 verurteilt. Dieser Regelung steht § 14 VVG entgegen, wonach Geldleistungen des Versicherers frühestens fällig sind mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen. Zwar handelt es sich hierbei um abdingbares Recht (Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 14 Rz. 41), eine Abbedingung findet sich in den zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen indes nicht. Insbesondere § 1 Abs. 4 AVB enthält lediglich Bestimmungen zur Anspruchsentstehung, nicht aber zur Fälligkeit. Die Beklagte hat nach Leistungsantragstellung durch den Kläger am 25.01.2012 zur Feststellung des Versicherungsfalles am 22.08.2012 das Privatgutachten des Prof. S. nebst einer ergänzenden Stellungnahme vom 11.09.2012 eingeholt. Dabei handelt es sich um notwendige Erhebungen zur Feststellung des Leistungsfalles. An diese Erhebungen schließt sich regelmäßig das Recht des Versicherers zur Leistungsprüfung an (Prölss/Martin, aaO. Rz. 9 m.w.N.). Hierfür benötigte die Beklagte eine vertretbare Prüfungszeit bis zum 28.09.2012, mit Schreiben dieses Datums lehnte sie gegenüber dem Kläger jegliche Leistung ab. Besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Leistungen aus der Versicherung, so tritt Verzug bei Ablehnung ein, ohne dass es noch einer gesonderten Mahnung bedürfte, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Damit trat Verzug erst ab dem 29.09.2012 ein. Entsprechend war die Verurteilung zur Zinsleistung abzuändern.

III.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Den Streitwert hat der Senat nach § 3 ZPO festgesetzt. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Quelle: IWW

Betreuerbestellung bei mehreren gemeinschaftlich zur Vertretung berufenen Bevollmächtigten

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 31.01.2018 – XII ZB 527/17
BGB § 1896 Abs. 2 Satz 2

Hat der Betroffene mehrere Personen in der Weise bevollmächtigt, dass sie ihn nur gemeinschaftlich vertreten können, können die Bevollmächtigten nur dann die Angelegenheiten des Betroffenen ebenso gut wie ein Betreuer besorgen, wenn davon auszugehen ist, dass sie zu einer gemeinschaftlichen Vertretung in der Lage sind. Dazu bedarf es einer Zusammenarbeit und Abstimmung der Bevollmächtigten und damit jedenfalls eines Mindestmaßes an Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 8. September 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die im Jahre 1922 geborene Betroffene erteilte Ende Oktober 2003 ihrer Tochter (Beteiligte zu 1) und ihrer Schwiegertochter (Beteiligte zu 2) eine notarielle General- und Altersvorsorgevollmacht. Diese kann nach § 1 des Vollmachtstextes nur gemeinschaftlich ausgeübt werden. Die Generalvollmacht berechtigt die beiden Bevollmächtigten, umfassend im vermögensrechtlichen Bereich für die Betroffene tätig zu werden. Die Altersvorsorgevollmacht ermächtigt sie zu Entscheidungen unter anderem in den Bereichen der Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitssorge.

2

Mitte September 2016 hat sich die Tochter der Betroffenen an das Amtsgericht gewandt und beantragt, als Betreuerin für die nach ihren Angaben seit Anfang 2015 an Demenz erkrankte Betroffene bestellt zu werden, und im weiteren Fortgang des Verfahrens auch die Bestellung eines externen Betreuers oder Kontrollbetreuers angeregt. Ihre Schwägerin, in deren Nähe die Betroffene lebt, treffe Entscheidungen zu Fragen von Gesundheit und Finanzen der Betroffenen stets allein und bereichere sich auf Kosten der Betroffenen.

3

Nach mehrfachen schriftlichen Stellungnahmen der beiden Bevollmächtigten hat das Amtsgericht durch den Rechtspfleger mit Beschluss vom 22. Juni 2017 entschieden, dass für die Betroffene kein Betreuer bestellt wird. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist ohne Erfolg geblieben.

4

Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt sie weiterhin das Ziel, dass für die Betroffene eine Betreuung oder Kontrollbetreuung errichtet wird.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

6

1. Dieses hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Rechtspfleger sei zur Entscheidung über die Anregung der Beteiligten zu 1 zuständig gewesen. Der angefochtene Beschluss sei dahin auszulegen, dass kein Kontrollbetreuer bestellt worden sei. Die Voraussetzungen einer Kontrollbetreuung lägen auch nicht vor. Der Gesundheitszustand der Betroffenen, die in einem Heim untergebracht sei und dort die erforderliche Pflege und Versorgung erhalte, erfordere die Einrichtung einer Kontrollbetreuung nicht. Soweit die Tochter der Betroffenen geltend mache, Auskünfte nur teilweise oder gar nicht zu bekommen, könne sie sich auf ihre Vollmacht berufen. Das sei nicht Aufgabe eines Kontrollbetreuers. Soweit sie geäußert habe, die Beteiligte zu 2 nehme Zugriff auf das Vermögen der Betroffenen, handele es sich um einen bloßen Verdacht, der einer tatsächlichen Grundlage entbehre. Für die von der Beteiligten zu 2 bis einschließlich Dezember 2014 angeblich abgebuchten und verbrauchten 145.000 € sei nicht ersichtlich, dass Verfügungen ohne Wissen und Wollen der zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkrankten Betroffenen erfolgt seien. Auch für die Befürchtung, die Tochter der Beteiligten zu 2 könne unter Missbrauch der ihr von der Betroffenen erteilten Kontovollmachten Gelder für sich verbrauchen, gebe es keine Anhaltspunkte. Als Mitbevollmächtigte könne die Beteiligte zu 1 zudem ihre Schwägerin und deren Tochter auf Vermögensverfügungen zu Lasten der Betroffenen selbst kontrollieren und Auskunftsansprüche gegen ihre Schwägerin geltend machen. Für die gemeinschaftlich geregelte Vertretung der Betroffenen wäre zwar eine gut funktionierende und auf Vertrauen basierende Abstimmung wünschenswert und hilfreich. Ein Defizit in dem Vertrauensverhältnis führe aber nicht dazu, dass ein Kontrollbetreuer zur Wahrung der Rechte der Betroffenen zu bestellen sei.

7

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

8

a) Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Amtsgericht allein über die Einrichtung einer Kontrollbetreuung entschieden hat. Es hat dies offensichtlich zum einen daraus, dass der vorliegend tätige Rechtspfleger gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 RPflG nur insoweit zuständig ist, und zum anderen im Wege der Auslegung daraus geschlossen, dass der Beschwerde laut Nichtabhilfebeschluss des Rechtspflegers mit der Maßgabe abgeholfen wurde, es werde kein Kontrollbetreuer bestellt.

9

Diese Annahme ist jedoch unzutreffend. Zwar ist richtig, dass § 15 RPflG die dem Betreuungsgericht übertragenen Angelegenheiten dem Richter vorbehält und hiervon in Absatz 1 Satz 2 lediglich die Verrichtungen ausnimmt, die eine Betreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB – mithin eine sogenannte Kontrollbetreuung – betreffen. Gleichwohl hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts in Überschreitung seiner Kompetenz über die Frage einer Betreuung insgesamt entschieden. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Tenor des Beschlusses vom 22. Juni 2017, sondern es folgt auch aus den Beschlussgründen. Danach hat „das Gericht (…) geprüft, ob für die Betroffene ein Betreuer bestellt werden muss.“ Im Anschluss wird zuerst ausgeführt, dass und warum die Betroffene ausreichend durch die Bevollmächtigten vertreten werde und es einer umfänglichen Betreuung nicht bedürfe. In einem zweiten Begründungsschritt wird dann dargelegt, dass auch die Einsetzung eines Kontrollbetreuers nicht in Betracht komme. Der sich nur mit der Kontrollbetreuung befassende Nichtabhilfebeschluss konnte der Ausgangsentscheidung insoweit keinen anderen Gehalt verleihen.

10

Unabhängig davon, dass in einem Betreuungsverfahren wie dem vorliegenden mit der (Voll-)Betreuung als Gegenstand die Frage der Kontrollbetreuung nicht gesondert durch den Rechtspfleger verbeschieden werden kann, ist hier mithin nicht lediglich die Ablehnung der Kontrollbetreuung Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden. Vielmehr ist dem Landgericht die umfassende Prüfung angefallen, ob für die Betroffene eine Betreuung zu errichten ist.

11

b) Dies lässt sich, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht verneinen.

12

Allerdings darf ein Betreuer nur bestellt werden, soweit dies erforderlich ist ( § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB ). An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können ( § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB ). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Februar 2016 – XII ZB 498/15 -FamRZ 2016, 704Rn. 12 mwN). Hat der Betroffene jedoch mehrere Personen in der Weise bevollmächtigt, dass sie ihn nur gemeinschaftlich vertreten können, können die Bevollmächtigten nur dann die Angelegenheiten des Betroffenen ebenso gut wie ein Betreuer besorgen, wenn davon auszugehen ist, dass sie zu einer gemeinschaftlichen Vertretung in der Lage sind. Dazu bedarf es aber – wie das Landgericht im Ansatz richtig erkannt hat – einer Zusammenarbeit und Abstimmung der Bevollmächtigten und damit jedenfalls eines Mindestmaßes an Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit. Anderenfalls ist das für eine wirksame gemeinschaftliche Vertretung notwendige Einvernehmen zwischen den Bevollmächtigten nicht herstellbar.

13

So aber liegt es nach den bislang getroffenen Feststellungen hier. Die von der Betroffenen im Jahre 2003 erteilte Vollmacht berechtigt die Bevollmächtigten allein zur gemeinschaftlichen Vertretung. Eine solche ist bislang jedoch nicht erfolgt, sondern die Schwiegertochter der Betroffenen ist offensichtlich im Wesentlichen allein als Vertreterin tätig geworden, ohne dass ein Einvernehmen mit der Tochter der Betroffenen hergestellt wurde. Zudem stellt sich das Verhältnis zwischen den beiden Bevollmächtigten als in einer Weise belastet dar, die ein einvernehmliches Handeln zum Wohl der Betroffenen als nur schwer umsetzbar erscheinen lässt. Bei dieser Sachlage hätte es gemäß § 26 FamFG jedenfalls weitergehender Ermittlungen bedurft, um die Erforderlichkeit einer Betreuung unter Verweis auf die den beiden Beteiligten erteilte Vollmacht zu verneinen.

14

3. Der angefochtene Beschluss ist daher gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben und die Sache nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverweisen.

15

Dieses wird neben der Ermittlung, ob die beiden Bevollmächtigten zu der ihnen durch die Vollmacht allein gestatteten gemeinschaftlichen Vertretung in der Lage sind, auch zu prüfen haben, ob weitere von der Betroffenen erteilte Einzelvollmachten bestehen, die zumindest für Teilbereiche wie etwa bestimmte Bankgeschäfte einen Betreuungsbedarf entfallen lassen können.

16

Unabhängig davon wird das Landgericht Feststellungen dazu zu treffen haben, ob bei der Betroffenen die Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen. Sofern dies der Fall ist und sich gerade für den Bereich der Vermögenssorge ergibt, dass der Betreuungsbedarf durch eine vorhandene Vollmacht abgedeckt wird, wird sich das Landgericht zudem nochmals mit der Frage befassen müssen, ob es einer Betreuung zur Geltendmachung von Rechten der Betroffenen gegenüber der bevollmächtigten Person nach § 1896 Abs. 3 BGB (Kontrollbetreuung) bedarf. Dabei wird es in den Blick zu nehmen haben, ab welchem Zeitpunkt die Betroffene nach medizinischen Erkenntnissen nicht mehr selbst zur Kontrolle der bevollmächtigten Person in der Lage war, und zu erwägen haben, inwieweit die aktenkundigen finanziellen Verfügungen den Verdacht begründen, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2017 – XII ZB 143/17 -FamRZ 2017, 1714Rn. 12 f. mwN).

