Elektronische Einkommensteuererklärung: Korrektur bei schlichtem “Vergessen“

Elektronische Einkommensteuererklärung: Korrektur bei schlichtem “Vergessen“

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 45/15. Pressemitteilung vom 24.06.2015, Urteil vom 10.02.2015,  Aktenzeichen IX R 18/14

Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat durch Urteil vom 10. Februar 2015 (IX R 18/14) entschieden, dass das schlichte „Vergessen“ des Übertrags selbst ermittel­ter Besteuerungsgrundlagen –im Urteils­fall ein Verlustbetrag– in die entsprechende Anlage zu einer elek­tro­nischen Einkommensteuererklärung nicht grundsätzlich als „grob fahrlässig“ anzusehen ist. Danach könnten solche, die Steuerlast mindernden Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) auch dann noch berücksichtigt werden, wenn sie dem Finanzamt (FA) erst nach Bestandskraft der Steuerveranlagung mitgeteilt werden.

Der Kläger hatte im Jahr 2007 aus der Auflösung einer GmbH einen steuerlich berücksichtigungsfähigen Verlust erzielt, über den er seinen Steuerberater zutreffend informiert hatte. In den vom Berater gefertigten elektronischen Steuererklärungen fehl­ten jedoch Angaben zu diesem Verlust; denn obwohl der Berater den Verlustbetrag persönlich berechnet hatte, vergaß er, den er­mittelten Betrag in das entsprechende Feld des EDV-Programms zu übertragen. Das FA, das somit von dem Verlust keine Kennt­nis erlangte, veranlagte den Kläger erklärungsgemäß.

Im Jahr 2011 beantragte der Kläger nachträglich, den Verlust noch zu berücksichtigen. Das FA lehnte dies ab; denn nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sei eine Änderung nur möglich, wenn den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran treffe, dass die vorgebrachten „neuen“ Tatsachen, die zu einer niedrigeren Steuer führten, erst nachträglich bekannt werden. Auch wenn dem Kläger selbst im Streitfall kein schuldhaftes Handeln vor­zu­werfen sei, so habe doch der steuerliche Berater des Klägers grob fahrlässig gehandelt, indem er den Übertrag des bereits be­rech­neten Verlustbetrages in die entsprechende Anlage zur Ein­kom­men­steuererklärung schlicht „vergessen“ habe. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies den Rechts­streit an das FG zurück. Der BFH stellte zunächst klar, dass der Begriff des Verschuldens i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei elek­tronisch gefertigten Steuererklärungen in gleicher Weise aus­zu­legen sei wie bei schriftlich gefertigten Erklärungen. Aller­dings seien Besonderheiten der elektronischen Steuer­er­klä­rung hin­sicht­lich ihrer Übersichtlichkeit bei der notwendigen Be­ur­tei­lung des „individuellen Verschuldens“ des Steuerpflichtigen oder seines Beraters ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass am Computerbildschirm ein Überblick über die ausfüllbaren Felder der elektronischen Steuererklärung mitunter schwieriger zu erlangen sei, als in einer Steuererklärung in Papierform.

Gerade ein solches individuelles Fehlverhalten, für das das FA die Beweislast trage, habe das FG im Streitfall jedoch nicht fest­ge­stellt. Die Nachlässigkeit, die im Streitfall dazu geführt habe, dass der Verlust erst nachträglich bekannt wurde, habe lediglich darin bestanden, dass der errechnete Verlustbetrag nicht in das elek­tro­nische Formular übertragen worden war. Darin liege ein un­be­wusster –mechanischer– Fehler, der jederzeit bei der Ver­wen­dung eines Steuerprogramms unterlaufen könne, welches den Finanzämtern die mechanische Erfassungsarbeit von Steuer­erklärungsdaten abnehme. Solche bloßen Übertragungs- oder Eingabefehler zählten zu den Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkämen und mit denen immer gerechnet werden müsse; sie seien jedenfalls dann nicht als grob fahrlässig zu werten, wenn sie selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden seien.

Im zweiten Rechtszug wird nun das FG erneut prüfen, ob den Steuerberater ggf. aus anderen Gründen ein grobes Verschulden daran trifft, dass der Verlust des Klägers dem FA erst nach­träg­lich bekannt geworden ist.

Für weitere Fragen und Informationen zu diesem Urteil stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung – sprechen Sie uns einfach darauf an.

Über den Autor

Harald Halbig author

Rechtsanwalt und Steuerberater in München
Tätigkeitsschwerpunkte:
Steuerberatung, Steuerstrafrecht, strafbefreiende Selbstanzeige, Bilanzrecht, Rechtsbehelfsverfahren, Finanzgerichtsverfahren, Vermögensübertragungen, Erbschaftsteuerrecht

Kontakt: (089) 55 21 44-0, per E-Mail oder über unser Kontaktformular

Jetzt anrufen: (089) 55 21 44 0 oder senden Sie uns einfach eine Nachricht.
Call Now Button