Urteil zur Sterbehilfe – Selbstbestimmung oder legalisierter Selbstmord?

Urteil zur Sterbehilfe – Selbstbestimmung oder legalisierter Selbstmord?

Das Thema Sterbehilfe ist ein emotional stark belastetes Thema, welches auch die Meinung innerhalb der Bevölkerung spaltet. Während ein Teil eine Selbsttötung und dies insbesondere unter Zuhilfenahme kommerziell handelnder Vereine strikt ablehnt, sieht ein anderer Teil hier die Chance, selbst zu bestimmen, wann das Leben unter den momentanen Bedingungen nicht mehr als lebenswert erscheint und beendet werden soll.

Die Autorin hat als Fachanwältin für Erbrecht im Laufe ihrer jahrelangen Erfahrung und zahlreicher Gespräche die Erfahrung gemacht, dass insbesondere ältere Menschen nach einem erfüllten Leben sich das Recht ausbedingen wollen, ihren Todeszeitpunkt selbst zu bestimmen, auch wenn keine schwerwiegende Krankheit vorliegt, welche in absehbarer Zeit zum Tode führt. Da die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung in Deutschland bislang verboten und unter Strafe gestellt war, blieb diesen Personen grundsätzlich nur der Weg, sich entsprechende Medikamente im Ausland zu besorgen oder einem Sterbehilfeverein, beispielsweise in der Schweiz, beizutreten, welcher einen auf seinen letzten Weg begleitete.

Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 26.02.2020 wurde das bisher geltende Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in Deutschland für verfassungswidrig erklärt.

In diesem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht klar dargestellt, dass das im Grundgesetz verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben beinhaltet und damit die Freiheit umfasst, sich das Leben zu nehmen und hierbei auch auf die freiwillige Hilfe Dritter, wie beispielsweise Sterbevereine zurückzugreifen zu können. Somit hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass § 217 StGB, welcher bislang eine geschäftsmäßig vorgenommene Förderung der Selbsttötung mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe belegte, verfassungswidrig und somit nichtig ist.

Was bedeutet dies jetzt aber konkret für die Zukunft? Auch zum jetzigen Zeitpunkt war die nicht geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung bereits straffrei, wenn diese beispielsweise durch einen Angehörigen oder eine dem den sich töten Wollende nahestehende Person erfolgte. Eine entscheidende Weichenstellung erfolgte aber nun durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dahingehend, dass Sterbehilfevereinen nun auch in Deutschland und anderen Ländern die Türen geöffnet wurden Sterbehilfe, anzubieten. Zukünftig ist es möglich und völlig legal, schwer erkrankten Personen, die ihr Leben mit Hilfe eines solchen Vereins beenden möchten, die hierfür notwendigen Medikamente zur Verfügung zu stellen oder den Sterbeprozess zu begleiten. Es verwundert daher nicht, dass dieses Urteil insbesondere von diesen Vereinen, jedoch auch von in der ambulanten oder stationären Patientenversorgung tätigen Ärzten sowie von Anwälten, welche im Bereich suizidbezogener Beratung tätig sind, als positiv angesehen.

Bedenken des Bevölkerungsteils, welcher sich strikt gegen eine Aufhebung des geschäftsmäßigen Verbotes der Sterbehilfe aussprachen, bleiben. Dadurch, dass das Bundesverfassungsgericht keine Voraussetzungen für die Inanspruchnahme geschäftsmäßiger Selbsttötung benannt hat, wie beispielsweise eine schwere unmittelbar zum Tode führende Erkrankung, steht zu befürchten, dass nun auch Selbstmordwilligen Tor und Tür geöffnet sind, sich legal die notwendigen Mittel zu ihrem Suizid zu besorgen. Auch wenn dies ebenfalls ein Ausdruck des persönlichen Selbstbestimmungsrechts ist, kann wohl nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese geschäftsmäßige Hilfe zum Sterben möglicherweise nicht immer aus reiner Nächstenliebe, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit vorgenommen werden wird.

Gleichwohl ist das Urteil für Menschen, die schwer erkrankt sind und deren einziger Ausweg aus einem langsamen Sterben ohne Heilungsmöglichkeit darin besteht, sich zu einem Zeitpunkt das Leben zu nehmen, zu dem man sich noch menschenwürdig verabschieden kann, ein Meilen¬stein. Der Wunsch nach einem friedlichen Tod ist verständlich.
Schlussendlich wird jeder, wie bisher auch, für sich selbst entscheiden müssen, ob er seinem Leben zu einem Zeitpunkt, der von ihm selber gewählt wird, ein Ende setzt. Es bleibt jedoch zu befürchten, dass die Hemmschwelle für eine Selbsttötung durch dieses Urteil herabgesetzt wurde, indem eine Legalisierung der Inanspruchnahme von gewerbsmäßiger Selbsttötung in gewisser Weise auch verharmlost wird.

Hans, Dr. Popp & Partner - Anwaltskanzlei in München

Christine Gerlach

Rechtsanwältin in München
Fachanwältin für Erbrecht

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Erbrecht, Pflichtteilsrecht, Testamentsvollstreckung, Gesellschaftsrecht

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