17

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen ( § 74 Abs. 7 FamFG ).

Vorschriften
§ 15 Abs. 1 Satz 2 RPflG, § 15 RPflG, § 1896 Abs. 3 BGB, § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 26 FamFG, § 74 Abs. 5 FamFG, § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG, § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 74 Abs. 7 FamFG

 

Quelle: IWW

Eine Betriebsrente wegen Erwerbsminderung ist auf Antrag rückwirkend zu gewähren

Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 22.12.2017 – 6 Sa 983/16
1. Es ist nicht zu beanstanden, wenn eine Pensionskasse in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen regelt, dass diejenigen Mitglieder, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist, erst ab dem Monat der Antragstellung eine Betriebsrente wegen einer Erwerbsminderung erhalten.

2. Nicht zulässig ist es aber, diese Antragstellung mit dem Erfordernis des Nachweises einer Erwerbsminderung durch Vorlage des Rentenbescheides des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers oder eines amts- oder werksärztlichen Attestes zu verbinden. Hierdurch werden die Pensionsberechtigten unangemessen benachteiligt i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB . Der Beginn der Bezugsberechtigung wird damit davon abhängig gemacht, wie zügig und sorgfältig ein Sachbearbeiter bei der Rentenversicherung bzw. ein Amts- oder Werksarzt im konkreten Fall arbeitet. In den Fällen, in denen die Erwerbsminderung zunächst zu Unrecht verkannt und erst zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend anerkannt wird, könnten keine Betriebsrentenansprüche ab Eintritt des Versorgungsfalls bezogen werden.

3. Diesem Nachteil der Pensionsberechtigten steht kein schützenswertes Interesse der Pensionskasse gegenüber. Zwar hat sie ein berechtigtes Interesse daran, nur bei einer nachgewiesenen Erwerbsminderung Leistungen zu erbringen. Hierfür ist es aber nicht notwendig, dass der Nachweis bereits bei Antragstellung vorliegen muss.

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 22.09.2016 – AZ. 3 Ca 459/16 lev – abgeändert.

1. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger 17.846,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.01.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger 3.937,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.01.2016 zu zahlen.

II. Die Beklagten haben jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 1. zu 82% und der Beklagten zu 2. zu 18% auferlegt.

III. Die Revision wird für beide Beklagten zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger rückwirkend eine Betriebsrente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Der am 21.11.1957 geborene Kläger war vom 02.03.1973 bis zum 30.09.2005 bei der Beklagten zu 2. bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Die Beklagte zu 1. ist eine Pensionskasse, deren Mitglied der Kläger seit dem 01.01.1984 ist.

Dem Kläger wurde unter dem Datum des 28.10.2005 im Auftrag beider Beklagten die Auskunft erteilt, dass ihm folgende unverfallbaren Anwartschaften auf Altersruhegeld zum 65. Lebensjahr zustünden:

?Anwartschaft aufgrund der Satzung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten zu 1. in Höhe von monatlich 540,80 EUR und eine

?Anwartschaft auf Firmenleistungen der Beklagten zu 2. aus firmenfinanzierten Zusagen in Höhe von 119,32 EUR.

Nachdem ein entsprechender Antrag des Klägers zunächst abgelehnt worden war, gab die Deutsche Rentenversicherung S. einem Widerspruch des Klägers statt und bewilligte ihm mit Bescheid vom 03.11.2015 rückwirkend zum 01.02.2013 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie des Rentenbescheids (Bl. 102 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Mit einem Schreiben vom 23.11.2015 beantragte der Kläger bei den Beklagten die Bewilligung einer Betriebsrente. Ihm wurde daraufhin eine von der Beklagten zu 1. zu leistende Pensionskassenrente in Höhe von 540,80 EUR und eine von der Beklagten zu 2. zu erbringende Firmenleistung in Höhe von 119,32 EUR mit Wirkung zum 01.11.2015 bewilligt, wie einer Berechnung der C. E. Services GmbH (Bl. 101 d.A.) zu entnehmen ist. Die vom Kläger weitergehend begehrte rückwirkende Bewilligung zum 01.02.2013 lehnten die Beklagten mit einem Schreiben vom 13.01.2016 ab.

Die bei Ausscheiden des Klägers im Jahr 2005 gültige Satzung der Beklagten zu 1. beinhaltete u.a. folgende Regelungen:

„… § 2 Mitgliedschaft Mitglieder der Kasse sind ?ordentliche Mitglieder ?außerordentliche Mitglieder und ?Bezieherinnen und Bezieher von Mitgliedsrenten. § 3 Ordentliche Mitgliedschaft … 5. Die ordentliche Mitgliedschaft endet mit ?der Beendigung des ihr zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses, … ?dem Eintritt des Versicherungsfalles … § 4 Außerordentliche Mitgliedschaft 1.Außerordentliche Mitglieder werden diejenigen ordentlichen Mitglieder, die aus dem zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles ausscheiden, sofern nicht die ordentliche Mitgliedschaft gemäß § 3 Nr. 4 ruht. … Soweit die ordentliche Mitgliedschaft vor dem 1. Januar 2003 begonnen hat, gilt § 14. … § 14 Übergangsbestimmungen 1.Soweit die ordentliche Mitgliedschaft vor dem 1. Januar 2001 begonnen hat, ist § 4 Nr. 1 Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass außerordentliche Mitglieder diejenigen ordentlichen Mitglieder werden, die nach Vollendung des 35. Lebensjahres und ?nach zehn Jahren ununterbrochener ordentlicher Mitgliedschaft oder ?nach zwölf Jahren ununterbrochenen Dienstjahren einschließlich drei Jahren ununterbrochener ordentlicher Mitgliedschaft aus dem der ordentlichen Mitgliedschaft zugrunde liegenden Arbeitsver- hältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles ausscheiden, sofern nicht die ordentliche Mitgliedschaft gemäß § 3 Nr. 4 ruht. …“

Die oben zitierten Bestimmungen waren auch in der im Februar 2013 gültigen Satzung enthalten. Die seit dem 01.07.2005 gültigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (im Folgenden: AVB) beinhalteten u.a. Folgendes:

„… § 5 Leistungen der Kasse 1.Die Kasse gewährt Mitgliedsrenten (§ 6, § 14 Nr. 3 und 4), Hinterbliebenenrenten (§ 8, § 14 Nr. 5, § 15 Nr. 7) und Beitragsrückerstattung (§ 10). 2.Der Anspruch auf Rentenleistungen setzt eine fünfjährige Wartezeit voraus. 3.Die Leistungen sind von der oder dem Bezugsberechtigten oder der Firma unter Vorlage der vom Vorstand verlangten Nachweise schriftlich bei der Kasse zu beantragen. 4.Die Rentenleistungen werden in Euro monatlich nachträglich unbar erbracht. Sie beginnen nach Eintritt des Versorgungsfalles ?für ordentliche Mitglieder mit dem Tag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. mit Beginn der vorübergehenden Pensionierung durch die Firma, ?in allen übrigen Fällen mit dem ersten Tag des Monats, in dem der Rentenantrag bei der Kasse eingeht, frühestens jedoch im Anschluss an die letzten laufenden Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. … § 6 Mitgliedsrenten 1.Mitgliedsrenten erhalten ordentliche und außerordentliche Mitglieder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Altersrente, vorgezogene Altersrente sowie Rente wegen Erwerbsminderung. 2.Altersrenten … 3.Vorgezogene Altersrenten … 4.Renten wegen Erwerbsminderung werden bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt, wenn und solange das Mitglied durch Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit nicht mehr imstande ist, die Obliegenheiten einer den bisherigen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden Stellung bei der Firma zu erfüllen. Sie werden auch im Falle einer vorübergehenden Pensionierung gewährt. Als Nachweis gilt der Rentenbescheid der allgemeinen Rentenversicherung über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit oder ein amts- bzw. werksärztliches Gutachten. Bei Erreichen der Altersgrenze 65 wird ab dem Folgemonat Altersrente gemäß Nr. 2 in gleicher Höhe gezahlt. …“

Die oben zitierten Regelungen finden sich im Wesentlichen auch in den im Februar 2013 gültigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Es wurden lediglich wegen einer Änderung der Bezifferung in § 5 Nr. 1 AVB statt § 15 Nr. 7 § 16 Nr. 7 zitiert, in § 5 Nr. 2 zusätzlich eine Regelung für den Fall einer familiengerichtlichen Entscheidung aufgenommen und in § 6 Nr. 1 ergänzend zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Formulierung „bzw. bei Nichtbestehen“ hinzugefügt.

Zum 01.01.2014 traten neue Allgemeine Versicherungsbedingungen in Kraft (im Folgenden AVB Neu). Diese waren bezüglich der oben zitierten Regelungen hinsichtlich der Vorgängerbestimmungen inhaltsgleich. Es wurde jedoch unter § 6 Nr. 5 folgende Regelung eingefügt:

„§ 6 Mitgliedsrenten … 5.Das Erfordernis der Beendigung bzw. des Nichtbestehens eines Arbeitsverhältnisses gemäß Nr. 1 kann entfallen, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen einer Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit durch einen Rentenbescheid nach Nr. 4 Satz 2 oder das Vorliegen der Voraussetzungen einer Erwerbsminderung im Sinne der allgemeinen Rentenversicherung durch amtsärztliches Gutachten mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird; längstens jedoch für den Zeitraum, für den durch den Rentenbescheid nach Nr. 4 Satz 2 eine rückwirkende Erwerbsminderungs-, Berufsunfähigkeits- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt wird oder durch amtsärztliches Gutachten die Erwerbsminderung festgestellt wird. Die in § 5 Nr. 4 Satz 2 und Satz 4, 1. HS genannten Zeitpunkte verschieben sich entsprechend. Voraussetzung ist jeweils ein entsprechender Antrag des Mitglieds auf rückwirkende Rente wegen Erwerbsminderung sowie die Zustimmung der Firma.Für die Zeit nach dem rückwirkenden Bezugszeitraum besteht ein Anspruch auf Renten wegen Erwerbsminderung nur, wenn und solange sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, wobei § 6 Nr. 4 Satz 5 unberührt bleibt.“

§ 16 Nr. 8 der AVB Neu lautet:

„§ 16 Übergangsbestimmungen … 8.§ 6 Nr. 5 sowie die weiteren daran anknüpfenden Bestimmungen, die im Zusammenhang mit der rückwirkenden Gewährung von Erwerbsminderungsrenten stehen, finden nur Anwendung, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen einer Erwerbsminderung bzw. eines nach § 6 Nr. 5 gleichgestellten Tatbestands mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wurde, wobei der Zeitpunkt des Eintritts der rückwirkend festgestellten Erwerbsminderung bzw. eines nach § 6 Nr. 5 gleichgestellten Tatbestands nicht vor dem 1. Januar 2014 liegen darf.“

Grundlage der von der Beklagten zu 2. gewährten Firmenrente ist eine von der C. AG mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Versorgungsordnung vom 11.02.2005 (Bl. 410 ff. d.A.) i.V.m. der „Ordnung der betrieblichen Grundrente vom 05.12.1983“ (Bl. 417 ff. d.A.). In der letztgenannten Versorgungsordnung heißt es u.a.:

„§ 11 Firmenrenten 1.Für Mitarbeiter, deren ordentliche Mitgliedschaft nach dem 31. Dezember 1983 begründet wird, leistet das Unternehmen anstelle der Pensionskasse die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente nach Maßgabe der Kassensatzung in ihrer jeweils gültigen Fassung.“

Mit seiner Klage vom 07.04.2016 hat der Kläger für die Zeit von Februar 2013 bis einschließlich Oktober 2015 Ansprüche auf eine Erwerbsminderungsrente gegen die Beklagte zu 1. in Höhe von 540,80 EUR brutto monatlich und gegen die Beklagte zu 2. in Höhe von 119,32 EUR monatlich geltend gemacht.

Der Kläger hat vorgetragen, er sei bereits bei seinem Ausscheiden im Jahr 2005 erwerbsgemindert gewesen. Da der Versorgungsfall damit bereits zum Zeitpunkt seines Ausscheidens vorgelegen habe, sei ein Antrag nach den AVB nicht erforderlich gewesen. Zudem habe er der Beklagten zu 1. bereits im Oktober 2005 mitgeteilt, dass er ausgeschieden sei und einen Rentenantrag stellen werde. Auf erneute telefonische Nachfrage sei ihm mitgeteilt worden, dass er sich nach Erhalt des Rentenbescheids melden solle. Weiter hat der Kläger die Ansicht vertreten, für den Fall, dass entgegen seiner Ansicht von einer außerordentlichen Mitgliedschaft auszugehen sei, käme es für den Rentenbeginn dennoch nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 5 Nr. 4 AVB an, da § 6 Nr. 4 AVB insoweit eine Sonderregelung für die Erwerbsminderungsrente beinhalte. Zumindest aber stehe ihm gemäß § 6 Nr. 5 AVB Neu ab dem 01.01.2014 ein Anspruch zu.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an ihn 17.846,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus aus 540,80 Euro seit dem 01.02.2013, 540,80 Euro seit dem 01.03.2013, 540,80 Euro seit dem 01.04.2013, 540,80 Euro seit dem 01.05.2013, 540,80 Euro seit dem 01.06.2013, 540,80 Euro seit dem 01.07.2013, 540,80 Euro seit dem 01.08.2013, 540,80 Euro seit dem 01.09.2013, 540,80 Euro seit dem 01.10.2013, 540,80 Euro seit dem 01.11.2013, 540,80 Euro seit dem 01.12.2013, 540,80 Euro seit dem 01.01.2014, 540,80 Euro seit dem 01.02.2014, 540,80 Euro seit dem 01.03.2014, 540,80 Euro seit dem 01.04.2014, 540,80 Euro seit dem 01.05.2014, 540,80 Euro seit dem 01.06.2014, 540,80 Euro seit dem 01.07.2014, 540,80 Euro seit dem 01.08.2014, 540,80 Euro seit dem 01.09.2014, 540,80 Euro seit dem 01.10.2014 540,80 Euro seit dem 01.11.2014, 540,80 Euro seit dem 01.12.2014, 540,80 Euro seit dem 01.01.2015, 540,80 Euro seit dem 01.02.2015, 540,80 Euro seit dem 01.03.2015, 540,80 Euro seit dem 01.04.2015, 540,80 Euro seit dem 01.05.2015, 540,80 Euro seit dem 01.06.2015, 540,80 Euro seit dem 01.07.2015, 540,80 Euro seit dem 01.08.2015 540,80 Euro seit dem 01.09.2015, 540,80 Euro seit dem 01.10.2015 zu zahlen; 2. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an ihn 3.937,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz hieraus aus 119,32 Euro seit dem 01.02.2013, 119,32 Euro seit dem 01.03.2013, 119,32 Euro seit dem 01.04.2013, 119,32 Euro seit dem 01.05.2013, 119,32 Euro seit dem 01.06.2013, 119,32 Euro seit dem 01.07.2013, 119,32 Euro seit dem 01.08.2013, 119,32 Euro seit dem 01.09.2013, 119,32 Euro seit dem 01.10.2013, 119,32 Euro seit dem 01.11.2013, 119,32 Euro seit dem 01.12.2013, 119,32 Euro seit dem 01.01.2014, 119,32 Euro seit dem 01.02.2014, 119,32 Euro seit dem 01.03.2014, 119,32 Euro seit dem 01.04.2014, 119,32 Euro seit dem 01.05.2014, 119,32 Euro seit dem 01.06.2014, 119,32 Euro seit dem 01.07.2014, 119,32 Euro seit dem 01.08.2014, 119,32 Euro seit dem 01.09.2014, 119,32 Euro seit dem 01.10.2014, 119,32 Euro seit dem 01.11.2014, 119,32 Euro seit dem 01.12.2014, 119,32 Euro seit dem 01.01.2015, 119,32 Euro seit dem 01.02.2015, 119,32 Euro seit dem 01.03.2015, 119,32 Euro seit dem 01.04.2015, 119,32 Euro seit dem 01.05.2015, 119,32 Euro seit dem 01.06.2015, 119,32 Euro seit dem 01.07.2015, 119,32 Euro seit dem 01.08.2015, 119,32 Euro seit dem 01.09.2015, 119,32 Euro seit dem 01.10.2015 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, dem Kläger stehe die Erwerbsminderungsrente erst ab dem 01.11.2015 zu, da er vor dem Monat November 2015 keinen Antrag gestellt habe. § 5 Nr. 4 AVB lege auch für die Erwerbsminderungsrente fest, dass die Rente erst mit dem ersten Tag des Monats, in dem der Rentenantrag bei der Kasse eingehe, geleistet werde. § 6 Nr. 4 AVB enthalte keine Sonderbestimmung hinsichtlich des Rentenbeginns. Es werde dort lediglich geregelt, welche Nachweise zu erbringen seien. § 6 Nr. 5 AVB Neu sei auf den Kläger nicht anwendbar, da die Erwerbsminderung bereits vor dem vereinbarten Stichtag „01.01.2014“ eingetreten sei. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 6 Nr. 5 AVB Neu ohnehin nicht vor.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.09.2016 abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, die Rentenleistungen seien gemäß § 5 Nr. 4 AVB erst mit Eingang des Rentenantrags zu erbringen. Die Beklagten hätten ein berechtigtes Interesse daran, von einem außerordentlichen Mitglied einen Antrag auf Rentenzahlung zu verlangen. Es bestehe aus Gründen der Rechtssicherheit, aber auch aus Gründen der wirtschaftlichen Belastung ein berechtigtes Interesse, nicht im Nachhinein für mehrere Jahre mit einem rückwirkenden Leistungsanspruch konfrontiert zu werden.

Gegen dieses Urteil, welches dem Kläger am 25.10.2016 zugestellt worden ist, hat er am 23.11.2016 Berufung eingelegt und diese – nach einer Fristverlängerung bis zum 15.02.2017 – mit einem am 15.02.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger behauptet, er sei bereits bei seinem Ausscheiden erwerbsgemindert gewesen. Infolge zweier Herzinfarkte sei eine leidensgerechte Beschäftigung bei der Beklagten zu 2. nicht mehr möglich gewesen. Er habe bereits kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis telefonisch die Beklagte zu 1. – die dortige Mitarbeiterin N. – darüber informiert, dass er einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Deutsche Rentenversicherung S. gestellt habe. Daraufhin habe er die Mitteilung vom 28.10.2005 mit der Information über die unverfallbare Anwartschaft erhalten. Seit seinem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis habe er diverse Verfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung S. betreffend die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente geführt, bis ihm schließlich mit Bescheid vom 03.11.2015 die teilweise Erwerbsminderungsrente ab dem 01.02.2013 zuerkannt worden sei. Er ist der Ansicht, eine fernmündliche Antragstellung sei ausreichend. Jedenfalls sei § 6 Nr. 4 AVB so zu verstehen, dass es sich um eine Sonderregelung gegenüber § 5 Nr. 4 AVB handle. Etwaige Unklarheiten gingen zu Lasten der Beklagten. Zudem sei § 5 Nr. 4 AVB im Zusammenspiel mit § 5 Nr. 3 AVB zu lesen. Danach seien Leistungen von dem Bezugsberechtigten oder der Firma unter Vorlage der vom Vorstand verlangten Nachweise schriftlich bei der Kasse zu beantragen. Solange ihm der Nachweis über seine Erwerbsminderung nicht vorgelegen habe, wäre ihm danach eine Antragstellung gar nicht möglich gewesen. Da es in der Natur der Sache liege, dass Streitigkeiten mit den gesetzlichen Rententrägern über die Anerkennung einer Erwerbsminderungsrente Jahre dauern könnten, nähmen die Beklagten billigend in Kauf, dass auch ihre Verfahren erst nach dem Abschluss des Verfahrens des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers begonnen und entschieden werden könnten.

Nach einer mit Zustimmung der Beklagten erfolgten teilweisen Klagerücknahme hinsichtlich des Zinsbeginns beantragt der Kläger,

das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 22.09.2016 – AZ: 3 Ca 459/16 lev – abzuändern und 1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an ihn 17.846,40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 14.01.2016 zu zahlen; 2. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an ihn 3.937,56 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 14.01.2016 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihres Sach- und Rechtsvorbringens. Sie weisen darauf hin, dass die Mitarbeiterin N. im Jahr 2005 – unstreitig – in der für Betriebsrentenanwartschaften zuständigen Abteilung, nicht in der für Rentenzahlungen zuständigen Rentenabteilung beschäftigt gewesen sei. § 5 Nr. 4 AVB sei nicht zu beanstanden. Sie hätten im Hinblick auf die Kalkulation von Rentenansprüchen ein berechtigtes Interesse daran, rechtzeitig vor Fälligkeit Kenntnis von etwaigen Ansprüchen zu erlangen. Insoweit verweisen sie auf ein Urteil des LAG Düsseldorf vom 05.10.2012 – AZ: 6 Sa 669/12 -, welches ihre Auffassung stütze. Auch für die Forderung eines Nachweises bestehe ein berechtigtes Interesse. Eine Pensionskasse könne nicht verpflichtet sein, Zahlungen ins Blaue hinein zu erbringen. Ohne Kenntnis von einer Forderung könnten auch keine Rückstellungen gebildet werden. Rückstellungen „auf Verdacht“ seien nicht zulässig. Dass das Verlangen der Vorlage von Unterlagen (z.B. des Rentenbescheids) zu einem anderen Rentenbeginn führen könne als dem Beginn der gesetzlichen Rente, sei vielleicht beklagenswert, führe aber nicht zu einer Unwirksamkeit von § 5 Nr. 3 AVB. Es entspreche der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass die Fälligkeitszeitpunkte und die Voraussetzungen für die gesetzliche Rentenversicherung und der Betriebsrente nicht identisch sein müssten.

In der mündlichen Verhandlung haben beide Parteien übereinstimmend erklärt, dass die Firmenleistungen an die Rentenleistungen der Pensionskasse geknüpft seien. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, die Sitzungsprotokolle erster und zweiter Instanz sowie sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

I. Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung.

Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs.1, 64 Abs.6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 64 Abs.1, 2 lit. b) ArbGG.

II. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger stehen gegen beide Beklagten monatliche Betriebsrentenansprüche in der eingeklagten Höhe zu.

1. Die Beklagte zu 1. ist verpflichtet, dem Kläger für die Zeit von Februar 2013 bis Oktober 2015 insgesamt 17.846,40 EUR brutto zu zahlen. Der Kläger hatte nämlich bereits ab Februar 2013 einen Anspruch auf die Pensionskassen-Erwerbsminderungsrente.

a) Unstreitig hat der Kläger als Mitglied der Beklagten zu 1. Anwartschaften auf eine Betriebsrente erworben. Gemäß § 6 Nr. 4 AVB werden bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Renten wegen Erwerbsminderung gezahlt. Eine Erwerbsminderung des Klägers lag – wie dem gemäß § 6 Nr. 4 S. 2 AVB als Nachweis anerkannten – Bescheid der Deutsche Rentenversicherung S. zu entnehmen ist, ab dem 01.02.2013 vor.

b) Allerdings hat der Kläger erst ab November 2015 die Voraussetzung des § 5 Nr. 4 S. 2 Spiegelstrich 2 AVB erfüllt. Danach werden – sofern der Versorgungsfall nicht bei einem ordentlichen Mitglied eintritt – Betriebsrenten erst ab dem Monat der Antragstellung gezahlt.

aa) Entgegen der Ansicht des Klägers gilt dieses Antragserfordernis auch für die Erwerbsminderungsrente. § 6 Nr. 4 AVB beinhaltet insoweit keine Sonderregelung, sondern regelt lediglich, unter welchen Voraussetzungen der Nachweis als erbracht gilt. Die Leistungsvoraussetzungen werden für alle Mitgliedsrenten einheitlich in § 5 Nr. 4 AVB festgelegt. Dies geht daraus hervor, dass dort allgemein die Formulierung „Rentenleistungen“ verwendet wird. Dieser Begriff bezieht sich wiederum auf § 5 Nr. 1 AVB, wo sämtliche Mitgliedsrenten – unter Einbezug der in § 6 AVB näher geregelten Erwerbsminderungsrente – sowie Hinterbliebenenrenten aufgeführt werden.

bb) Der Kläger war bei Eintritt des Versorgungsfalls kein ordentliches Mitglied. Seine Behauptung, er sei bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens erwerbsgemindert gewesen, hat er in keiner Weise substantiieren können und zudem nicht unter Beweis gestellt. Auch wenn er infolge zweier Herzinfarkte längerfristig arbeitsunfähig war, folgt daraus nicht, dass eine Erwerbsminderung vorlag. Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung haben unterschiedliche Voraussetzungen und können nicht miteinander gleichgestellt werden (vgl. BAG v. 17.03.2016 – 6 AZR 221/15 – Rn. 27, juris).

cc) Auch hat der Kläger vor November 2015 keinen Antrag gestellt. Selbst wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, er habe im Jahr 2005 nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der von ihm benannten Zeugin N. telefoniert und diese darüber informiert, dass er bei der Deutsche Rentenversicherung S. einen Antrag auf Erwerbsminderung gestellt habe, so beinhaltet diese Erklärung keinen Antrag auf Bewilligung einer Betriebsrente, sondern allenfalls die Ankündigung eines solchen. Ein Antrag muss zwingend zum Ausdruck bringen, dass vom Erklärungsempfänger eine bestimmte Leistung erbracht werden solle. Dies ließ sich der behaupteten telefonischen Information nicht entnehmen. Auch fehlte es an der in § 5 Nr. 3 AVB geforderten Schriftform. Zudem konnte der Antrag jedenfalls nicht bereits im Vorfeld für eine erst zum 01.02.2013 eintretende Erwerbsminderung erfolgen.

c) Dem Kläger steht der Anspruch aber dennoch zu. § 5 Nr. 4 S. 2 Spiegelstrich 2 AVB ist – jedenfalls bezogen auf die Erwerbsminderungsrente – unwirksam. Hierdurch werden die außerordentlichen Mitglieder gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligt.

aa) § 307 BGB ist anwendbar. Bei den AVB handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie sind von der Beklagten zu 1. als Verwenderin für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden.

bb) Die in den AVB vorgenommene Begrenzung eines Rentenbeginns erst ab Antragstellung ist auf ihre Angemessenheit im Sinne dieser Vorschrift zu überprüfen. Dem steht § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht entgegen.

aaa) Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB gilt § 307 Abs. 1 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Rechtsvorschriften in diesem Sinne sind dabei nicht nur Gesetzesvorschriften im materiellen Sinn. Darüber hinaus sind u.a. auch Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrollfähig, die sich aus der Natur des Vertrages ergebenden wesentlichen Rechte und Pflichten zum Nachteil des Vertragspartners einschränken (BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 – Rn. 30, juris). Dazu gehören auch die aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten. In vollem Umfang kontrollfähig sind Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen modifizieren, einschränken und aushöhlen (BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 – Rn. 30, juris; BGH v. 10.12.2013 – X ZR 24/13 – Rn. 16, juris). Abweichungen von der sich aus rechtlichen Vorgaben ergebenden Vertragstypik unterliegen einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle (BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 – Rn. 30, juris).

Werden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt, sind damit Regelungen, die von den im Betriebsrentengesetz angelegten Formen der Risikoabdeckung abweichen, uneingeschränkt kontrollfähig (BAG v. 21.02.2017, Rn. 31, aaO). Keiner Inhaltskontrolle unterliegt dagegen die Höhe der zugesagten Versorgung, da es insofern an rechtlichen Vorgaben fehlt (BAG v. 21.02.2017, Rn. 31, aaO; BAG v. 30.11.2010 – 3 AZR 798/08 – Rn. 23, aaO).

bbb) Die Erwerbsminderungsrente fällt als Unterfall der Invaliditätsrente (vgl. Rolfs in Blomeyer/Otto/Rolfs, Betriebsrentengesetz, 6. Auflage 2015, § 1 BetrAVG Rn. 23 f.) unter den in § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG geregelten Anwendungsbereich des Betriebsrentengesetzes. Zu den Merkmalen einer betrieblichen Altersversorgung gehören mithin das Versprechen einer Leistung zum Zwecke der Versorgung, ein den Versorgungsanspruch auslösendes Ereignis wie Alter, Invalidität oder Tod, sowie die Zusage an einen Arbeitnehmer durch einen Arbeitgeber aus Anlass des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 08.05.1990 – 3 AZR 121/89 – Rn. 16 [juris]). Nach dem Betriebsrentenrecht gilt damit für alle Versorgungsformen, dass diese typischerweise mit Eintritt des in der Versorgungsordnung näher geregelten Versorgungsfalls fällig werden (vgl. Rolfs in Blomeyer/Otto/Rolfs, § 1 BetrAVG Rn. 16).

ccc) Demgegenüber nehmen die AVB für außerordentliche Mitglieder eine Einschränkung vor. Versicherungsbeginn ist nicht der Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls der Erwerbsminderung, sondern der Monat der Antragstellung. Diese Einschränkung benachteiligt die betroffenen Versorgungsberechtigten – und damit auch den Kläger – entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

(1) Unangemessen ist jede Benachteiligung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Bei einer danach erforderlichen wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung der rechtlich anzuerkennenden Interessen der Vertragsparteien ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen (vgl. BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 – Rn. 35, juris; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – Rn. 22, juris).

(2) Danach liegt hier eine unangemessene Benachteiligung vor.

(a) Diese ist allerdings nicht darin zu sehen, dass die AVB für außerordentliche Mitglieder – anders als für ordentliche Mitglieder – eine Antragstellung verlangt. Für das grundsätzliche Erfordernis einer Antragstellung besteht ein anerkennenswertes und billigenswertes Interesse der Pensionskasse.

Anders als bei ordentlichen Mitgliedern, die mit ihrem Ausscheiden unmittelbar in die Versorgung wechseln, hat die Beklagte zu 1. weder unmittelbar noch mittelbar über die Arbeitgeberin Kenntnis davon, ob und wann bei außerordentlichen Mitgliedern der Versorgungsfall eintritt. Der Schuldner einer betrieblichen Erwerbsminderungsrente hat aber ein berechtigtes Interesse daran, zeitnah zu erfahren, dass und ggfls. in welchem Umfang Ansprüche gegen ihn erhoben werden, um Planungssicherheit zu haben (vgl. hierzu BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 542/15 – Rn. 31, juris). Ein Antragserfordernis ist in diese Fällen grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 542/15 – Rn. 31, juris). Allerdings dürfen an die Antragstellung keine unangemessenen Anforderungen gestellt werden, wie dies insbesondere der Fall sein kann, wenn die Antragstellung zu ihrer Wirksamkeit der Beifügung von Unterlagen bedarf (vgl. BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 542/15 – Rn. 31, juris).

(b) Die Beklagte zu 1. hat die Antragstellung in § 5 Nr. 3 AVB an derartige zusätzliche Voraussetzungen geknüpft. Der Antrag hat „unter Vorlage der vom Vorstand verlangten Nachweise“ zu erfolgen. Hierunter fallen die Nachweise, die in § 6 Nr. 4 S. 3 AVB niedergelegt sind, denn die Versorgungsberechtigten als Erklärungsempfänger müssen davon ausgehen, dass zumindest diese vom Vorstand verlangt werden. Demnach ist § 5 Nr. 3 AVB so zu verstehen, dass im Falle einer Erwerbsminderung mit dem Antrag ein Nachweis im Sinne des § 6 Nr. 4 S. 3 AVB über deren Vorliegen verbunden sein muss. Da § 5 Nr. 3 AVG als Mussvorschrift formuliert ist („sind … unter Vorlage der vom Vorstand verlangten Nachweise … zu beantragen“ [Hervorhebung durch Unterzeichner]), ist eine Antragstellung ohne Einreichung eines Nachweises ausgeschlossen.

(c) Diese in den AVB vorgenommene Verknüpfung von Anforderungen an die Antragstellung auf der einen Seite und des Rentenbeginns ab dem Monat der Antragstellung andererseits benachteiligt die betroffenen Bezugsberechtigten unbillig. Sie ist nicht durch anerkennenswerte Interessen der Beklagten zu 1. gerechtfertigt.

(aa) In den Fällen, in denen ein Nachweis zunächst nicht erbracht werden kann, weil der Rentenversicherungsträger und/oder ein Amts- bzw. Werksarzt zu Unrecht das Vorliegen einer Erwerbsminderung verneint haben, wird selbst dann kein Rentenanspruch ab Eintritt des Versorgungsfalls begründet, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die ursprüngliche Ablehnung durch die vorgenannten Stellen zu Unrecht erfolgt ist. Der Beginn der Bezugsberechtigung wird damit davon abhängig gemacht, wie zügig und sorgfältig ein Sachbearbeiter bei der Rentenversicherung bzw. ein Amts- oder Werksarzt im konkreten Fall arbeitet. Das außerordentliche Mitglied, welches das Glück hat, dass die Erwerbsminderung sofort zutreffend erkannt und bescheinigt wird, erhält eine Betriebsrente, während der Bezugsberechtigte, bei dem das Vorliegen einer Erwerbsminderung zunächst verkannt wird, keine Leistungen ab Eintritt des Versorgungsfalls beziehen kann.

(bb) Diesem Nachteil stehen keine billigenswerten und schützenswerten Interessen der Beklagten zu 1. gegenüber.

Allerdings hat sie ein Interesse daran, Nachweise zu verlangen, bevor sie Rentenleistungen erbringt, da andernfalls das Vorliegen der Voraussetzungen einer Erwerbsminderung für sie nicht nachprüfbar wäre. Dieses Interesse wird jedoch dadurch gewahrt, dass die Fälligkeit der Erwerbsminderungsrente nicht eintritt, bevor der Nachweis erbracht wird. Hingegen gibt es kein schützenswertes Interesse, dass die Entstehung des Rentenanspruchs an derartige Nachweise geknüpft wird. Soweit die Beklagten meinen, das Interesse ergäbe sich daraus, dass andernfalls keine Rückstellungen gebildet werden könnten, so vermag dies nicht zu überzeugen. Erforderlichenfalls könnten ab Antragstellung Rückstellungen gemäß § 249 Abs. 1 S.1 Alt. 1 HGB für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden. Die Antragstellung eines außerordentlichen Mitglieds ohne Nachweis reicht aus, um eine solche Ungewissheit zu begründen, denn mit Vorlage des Nachweises würde es ohnehin an der zur Rückstellungsbildung nach dieser Norm erforderlichen Ungewissheit fehlen. Außerdem hat die Beklagte zu 1. mit der Änderung ihrer AVB im Jahr 2014 selbst gezeigt, dass ein solches berechtigtes Interesse nicht besteht. Wenn hiernach sogar ohne eine zeitnahe Antragstellung unter bestimmten Voraussetzungen die rückwirkende Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente an ordentliche Mitglieder möglich ist, so ist kein Grund ersichtlich, warum im Falle der rechtzeitigen Antragstellung eines außerordentlichen Mitglieds berechtigte Interessen bestehen sollten, den Zeitpunkt der Entstehung des Rentenanspruchs an den Nachweis der Erwerbsminderung zu knüpfen.

(cc) § 5 Nr. 3 und § 5 Nr. 4 S. 2 Spiegelstrich 2 AVB lassen sich auch nicht im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion in der Weise aufrecht erhalten, dass für den Rentenbeginn eine einfache Antragstellung ohne Beifügung der Nachweise ausreicht.

(aaa) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise unwirksam, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam (§ 306 Abs. 1 BGB) und sein Inhalt richtet sich insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). Eine geltungserhaltende Reduktion von Klauseln auf den zulässigen Inhalt durch die Gerichte findet grundsätzlich nicht statt (BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 – Rn. 44, juris; BAG v. 24.08.2016 – 5 AZR 703/15 – Rn. 25, juris). Eine Klausel bleibt nur dann teilweise aufrechterhalten, wenn sie mehrere Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abgrenzbar ist. Verbleibt nach der Streichung der unwirksamen Teilregelung und des unwirksamen Klauselteils eine verständliche Regelung, bleibt diese bestehen – sog. blue-pencil-Test (BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 -, Rn. 44, juris; BAG v. 21.04.2016 – 8 AZR 474/14 – Rn. 43, juris). Eine ergänzende Vertragsauslegung ist jedoch ausnahmsweise jedenfalls dann möglich, wenn ein Festhalten am Vertrag auch für den Verwender eine unzumutbare Härte iSv. § 306 Abs. 3 BGB darstellt (BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 -, Rn. 44, uris; BAG v. 10.05.2016 – 9 AZR 434/15 – Rn. 37 f., juris).

(bbb) Danach können die Klauseln nicht im Wege des blue-pencil-Tests teilweise aufrecht erhalten bleiben.

Zwar wären sowohl § 5 Nr. 3 als auch § 5 Nr. 4 AVB sprachlich weiterhin verständlich, wenn lediglich der Satzteil „unter Vorlage der vom Vorstand verlangten Nachweise“ gestrichen würde. Im Falle der teilweisen Aufrechterhaltung der Klauseln entstünde allerdings eine Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. In der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB (BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10 – Rn. 22, juris). Genau dies wäre hier der Fall, wenn man die o.g. Textpassage im Wege des blue-pencil-Tests lediglich unangewendet ließe, denn für die Versorgungsberechtigten wäre angesichts des eindeutigen gegenteiligen Wortlauts nicht erkennbar, dass sie ihre Rechte durch eine einfache Antragstellung ohne Beifügung von Unterlagen wahren könnten.

(ccc) Aus den gleichen Gründen scheidet auch eine ergänzende Vertragsauslegung aus.

(ddd) Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus dem von ihnen zitierten Urteil der erkennenden Kammer vom 05.10.2012 – 6 Sa 669/12 – nichts Gegenteiliges. Diese Entscheidung betraf den Antrag eines ordentlichen – also noch im Arbeitsverhältnis stehenden – Mitglieds der Pensionskasse auf rückwirkende Pensionierung. Mit der vorliegenden Fallkonstellation ist dieser Fall nicht vergleichbar.

d) Unstreitig beträgt die Erwerbsminderungsrente monatlich 540,80 EUR, woraus sich für 33 Monate der unter Ziffer 1. ausgeurteilte Betrag in Höhe von insgesamt 17.846,40 EUR brutto errechnet.

2. Zudem hat der Kläger gegen die Beklagte zu 2. einen Anspruch auf Nachzahlung sog. Firmenleistungen für die Zeit von Februar 2013 bis Oktober 2015 in Höhe von insgesamt 3.937,56 EUR.

Der Anspruch folgt aus einer dem Kläger erteilten Zusage i.V.m. der „Ordnung der betrieblichen Grundrente“ vom 05.12.1983 i.V.m. der Satzung der Beklagten zu 1. sowie deren Allgemeinen Versicherungsbedingungen.

Diese Rente ist von der Beklagten zu 2. nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien nicht anstelle, sondern zusätzlich zu den Leistungen der Beklagten zu 1. zu erbringen. Sie ist – unstreitig – an die Voraussetzungen der Pensionskassenrente geknüpft. Da – wie unter Ziffer 1. aufgezeigt – ab dem 01.02.2013 ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1. bestand, ergibt sich damit zugleich der Anspruch auf die ergänzenden Firmenleistungen gegen die Beklagte zu 2. Die Höhe der monatlichen Rente von 119,32 EUR brutto ist unstreitig, so dass sich für 33 Monate der ausgeurteilte Anspruch in Höhe von insgesamt 3.937,56 EUR ergibt.

3. Der Zinsanspruch bezüglich beider Ansprüche folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Mit dem Schreiben vom 13.01.2016 haben beide Beklagten die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, so dass es keiner Mahnung mehr bedurfte.

B.

I. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 2 ZPO.

II. Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Vorschriften
§§ 66 Abs.1, 64 Abs.6 ArbGG, § 520 ZPO, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, § 307 BGB, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, § 307 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG, § 249 Abs. 1 S.1 Alt. 1 HGB, § 306 Abs. 1 BGB, § 306 Abs. 2 BGB, § 306 Abs. 3 BGB, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, § 288 Abs. 1 S. 2 BGB, §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 2 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG

Quelle: IWW

An der Kostenübernahme gemäß Erklärung für die Heimkosten eines Elternteils ändert eine Ausschlagung des Erbes nichts

OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
B e s c h l u s s
4 U 36/16
5 O 1319/15 Landgericht Oldenburg
In dem Rechtsstreit
M. L.
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte K.. & P…
gegen
N..-N..S…. gGmbH, vertreten durch den Geschäftsführer,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B.. & P..
– 2 –
3
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht …den Richter am Oberlandesgericht ….
und den Richter am Oberlandesgericht …..
am 21. Dezember 2016
einstimmig beschlossen:
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. Februar 2016 verkündete
Urteil des Landgerichts Oldenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
3.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 5.628,90 Euro.
Gründe:
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen,
ebenfalls auf den Senatsbeschluss vom 04. November 2016, mit welchem
die Parteien darauf hingewiesen worden sind, dass eine Entscheidung gemäß
§ 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt ist.
II.
Der Senat weist die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss
zurück, weil sie offensichtlich unbegründet ist. Zur Begründung wird zunächst auf
den vorgenannten Hinweisbeschluss Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 3
ZPO).
– 3 –
4
Das weitere Vorbringen der Beklagten rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Soweit die Beklagte vorträgt, dem im Hinweisbeschluss zitierten Urteil des BGH
vom 21. Mai 2015 (FamRZ 2015, 1491-1494) könne nicht entnommen werden,
dass zur Feststellung eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 WBVG die von der
Beklagten unterzeichnete Erklärung Anlage zu einem vorformulierten Vertragsentwurf
gewesen sein muss, kann dem nicht gefolgt werden. Denn diese Voraussetzung
ist bereits aus dem Leitsatz dieser Entscheidung ersichtlich.
Im Übrigen hat – einen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Satz 1 WBVG unterstellt -,
dieser nicht die Nichtigkeit der von der Beklagten abgegebenen Erklärung zur
Kostenübernahme gemäß § 134 BGB zur Folge. § 134 BGB betrifft lediglich Fälle,
in denen die Vornahme von Rechtsgeschäften durch eine gesetzliche Vorschrift
deshalb verboten wird, weil das Rechtsgeschäft einen von der Rechtsordnung
missbilligten Inhalt aufweist oder einen zu missbilligenden Zweck verfolgt. § 134
BGB ist also nicht derart auszulegen, dass jeder Verstoß gegen ein Gesetz zur
Nichtigkeit des betreffenden Rechtsgeschäftes führt. Vielmehr ist darauf abzustellen,
ob die Zuwiderhandlung gegen den mit der Norm verbundenen Schutzzweck
verstößt. Zweck des § 14 Abs. 1 WBVG ist der Ausgleich zwischen dem Sicherungsbedürfnis
des Unternehmers, hier des Heimbetreibers, und dem Schutzbedürfnis
des Verbrauchers, hier des Heimbewohners/Pflegegastes. Der Verbraucher
soll vor Nachteilen geschützt werden, die ihm aus der doppelten Abhängigkeit
vom Unternehmer und der Komplexität der miteinander verbundenen Leistungen
für die Wahrung seiner Interessen drohen. Zugleich sollen die Nachteile, die
sich für den Verbraucher daraus ergeben, dass er oft nicht über das notwendige
Wissen und die erforderliche Erfahrung verfügt, um als gleichberechtigter Verhandlungs-
und Vertragspartner gegenüber dem Unternehmer auftreten zu können,
ausgeglichen werden. Insbesondere soll der Gefahr begegnet werden, dass
der an einem Vertragsabschluss interessierte Pflegegast die Beitrittserklärung als
ein von der Beklagten gewünschtes Sicherungsmittel in dem Glauben besorgt, es
handele sich hierbei um einen für den Vertragsabschluss wesentlichen Umstand
(vgl. BGH FamRZ 2015, 1491-1494, unter Hinweisung auf die Begründung des
Gesetzesentwurfs). Eine Zielrichtung der Vorschrift, auch den Sicherungsgeber
– 4 –
(hier die Beklagte) vor einer Sicherungsleistung i.S.v. § 14 Abs. 1 WBVG zu
bewahren, ist nicht ersichtlich.
Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 97 Abs. 1 ZPO
und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache – wie im Hinweisbeschluss
ausgeführt – keine grundsätzliche Bedeutung hat und sich die für die Rechtsanwendung
im vorliegenden Fall maßgeblichen Kriterien bereits aus der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs ergeben.
Quelle:PDF-IWW

Bei Berufsunfähigkeitsrente darf ein Versicherter mit der Verweisungstätigkeit nicht deutlich unter seinen früheren beruflichen Status absinken

Bundesgerichtshof: Urteil vom 20.12.2017 – IV ZR 11/16
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 8. Dezember 2017 eingereicht werden konnten,
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16 . Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 17. Dezember 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt Leistungen aus einer bei der Beklagten gehaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

2

§ 2 der zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen lautet auszugsweise:

„1. Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.“
3

Der Kläger wurde in der Zeit von 1987 bis 1991 zum Landmaschinenmechaniker ausgebildet. Von Juli 1994 bis Ende Dezember 2000 arbeitete er im Bereich Metallbau mit einem Schwerpunkt Hufbeschlag. Danach absolvierte er einen viereinhalb Monate dauernden, ganztägigen Lehrgang zum Hufbeschlagschmied und war von Juni 2003 bis März 2009 in diesem Beruf selbständig tätig. Vom 1. April 2009 bis 30. April 2015 war er in einer Biogasanlage zunächst als Anlagenwart, dann als Maschinenführer tätig. Seit dem 1. Mai 2015 ist er als Lagerist in einem anderen Unternehmen beschäftigt.

4

Der Kläger behauptet, sein im Jahr 2004 beginnendes Leiden – unter anderem chronische Lendenwirbel- und Schultergelenksbeschwerden – habe den Wechsel zur Tätigkeit in der Biogasanlage erforderlich gemacht. Er habe die Tätigkeit als Hufbeschlagschmied zunächst noch nebenberuflich weitergeführt, sei aber in diesem Beruf jedenfalls seit Juli 2012 zu mindestens 50% berufsunfähig.

5

Die Beklagte verweigert die Leistungen mit der Begründung, der Kläger könne auf die Tätigkeit als Maschinenführer verwiesen werden.

6

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der für die Frage der Berufsunfähigkeit heranzuziehende Beruf des Klägers der des Hufbeschlagschmieds gewesen ist und ob er diesen Beruf aus gesundheitlichen und nicht aus allein wirtschaftlichen Gründen gewechselt hat. Selbst wenn man unterstelle, dass er im Beruf des Hufbeschlagschmieds zu mindestens 50% berufsunfähig geworden sei, habe die Beklagte ihn jedenfalls in zulässiger Weise auf seine Tätigkeit als Maschinenführer verwiesen. Nach den Versicherungsbedingungen müsse es sich um eine Tätigkeit handeln, die ihm nach seiner Ausbildung und Berufserfahrung möglich sei und seiner Lebensstellung entspreche. Die erstere Voraussetzung sei aufgrund seiner Ausbildung als Landmaschinenmechaniker und einer früheren Tätigkeit als Maschinenführer im Garten- und Landschaftsbau unzweifelhaft erfüllt. Die Tätigkeit entspreche auch seiner bisherigen Lebensstellung, zu der die Verdienstmöglichkeiten, aber auch das Ansehen des Berufs in der Öffentlichkeit gehörten. Zwar habe der Kläger als selbständiger Hufbeschlagschmied im ländlichen Bereich möglicherweise ein etwas höheres Sozialprestige gehabt als ein angestellter Maschinenführer. Dies werde aber durch das höhere und überhaupt erst jetzt einigermaßen auskömmliche Einkommen des Klägers als Maschinenführer mehr als ausgeglichen. Von seinem früheren Einkommen als Hufbeschlagschmied sei ihm dagegen praktisch nichts zum Leben verblieben.

9

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht die Klage nicht abweisen. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die zwischenzeitlich ausgeübte Tätigkeit des Klägers als Maschinenführer seiner bisherigen Lebensstellung entsprach, ohne die Qualifikation des Klägers, die er für seinen nach der Unterstellung des Berufungsgerichts in gesunden Tagen zuletzt ausgeübten Beruf erworben hatte, mit der für die Tätigkeit als Maschinenführer erforderlichen zu vergleichen.

10

1. Eine Verweisung des Versicherten auf eine andere Tätigkeit kommt nach § 2 Abs. 1 der Bedingungen der Beklagten nur dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Die bisherige Lebensstellung wird vor allem durch die zulet zt ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf ( Senatsurteile vom 21. April 2010 – IV ZR 8/08 , VersR 2010, 1023 Rn. 11; vom 11. Dezember 2002 – IV ZR 302/01 , NJW-RR 2003, 383 unter II 1 [[…] Rn. 13]; vom 11. Dezember 1996 – IV ZR 238/95 , VersR 1997, 436 unter II 3 b [[…] Rn. 29]). Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbst ätigkeit bestimmt, die sich wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und F ähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (aaO).

11

2. Diesen Maßstäben genügt die Vergleichsbetrachtung des Berufungsgerichts nicht.

12

a) Der Umstand, dass das Einkommen des Klägers als Hufbeschlagschmied nicht zur Deckung des Lebensunterhalts ausreichte und sein Berufswechsel zu einer erheblichen Einkommenssteigerung geführt hat, ändert nichts daran, dass die für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und die hierfür notwendige Erfahrung seine berufliche Qualifikation, die durch die neue Tätigkeit nicht deutlich unterschritten werden darf, bestimmen. Der Versicherte darf in dem von ihm ausgeübten Verweisungsberuf unabhängig von einem unter Umständen auch höheren Einkommen nicht „unterwertig“, also seine frühere Qualifikation und seinen beruflichen oder sozialen Status unterschreiten d, beschäftigt sein (Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 5. Aufl. § 172 Rn. 46).

13

b) Selbst wenn der Kläger – worauf sich die Revisionserwiderung beruft – seiner Darlegungslast insoweit noch nicht genügt hätte, führte dies nicht zur Abweisung der Klage. Denn er hatte mit Blick darauf, dass das Berufungsgericht nur eine Beschreibung seiner neuen Tätigkeit forderte, keinen Anlass davon auszugehen, er habe bislang nicht ausreichend zu den Vergleichsgrundlagen hinsichtlich des mit beiden Berufen verbundenen Anforderungsprofils vorgetragen. Einen der Sache nach gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO gebotenen Hinweis hat das Berufungsgericht nicht erteilt.

14

III. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. An einer eigenen Sachentscheidung ist der Senat bereits deswegen gehindert, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zu den Anforderungsprofilen für die Tätigkeit als Hufbeschlagschmied einerseits und als Maschinenführer andererseits getroffen hat. Hierzu – und gegebenenfalls zu den bisher vom Berufungsgericht offengelassenen Fragen zum zuletzt ausgeübten Beruf des Klägers, den Gründen für seinen Berufswechsel und der behaupteten Berufsunfähigkeit – wird das Berufungsgericht noch entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

Von Rechts wegen

Vorschriften
§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO

Wird der Bevollmächtigte im Auftragsverhältnis tätig, besteht Rechnungslegungspflicht gegenüber den Erben

Oberlandesgericht München: Urteil vom 06.12.2017 – 7 U 1519/17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht München

Urt. v. 06.12.2017

Az.: 7 U 1519/17

In dem Rechtsstreit

– Klägerin und Berufungsbeklagte –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
gegen

– Beklagter und Berufungskläger –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt …

wegen Auskunft

erlässt das Oberlandesgericht München – 7. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht … am 06.12.2017 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2017 folgendes
Endurteil

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil des Landgerichts München I vom 29.03.2017, Az. 30 O 16060/16, in Ziffer 1. d) des Tenors wie folgt abgeändert:
„den Miterben der am 04.12.2015 verstorbenen Frau G. F. sämtliche hierzu bestehenden Belege und Urkunden in Form von Verträgen, Rechnungen, Auftragsbestätigungen und Kontoauszügen bezüglich aller Konten der am 04.12.2015 verstorbenen Frau G. F. mit Ausnahme der Unterlagen zum Konto Nr. …48 bei der BBBank eG K. und zum Konto Nr. …45 bei der F. Bank eG herauszugeben.
Die weitergehende Klage wird insoweit abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 20 %, der Beklagte 80 %. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten dem landgerichtlichen Schlussurteil vorbehalten.

IV. Dieses Urteil sowie das Teilurteil des Landgerichts München I vom 29.03.2017, soweit es nicht abgeändert wurde, sind vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage um Auskunfts- und Herausgabeansprüche aus einem Auftragsverhältnis.

Die Parteien sowie Frau E. H. bilden eine nicht auseinandergesetzte Erbengemeinschaft nach der am 04.12.2015 verstorbenen Frau G. F. (im folgenden als Erblasserin bezeichnet).

Die Erblasserin erteilte dem Beklagten am 13.03.2012 eine notarielle Generalvollmacht (Anl. K 3), deren Ziffer 2 Abs. 3 und 4 wie folgt lautet:

„Die Vollmacht und das ihr zugrundeliegende Rechtsverhältnis (Grundverhältnis) sollen mit meinem Ableben nicht erlöschen, ebenfalls nicht durch meine Geschäftsunfähigkeit. Das Grundverhältnis richtet sich nach den Auftragsvorschriften.

Von den Beschränkungen des § 181 BGB ist der Bevollmächtigte befreit.“

Am 08.08.2012 erteilte die Erblasserin dem Beklagten darüber hinaus eine Kontovollmacht für ihr Kontonr. …48 bei der BBBank eG K. (Anl. K 4).
Die Erblasserin unterhielt daneben noch ein Konto bei der F. Bank eG (Kontonr. …45).

Mit notariellem Kaufvertrag vom 05.10.2012 (Anl. K 5) veräußerte der Beklagte in Vertretung der Erblasserin, die zwischenzeitlich in ein Alten- und Pflegeheim gezogen war, ihr früheres Wohnanwesen in E. zum Preis von 565.000,00 €, der vom Käufer auf das Konto der Erblasserin bei der BBBank überwiesen wurde.

Zum Todeszeitpunkt der Erblasserin wies das Konto bei der BBBank ein Guthaben von 85.360,51 € auf.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.04.2016 (Anl. K 7) forderte die Klägerin den Beklagten zur Auskunftserteilung hinsichtlich seines Gebrauchs der von der Erblasserin ihm erteilten Generalvollmacht auf.

Der Klägerin wurden daraufhin vorgerichtlich sämtliche Unterlagen zu den Konten der Erblasserin bei der BBBank und der F. Bank sowie eine Buchungsübersicht zu den beiden Konten (vgl. Anl. B 7) nebst einer von der Erblasserin unterzeichneten maschinenschriftlichen Erklärung vom 13.03.2012, wonach der Beklagte aus dem Verkaufserlös ihres Wohnanwesens 500.000,00 € erhalten solle (Anl. B 9), übermittelt.

Die Klägerin beantragte in der Auskunftsstufe:

Der Beklagte wird verurteilt,

a)

den Miterben der am 04.12.2015 verstorbenen Frau G. F. ein Bestandsverzeichnis über deren Nachlass zum Stichtag 04.12.2015 vorzulegen,

b)

den Miterben der am 04.12.2015 verstorbenen Frau G. F. Auskunft über den Stand der Rechtsgeschäfte zu erteilen, die der Beklagte in Ausübung der von Frau G. F. am 13.03.2012 erteilten Vorsorgevollmacht sowie der am 08.08.2012 erteilten Kontovollmacht getätigt hat, insbesondere Auskunft über den Verbleib des Kaufpreises von € 565.000,00 gemäß dem notariellen Kaufvertrag vom 05.10.2012 (URNr. M …89/2012 der Notarin M. S. ) zu erteilen,

c)

den Miterben der am 04.12.2015 verstorbenen Frau G. F. eine geordnete und vollständige Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben vorzulegen, die seitens des Beklagten in Ausübung der mit dieser Vorsorgevollmacht getätigten Verfügungen erfolgt sind, und

d)

den Miterben der am 04.12.2015 verstorbenen Frau G. F. sämtliche hierzu bestehenden Belege und Urkunden in Form von Verträgen, Rechnungen, Auftragsbestätigungen, Kontoauszügen bezüglich aller Konten der am 04.12.2015 verstorbenen Frau G. F. in geordneter Form herauszugeben.

Der Beklagte beantragte:

Die Klage wird abgewiesen.

Das Landgericht München I hat mit Teilurteil vom 29.03.2017 den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Verurteilung und verfolgt sein erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren weiter.

Er beantragt:

1.

Das Teilurteil des Landgerichts München I vom 29.03.2017, Az 30 O 16060/16, wird aufgehoben.

2.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Das Gericht hat am 08.11.2017 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.

B.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch nur insoweit begründet, als er zur Belegvorlage auch hinsichtlich der Konten der Erblasserin bei der BBBank eG Karlsruhe (Konto Nr. …48) und der F. Bank eG (Konto Nr. …45) verurteilt wurde. Im Übrigen erfolgte die Verurteilung zu Recht und war die Berufung daher zurückzuweisen.

I. Die Klage der Klägerin ist zulässig.

1. Insbesondere ist die Klägerin prozessführungsbefugt, da sie als Miterbin gemäß § 2039 S. 1 BGB zum Nachlass gehörende Ansprüche und damit auch die hier streitgegenständlichen Auskunftsansprüche aus § 666 BGB in gesetzlicher Prozessstandschaft in eigenem Namen für die Erbengemeinschaft klageweise geltend machen kann. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner zugleich Miterbe ist (st. Rspr., BGH, Urteil vom 27.01.2016, Az. XII ZR 33/15, Rdnr. 14).

2. Entgegen der Auffassung der Berufung (vgl. S. 5, 6, Bl. 58/59 d.A.) fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Die Frage, ob der Beklagte den von der Klägerin geltend gemachten Auskunftsanspruch bereits ganz oder zumindest zum Teil erfüllt hat mit der Folge des gänzlichen oder teilweisen Erlöschens des Anspruchs nach § 362 Abs. 1 BGB ist ausschließlich für die Begründetheit von Relevanz, nicht aber für die Zulässigkeit.

II. Die Klage ist hinsichtlich der mit Ziffern 1. a – c des Klageantrags geltend gemachten Auskunftsansprüche auch begründet.

1. Die Erben haben gegen den Beklagten gemäß §§ 666, 1922 Abs. 1 BGB Anspruch auf Erteilung eines Bestandsverzeichnisses zum Stichtag 04.12.2015 (dem Todestag der Erblasserin).

a. Die Erblasserin hatte nämlich ihrerseits gegen den Beklagten einen Auskunftsanspruch nach § 666 BGB. Denn nach Ziffer 2. Abs. 3 S. 2 der von der Erblasserin erklärten notariellen „Generalvollmacht und Patientenverfügung“ vom 13.03.2012 (Anl. K 3, im Folgenden als Generalvollmacht bezeichnet), in der ausdrücklich hinsichtlich des „Grundverhältnisses“ zwischen der Erblasserin und dem Beklagten die „Auftragsvorschriften“ für anwendbar erklärt wurden, bestand zwischen der Erblasserin und dem Beklagten kein bloßes Gefälligkeitsverhältnis ohne daraus resultierende Auskunftsverpflichtung, sondern aufgrund des in Ziffer 2. Abs. 3 S. 2 der Generalvollmacht manifestierten rechtsgeschäftlichen Bindungswillens ein Auftragsverhältnis iSd. §§ 662 ff. BGB (zur Abgrenzung vgl. OLG Köln, Urteil vom 11.05.2017, Az. 16 U 99/16, Rdnr. 4).

In der Generalvollmacht erfolgte auch keine Abbedingung des § 666 BGB. Zwar ist die Vorschrift des § 666 BGB grundsätzlich dispositiv und kann deshalb (gegebenenfalls auch konkludent) abbedungen werden (Sprau in Palandt, BGB, 76. Auflage, München 2017, Rdnr. 1 zu § 666 BGB), jedoch lassen sich der Generalvollmacht keine Hinweise auf ein Abbedingen entnehmen. Ein solches folgt insbesondere nicht aus der Befreiung des bevollmächtigten Beklagten von der Beschränkung des § 181 BGB in Ziffer 2. Abs. 4 der Generalvollmacht, da dadurch lediglich der Kreis der vom Bevollmächtigten zu tätigenden Geschäfte erweitert wird. § 181 BGB hat jedoch keinen inhaltlichen Bezug zu den in § 666 BGB normierten Informationsrechten des Auftragsgebers.

Entgegen der Ansicht des Beklagten (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 08.03.2017, S. 2, Bl. 32 d.A.) wurde § 666 BGB auch nicht durch die Ausführungen in Ziffer 5. der Generalvollmacht abbedungen. Dies ergibt sich schon daraus, dass sich eine Abbedingung nur aus einem dementsprechenden Willen der Parteien des Auftragsverhältnisses ableiten ließe, während Ziffer 5. der Generalvollmacht keine Wiedergabe des Parteiwillens enthält, sondern ausschließlich Hinweise des am Auftragsverhältnis nicht beteiligten Notars, der damit lediglich seinen gesetzlichen und vertraglichen Sorgfaltspflichten nachkommt. Eine Bedeutung für den Parteiwillen hat dies indes nicht.

Der somit dem Grunde nach bestehende Auskunftsanspruch der Erblasserin gemäß § 666 BGB ist durch den Tod der Erblasserin im Wege der Universalsukzession gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergegangen. Dieser Anspruch umfasst auch die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses iSd. § 260 Abs. 1 BGB (Krüger in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, München 2016, Rdnr. 8 zu § 260 BGB).

b. Der Auskunftsanspruch der Erben ist nicht nach § 275 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit der Vorlage eines Bestandsverzeichnisses untergegangen. Die Unmöglichkeit einer Auskunftserteilung ist nur anzunehmen, wenn alle dem Auskunftspflichtigen zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten versagen, nachdem er alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat (vgl. Herzog in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2015, Rdnr. 93 zu § 2314 BGB, Grüneberg, in Palandt BGB, 76. Auflage, München 2017, Rdnr. 9 zu § 259 BGB). Selbst wenn dem Beklagten daher – wie er behauptet – infolge Weitergabe an die Klägerin keine Unterlagen mehr zur Verfügung stehen sollten, müsste er sich diese bei den kontoführenden Banken (F. Bank und BBBank) beschaffen und darauf gestützt das Bestandsverzeichnis erstellen. Da der Stichtag im Jahr 2015 liegt, sind die Kontodaten bei den beiden Banken im Hinblick auf deren gesetzliche Aufbewahrungspflichten auch noch verfügbar. Die Tatsache, dass dem Beklagten hierdurch möglicherweise Kosten entstehen, ist – wie sonst auch – für die Frage der Unmöglichkeit ohne Belang. Sonstige Gründe für eine Unmöglichkeit der Auskunftserteilung hat der Beklagte nicht vorgetragen. Solche sind auch nicht ersichtlich.

c. Der Anspruch der Erben auf Erteilung eines Bestandsverzeichnisses ist auch nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen, da der Beklagte bislang kein Bestandsverzeichnis erteilt hat.

Ein Bestandsverzeichnis iSd. § 260 Abs. 1 ist die übersichtliche Darstellung der Aktiv- und Passivposten zu einem bestimmten Zeitpunkt (BGH, Urteil 02.11.1960, V ZR 124/59, Rdnr. 11, Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Auflage, München 2017, Rdnr. 16 zu § 260 BGB, Krüger, in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, München 2016, Rdnr. 41 zu § 260 BGB).

Die bislang vom Beklagten erteilten Auskünfte genügen diesen Anforderungen nicht. Es wurden nämlich nur die Kontounterlagen zu den beiden Konten der Erblasserin bei der F. Bank und BBBank (vgl. Anl. B 4 zum Konto bei der F. Bank und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2017, S. 2, Bl. 80 d.A. zum Konto bei der BBBank), eine Buchungsübersicht hinsichtlich des Kontos bei der BBBank für den Zeitraum vom 06.12.2012 bis 13.11.2015 und eine weitere Buchungsübersicht hinsichtlich des Kontos bei der F. Bank für den Zeitraum vom 23.02.2012 bis 04.12.2015 (Anl. B 7) sowie ein von der Erblasserin unterschriebenes Schreiben vom 13.03.2012 hinsichtlich der von ihr gewollten Verwendung des Verkaufserlöses ihres Hauses (Anl. B 9) vorgelegt. Weder bei den Kontounterlagen noch den beiden Buchungsübersichten noch dem Schreiben der Erblasserin vom 13.03.2012 handelt es sich aber eine geordnete Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva zum Todestag der Erblasserin am 04.12.2015.

Nach alledem haben die Erben gegen den Beklagten einen Anspruch aus §§ 666, 1922 Abs. 1 BGB auf Vorlage eines Bestandsverzeichnisses zum 04.12.2015.

2. Die Erben haben des Weiteren gegen den Beklagten gemäß §§ 666, 1922 Abs. 1 BGB Anspruch auf Auskunft hinsichtlich des Stands der Rechtsgeschäfte, die der Beklagte in Ausübung der Generalvollmacht und/oder der gesonderten Kontovollmacht für das Konto bei der Freisinger Bank tätigte.

Wie bereits oben unter II. 1. a. dargelegt bestand zwischen der Erblasserin und dem Beklagten ein der Generalvollmacht zugrundeliegendes Auftragsverhältnis, aus dem gemäß § 666 BGB ein Auskunftsanspruch der Erblasserin folgt, der nach deren Tod nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben überging. Gleiches ist aufgrund der Generalvollmacht auch hinsichtlich der Kontovollmacht für das Konto bei der BBBank anzunehmen, da letztere nach dem Wortlaut der Generalvollmacht, die insoweit keine Einschränkungen hinsichtlich Bankkonten enthält, bereits von dieser umfasst ist.

Der Anspruch aus § 666 BGB umfasst gemäß § 259 Abs. 1 BGB die Rechenschaftslegung (Grüneberg, in Palandt, BGB, 76. Auflage, München 2017, Rdnr. 4 zu § 259 BGB). Rechenschaftslegung wiederum ist eine übersichtliche, in sich verständliche Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben. Sie muss nicht nur den Zustand zum Stichtag, sondern die Entwicklung zu ihm aufzeigen. Die Angaben müssen so detailliert und verständlich sein, dass der Berechtigte ohne fremde Hilfe in der Lage ist, seine Ansprüche nach Grund und Höhe zu überprüfen (Grüneberg, in Palandt, BGB, 76. Auflage, München 2017, Rdnr. 8 zu § 259 BGB).

Diese Rechenschaftslegung mag mit Aufwand und Kosten für den Beklagten verbunden sein. Sie wird ihm dadurch aber aus den oben unter II. 1. b. aufgeführten Gründen jedoch nicht unmöglich, sodass der Auskunftsanspruch nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB untergegangen ist.

Der Rechenschaftslegungsanspruch der Erben ist auch nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen, da die bisher vom Beklagten erteilten Auskünfte nicht den oben ausgeführten Anforderungen an eine Rechenschaftslegung genügen. Denn bei den der Klägerin zugegangenen Kontounterlagen (vgl. Anl. B 4 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2017, S. 2) handelt es sich nur um überlassene Belege, nicht aber um eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben.

Auch die der Klägerin überlassenen Buchungsübersichten laut Anl. B 7 führen nicht zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs.

Zum einen betrifft die Buchungsübersicht hinsichtlich des Kontos der Erblasserin bei der BBBank nicht den gesamten relevanten Zeitraum von der Vollmachtserteilung am 13.03.2012 bis zum Tod der Erblasserin am 04.12.2015, sondern nur den Zeitabschnitt vom 06.12.2012 bis 13.11.2015, so dass, da nur ein Teil der Einnahmen und Ausgaben aufgeführt und mit der Wiedergabe nur eines Teils der Transaktionen die Entwicklung hin zum Stichtag aus sich heraus nicht verständlich ist, schon insoweit keine hinreichende Rechenschaftslegung gegeben ist. Zum anderen enthält die Buchungsübersicht zum Konto bei der BBBank keine hinreichend konkreten Angaben. Denn die Erklärungen zu den einzelnen Buchungsvorgängen sind in vielen Fällen aus sich heraus nicht nachvollziehbar. So taucht immer wieder als Zweck einer Sollbuchung der Begriff „Schuldentilgung“ auf, der keinerlei Schlüsse darauf zulässt, wessen Schulden getilgt wurden (die der Erblasserin, die des Beklagten oder die eines Dritten?) und was der Schuldgrund war. Genau so wenig aussagekräftig sind die angegebenen Verwendungszwecke „Auftragsüberweisung Enkel“, da daraus nicht ersichtlich ist, wer wem aus welchem Grund welchen Auftrag erteilt hat, und „Renovierungsarbeiten“, da sich daraus nicht ergibt, was von wem aufgrund welchen Auftrags renoviert wurde.

Auch die Buchungsübersicht zum Konto der Erblasserin bei der Freisinger Bank ist inhaltlich nicht ausreichend. Denn auch dort sind die bei Sollbuchungen angegebenen Verwendungszwecke aus sich heraus nicht nachvollziehbar. Dies gilt insbesondere für die Verwendungszwecke „Barauszahlung“, „Ausgleich Auslagen“, „Auslagenersatz“ und „Umbuchung Sparkonto“ sowie „Landesjustizkasse“, da daraus nicht ersichtlich ist, an wen aus welchem Grund eine Barauszahlung erfolgte, wessen Auslagen aus welchem Grund ersetzt wurden, auf wessen Sparkonto aus welchem Grund Geld überwiesen wurde und was der Grund der Rechnungen der Landesjustizkasse war.

Das als Anl. B 9 vorgelegte Schreiben der Erblasserin vom 13.03.2012 ist schließlich schon deshalb keine Rechenschaftslegung über die Verwendung des Verkaufserlöses, da es sich dabei nicht um eine Erklärung des Beklagten als Auskunftsverpflichtetem, sondern um eine Erklärung der Erblasserin handelt.

Da die vom Beklagten bislang vorgelegten Unterlagen – wie oben ausgeführt – aus sich heraus nicht verständlich sind – ist dadurch auch keine Teilerfüllung des Rechenschaftslegungsanspruchs eingetreten.

III. Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin auf Belegvorlage (Ziffer 1 d des Klageantrags) ist die Klage dagegen entgegen der Ansicht des Landgerichts insoweit unbegründet, als sich der Antrag auch auf Belegvorlage bezüglich der beiden Konten der Erblasserin bei der BBBank und der F. Bank erstreckt.

Zwar haben die Erben gemäß §§ 666, 259 Abs. 1, 1922 Abs. 1 BGB grundsätzlich Anspruch gegen den Beklagten auf Belegvorlage, da der Anspruch nach § 666 BGB nicht nur die Auskunftserteilung, sondern auch die Vorlage von Belegen umfasst (Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Auflage, München 2017, Rdnr. 15 zu § 260 BGB), soweit diese sich auf den Inhalt der zu erteilenden Auskunft beziehen.

Wie sich aus dem als Anl. B 4 vorgelegten Email vom 03.06.2016 ergibt, war die Klägerin jedoch aufgrund einer vom Beklagten veranlassten Überlassung an sie durch die Bank bereits seit spätestens 03.06.2016 im Besitz sämtlicher Kontounterlagen zum Konto der Erblasserin bei der Freisinger Bank, sodass der Belegvorlageanspruch insoweit bereits vor Klageerhebung erfüllt und demnach gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen war.

Darüber hinaus räumte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2017 ein, dass ihr auch bereits sämtliche Unterlagen zum Konto der Erblasserin bei der BBBank überlassen worden waren, sodass auch insoweit Erfüllung iSd. § 362 Abs. 1 BGB eingetreten ist und eine Überlassung nicht nochmals verlangt werden kann.

Damit war das landgerichtliche Urteil, mit dem der Beklagte zur Belegvorlage auch hinsichtlich der der Klägerin bereits vorliegenden Unterlagen zu den beiden Bankkonten verurteilt wurde, insoweit abzuändern und die Klage abzuweisen.

IV. 1. Der Ausspruch zur Kostenfolge – soweit er im derzeitigen Prozessstadium getroffen werden konnte – beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Er berücksichtigt, dass die Berufung des Beklagten teilweise Erfolg hatte. Bei der Bemessung der Obsiegensquote geht das Gericht mangels anderweitigen Vortrags der Klägerseite davon aus, dass die bereits überlassenen Kontounterlagen den weit überwiegenden Teil der vom Beklagten vorzulegenden Belege ausmachen dürften.

2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr nur die Umstände des Einzelfalls.
Rechtsgebiet
BGB
Vorschriften
BGB § 181, § 259 Abs. 1, § 260 Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 362 Abs. 1, § 666, § 1922 Abs. 1, § 2039 S. 1, § 2314

Quelle: IWW

Die Einsetzung nur einer Pflegefachkraft im Nachtdienst für 50 bis 60 Heimbewohner ist zu wenig

Verwaltungsgericht Cottbus: Beschluss vom 22.11.2017 – VG 5 L 294/17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
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Rechtsgebiet
Pfl/BetrWoG BB 2009
Vorschriften
§ 21 Pfl/BetrWoG BB 2009, § 22 Pfl/BetrWoG BB 2009

Bei Anordnung einer Betreuung gegen den Willen des Betroffenen muss zwingend

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 18.10.2017 – XII ZB 186/17
BGB § 1896 Abs. 1a

Wird die Betreuung eines Volljährigen gegen dessen Willen angeordnet, so muss festgestellt werden, dass dem an einer psychischen Erkrankung leidenden Betroffenen die Fähigkeit fehlt, einen freien Willen zu bilden. Die Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbestimmung müssen durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. März 2016 – XII ZB 455/15 -FamRZ 2016, 970).

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 31. März 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Beschwerdewert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Der 66jährige Betroffene leidet an einer Parkinsonerkrankung mit hirnorganischer Beeinträchtigung, wegen derer er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Am 5. Oktober 2013 hatte er seinem Sohn, dem Beteiligten zu 2, Vorsorgevollmacht mit umfassender Vertretungsbefugnis erteilt. Mitte 2014 schenkte er dem Beteiligten zu 2 einen Geldbetrag von 120.000 € mit der Zwecksetzung, aus diesen Mitteln ein Haus zu erwerben, welches nach Möglichkeit vom Betroffenen bewohnt werden solle. Der Beteiligte zu 2 erwarb daraufhin eine Eigentumswohnung, in die der Betroffene einzog.

2

Das Amtsgericht hat Anfang 2017 eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten eingerichtet und den Beteiligten zu 1 als Berufsbetreuer bestellt.

3

Dagegen hat auch der Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft. Die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 2 folgt aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Januar 2017 – XII ZB 438/16 -FamRZ 2017, 552Rn. 9 ff.).

6

2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

7

a) Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Anordnung der Betreuung sei trotz bestehender Vorsorgevollmacht gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB erforderlich. Es lägen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass der Beteiligte zu 2 die Vorsorgevollmacht nicht zum Wohle des Betroffenen eingesetzt habe. Die erfolgte Schenkung stelle bereits objektiv einen hohen Betrag dar. Die Annahme eines derart hohen Geldbetrags durch den Beteiligten zu 2 stelle sich angesichts der gesundheitlichen Situation des Betroffenen als nicht an dessen Wohl orientierte Entscheidung dar. Angesichts der schwerwiegenden Erkrankung des Betroffenen sei schon zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht gesichert gewesen, wie lange dieser in der Lage sein würde, in einem Privathaus zu leben. Für die künftige Unterbringung des Betroffenen in einem Pflegeheim würden erhebliche finanzielle Mittel erforderlich, die dem Betroffenen aufgrund der erfolgten Schenkung fehlten. Auch fehle es an jeder rechtlichen Absicherung des Betroffenen hinsichtlich der mit seinem Vermögen erworbenen Immobilie; die Eintragung eines Wohnrechts oder Nießbrauchs zugunsten des Betroffenen sei nicht erfolgt. Aufgrund dessen trage der Betroffene auch das Insolvenz- und Todesfallrisiko des Beteiligten zu 2.

8

b) Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

9

aa) Die Rechtsbeschwerde rügt, dass der Betroffene ausweislich des landgerichtlichen Anhörungsprotokolls mit der Betreuung nicht einverstanden sei. Da sich dem angefochtenen Beschluss keine hinreichenden Feststellungen hierzu entnehmen lassen, ist rechtsbeschwerderechtlich davon auszugehen, dass die Einrichtung der Betreuung gegen den Willen des Betroffenen erfolgt ist.

10

bb) Nach § 1896 Abs. 1a BGB darf aber gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Wenn der Betroffene der Einrichtung einer Betreuung nicht zustimmt, ist neben der Notwendigkeit einer Betreuung stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen beruht. Das fachärztlich beratene Gericht hat daher festzustellen, ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung noch zu einer freien Willensbestimmung fähig ist. Die Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbestimmung müssen durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (Senatsbeschluss vom 16. März 2016 – XII ZB 455/15 -FamRZ 2016, 970Rn. 6 f. mwN). Das Gutachten muss Art und Ausmaß der Erkrankung und deren Auswirkung auf die Fähigkeit zur freien Willensbildung im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der durchgeführten Untersuchungen und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich begründen. Nur dann ist das Gericht in der Lage, das Gutachten zu überprüfen und sich eine eigene Meinung von der Richtigkeit der vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen zu bilden (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Februar 2017 – XII ZB 510/16 -FamRZ 2017, 648Rn. 15 mwN).

11

cc) Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht, denn er enthält keinerlei Feststellungen zur Fähigkeit des Betroffenen, seinen Willen frei zu bilden. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben.

12

3. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

13

a) Bei seiner erneuten Befassung wird das Landgericht zu berücksichtigen haben, dass sich tragfähige Feststellungen zur Fähigkeit des Betroffenen, einen freien Willen zu bilden, nicht ohne Weiteres dem vorliegenden Sachverständigengutachten entnehmen lassen. Zwar ist in dem eingeholten Gutachten mitgeteilt, dass bei dem Betroffenen eine Fähigkeit zur freien Willensbildung nicht vorhanden sei. Dieses ist jedoch nicht näher begründet und steht im Widerspruch zu der seitens des Gutachters vorgenommenen diagnostischen Einordnung, wonach hinsichtlich des kognitiven Leistungsvermögens keine abschließende Einschätzung zur Frage einer zwischenzeitlichen Verschlechterung im Vergleich zur Voruntersuchung durch den Sachverständigen im Jahr 2012 möglich sei, da eine weitere Untersuchung, zu der der Betroffene nicht angetroffen worden sei, nicht habe erfolgen können. Das im Jahr 2012 erstattete Gutachten gelangte indessen noch zu dem Ergebnis, dass die freie Willensbildung bei dem Betroffenen nicht eingeschränkt sei, und dass eine krankheitsbedingte Willensbeeinträchtigung nicht festgestellt werden könne.

14

b) Anhaltspunkte dafür, dass der Beteiligte zu 2 seine Vollmacht entgegen dem Wohle des Betroffenen eingesetzt habe, könnten aus dem vom Landgericht als interessenwidrig beurteilten Schenkungsgeschäft allenfalls dann hergeleitet werden, wenn dieses unter Gebrauchmachen von der Vorsorgevollmacht abgeschlossen oder vollzogen worden ist. Entsprechende Feststellungen sind indessen bisher nicht getroffen; vielmehr hat der Betroffene in seiner mündlichen Anhörung bestätigt, die Geldsumme für den angegebenen Zweck selbst zur Verfügung gestellt zu haben.

15

4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen ( § 74 Abs. 7 FamFG ).

Vorschriften
§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG, § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 1896 Abs. 1a BGB, § 74 Abs. 7 FamFG

Quelle IWW

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